Lissabon-Vertrag

Mit großer Mehrheit hat das Europäische Parlament die Entschließung zum EU-Reformvertrag von Lissabon verabschiedet. Bei den 99 deutschen EU-Abgeordneten gab es Nein-Stimmen aus den Reihen der Linken. Das Vertragswerk muss nun in allen 27 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden

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Dafür gestimmt
82
Dagegen gestimmt
5
Enthalten
0
Nicht beteiligt
12
Abstimmungsverhalten von insgesamt 99 Abgeordneten.
Name Absteigend sortieren FraktionWahlkreisStimmverhalten
Portrait von Werner LangenWerner LangenCDU/CSU (EVP)11 - Rheinland-Pfalz Dafür gestimmt
Portrait von Kurt Joachim LaukKurt Joachim LaukCDU/CSU (EVP)1 - Baden-Württemberg Dafür gestimmt
Portrait von Kurt LechnerKurt LechnerCDU/CSU (EVP)11 - Rheinland-Pfalz Dafür gestimmt
Portrait von Klaus-Heiner LehneKlaus-Heiner LehneCDU/CSU (EVP)10 - Nordrhein-Westfalen Dafür gestimmt
Portrait von Jo LeinenJo LeinenSPD (S&D)12 - Saarland Nicht beteiligt
Portrait von Peter LiesePeter LieseCDU/CSU (EVP)10 - Nordrhein-Westfalen Dafür gestimmt
Portrait von Erika MannErika MannSPD (S&D)9 - Niedersachsen Dafür gestimmt
Portrait von Thomas MannThomas MannCDU/CSU (EVP)7 - Hessen Dafür gestimmt
Portrait von Helmuth MarkovHelmuth MarkovDIE LINKE5 - Brandenburg Dagegen gestimmt
Portrait von Hans-Peter MayerHans-Peter MayerCDU/CSU (EVP)9 - Niedersachsen Dafür gestimmt
Portrait von Hartmut NassauerHartmut NassauerCDU/CSU (EVP)7 - Hessen Dafür gestimmt
Portrait von Angelika NieblerAngelika NieblerCDU/CSU (EVP)2 - Bayern Dafür gestimmt
Portrait von Vural ÖgerVural ÖgerSPD (S&D)6 - Hamburg Dafür gestimmt
Portrait von Cem ÖzdemirCem ÖzdemirDIE GRÜNEN/PIRATEN/ÖDP (Grüne/EFA)1 - Baden-Württemberg Dafür gestimmt
Portrait von Doris PackDoris PackCDU/CSU (EVP)12 - Saarland Dafür gestimmt
Profilbild Tobias PflügerTobias PflügerDIE LINKE1 - Baden-Württemberg Nicht beteiligt
Portrait von Willi PiecykWilli PiecykSPD (S&D)15 - Schleswig-Holstein Dafür gestimmt
Portrait von Markus PieperMarkus PieperCDU/CSU (EVP)10 - Nordrhein-Westfalen Dafür gestimmt
Portrait von Horst PosdorfHorst PosdorfCDU/CSU (EVP)10 - Nordrhein-Westfalen Dafür gestimmt
Portrait von Bernd PosseltBernd PosseltCDU/CSU (EVP)2 - Bayern Dafür gestimmt
Portrait von Hans-Gert PötteringHans-Gert PötteringCDU/CSU (EVP)9 - Niedersachsen Dafür gestimmt
Portrait von Godelieve Quisthoudt-RowohlGodelieve Quisthoudt-RowohlCDU/CSU (EVP)9 - Niedersachsen Dafür gestimmt
Portrait von Alexander RadwanAlexander RadwanCDU/CSU (EVP)2 - Bayern Dafür gestimmt
Portrait von Bernhard RapkayBernhard RapkaySPD (S&D)10 - Nordrhein-Westfalen Dafür gestimmt
Portrait von Herbert ReulHerbert ReulCDU/CSU (EVP)10 - Nordrhein-Westfalen Dafür gestimmt

Das Vertragswerk, das die Staats- und Regierungschefs am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet haben, soll die EU nach innen funktionsfähiger und nach außen handlungsfähiger machen. Durch die EU-Erweiterung auf 27 Mitgliedsstaaten war es zuletzt immer schwieriger geworden, mit der bisherigen institutionellen Ausgestaltung der Union Entscheidungen zu treffen. Dieses Problem zeigte sich beispielsweise in zentralen Politikfeldern, in denen einzelne Staaten durch ein Veto Entscheidungen blockieren konnten. In Zukunft soll es nur noch in Ausnahmefällen Veto-Entscheidungen geben, in der Regel soll nach dem Mehrheitsprinzip abgestimmt werden. Um bevölkerungsreiche Länder wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien nicht gegenüber kleinen Staaten wie Litauen oder Zypern zu benachteiligen, wurde mit dem Lissabon-Vertrag das Prinzip der doppelten Mehrheit eingeführt: Eine Entscheidung kommt dann zustande, wenn mindestens 55 Prozent der Mitgliedsstaaten zustimmen, die insgesamt 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten.

Weitere Änderungen durch den Vertrag von Lissabon:
Um mehr Kontinuität zu gewährleisten, soll der EU-Ratspräsident nicht wie bisher nur ein halbes Jahr amtieren, sondern vom Rat der Staats- und Regierungschefs auf zweieinhalb Jahre gewählt werden. Durch die längere Amtszeit wird dem Ratspräsidenten außerdem mehr Gewicht verliehen.
Die EU wird von einer Art Außenminister, dem "Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik" repräsentiert. Dieser soll einen diplomatischen Dienst erhalten und Vizepräsident der EU-Kommission werden. In der Kommission fällt der Posten des Außenkommissars weg.
Die zur Zeit 27 Mitglieder umfassende EU-Kommission soll schlanker werden. Ab 2014, wenn die Kommission auf zwei Drittel der EU-Staaten verkleinert werden soll, stellt nicht mehr jedes Mitgliedsland einen Kommissar. Stattdessen wechseln sich die einzelnen Länder ab.
Das EU-Parlament soll einerseits gestärkt werden und muss künftig bei fast allen Entscheidungen der Union zustimmen. Andererseits bleibt das Parlament nach wie vor ohne Mitspracherecht bei Entscheidungen, die die Außen- und Sicherheitspolitik betreffen. Auch darf das EU-Parlament weder eigene Gesetze vorlegen noch den Ratspräsidenten bestimmen.
Erstmals kann ein Mitgliedsstaat aus der EU austreten.
Die demokratische Kontrolle der Organe der Europäischen Union durch die nationalen Parlamente wird gestärkt. Diese erhalten das Recht, eine erneute Überprüfung von Rechtsvorschriften zu verlangen, wenn sie der Ansicht sind, dass durch diese das Subsidiaritätsprinzip verletzt wird.

Gegenüber dem Verfassungsvertrag, der 2005 nach ablehnenden Referenden in Frankreich und den Niederlanden verworfen wurde, verzichtet der Vertrag von Lissabon u.a. auf:
staatstypische Symbole wie Flagge und Hymne,
die Bezeichnung "Verfassung",
die Schaffung des Amtes eines EU-Außenministers (nun: "Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik"),
die Aufnahme der Grundrechtecharta, diese wird allerdings durch einen Verweis für rechtsverbindlich erklärt (außer in Großbritannien und Polen).
eine sofortige Einführung der doppelten Mehrheit bei Abstimmungen, dieses Prinzip wird erst ab 2014 eingeführt (s.o.).

Gegen den Lissabon-Vertrag gibt es vielfältige Kritik. Moniert wird u.a., dass das strukturelle Demokratiedefizit der Europäischen Union nicht gelöst wurde (kaum kontrollierbare Macht der Ministerialbeamten im Rat, Legitimation der EU-Verträge und der EU-Kommission, Gewaltenteilung, fehlendes Initiativrecht des Parlaments, Ersatz-Gesetzgebung durch EU-Fallrecht, eigenmächtige Kompetenzerweiterungen der EU-Institutionen). Die Linke, deren Abgeordnete mit einer Ausnahme gegen den Lissabon-Vertrag stimmte, kritisierte dessen neoliberale Ausrichtung. Ziel sei ein friedliches, soziales und demokratisches Europa, was mit dem Lissabon-Vertrag nicht erreicht werde.

Der Lissabon-Vertrag muss von allen 27 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Die Iren hatten am 12. Juni 2008 den Reformvertrag in einem Referendum abgelehnt.