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Wiebke Esdar
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Frage von Andrea W. •

Frage an Wiebke Esdar von Andrea W. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Esdar!
Ich mache mir Sorgen. Nicht in erster Linie um Corona sondern um das, was danach kommt. Die Klimakrise wird sich ihre Schlagzeilen noch während der Pandemie zurückholen. In Deutschland war der Frühling war viel zu trocken und viele Bauern befürchten einen neuen Dürresommer. Anderen Breiten drohen Folgen massiverer Ausmaße. Obwohl wir die Auswirkungen der Klimakrise bereits spüren, stecken wir in einer politischen Sackgasse. Frankreich zeigt einen teil der Lösung auf: Als Reaktion auf Gelbwesten und die Notwendigkeit zu handeln lässt Präsident Macron in einem Klimabürgerrat über die Maßnahmen zur Treibhausgasreduktionen beraten. Die Empfehlungen will er umsetzen oder das Volk per Referendum darüber entscheiden lassen. Ist ein "Convention Citoyenne pour le Climat" auch in Deutschland denkbar und würden Sie ihn unterstützen?
Mit freundlichen Grüßen
A. W.

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Antwort von
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Liebe Frau W.,

vielen Dank für diese sehr schöne und sehr schwierige Frage! Grundsätzlich halte ich so einen Bürgerrat in Deutschland für möglich. Allerdings bin ich aktuell noch unschlüssig, ob ein Bürgerrat die Erwartungen erfüllen kann, die damit im Kampf gegen die Klimakrise verbunden sind.

Mit einem Klimabürgerrat sind ja zwei Annahmen verknüpft: erstens die gewählten Politikerinnen und Politiker kriegen die Klimakrise nicht in den Griff; und zweitens, wenn erst so ein Klimabürgerrat eingesetzt ist, wird kurz gesagt alles gut, weil dann endlich „die richtigen Maßnahmen“ ergriffen würden.

Ich bin da ehrlich gesagt skeptisch, weil ein Klimabürgerrat auf kurz oder lang vor denselben Problemen stehen wird wie der Bundestag oder die Bundesregierung. Denn es geht darum, viele unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen, die alle ihre Berechtigung haben. Kurz gesagt: wie bewältigen wir die Klimakrise sozialverträglich und so, dass unser Wohlstand nicht gefährdet wird?

Für mich spricht nichts per se gegen neue Verfahren, um sich zu beraten und Bürgerinnen und Bürger stärker zu beteiligen. Doch ich glaube, dass auch solche Gremien nicht davor geschützt sind, dass unterschiedliche Interessengruppen versuchen, auf sie Einfluss nehmen – und zwar aus der ganzen Bandbreite von Klimaschützerinnen und -schützer bis hin zu Lobbygruppen für Atomkraft.

Zudem finde ich es schwierig, wenn wir einzelne Themen, wie z.B. den Klimaschutz im demokratischen Prozess aussondern. Denn erstens will ich nicht, dass sich gewählte Politikerinnen und Politiker hinter einem Bürgerrat verstecken können und so ihre Verantwortung nicht wahrnehmen. Und zweitens finde ich es schwierig, ein einzelnes Thema – so wichtig und zukunftsentscheidend es auch ist – gegenüber anderen Bereichen zu bevorzugen.

Schließlich bitte ich auch zu bedenken, dass es ja auch bei einem solchen Bürgerrat keinen Automatismus gibt, dass dieser schärfere Gesetze für mehr Klimaschutz fordert. Was machen wir denn, falls er genau das Gegenteil fordert und den Klimaschutz lockern möchte? Auch das könnte am Ende bei den Empfehlungen rauskommen.

Unterm Strich finde ich Bürgerräte spannend und wäre auch offen, das auszuprobieren. Allerdings verbinde ich damit nicht die Hoffnung, dass daraus der große Befreiungsschlag entsteht. Denn am Ende bleibt es dabei: Demokratie ist immer ein langer und schwieriger Prozess, bei dem wir dicke Bretter bohren müssen.

Herzliche Grüße

Ihre Wiebke Esdar

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