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Ulrike Rodust
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Frage von Peter S. •

Frage an Ulrike Rodust von Peter S. bezüglich Soziale Sicherung

Betreff
Enteignung durch Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrente(Direktversicherung), auch wenn diese entstand durch Gehaltsumwandlung. (z. B. Weihnachtsgeld)

Wie stehen Sie hierzu, bzw. warum gibt es keinen Vertrauensschutz !!? für Altverträge??

Wären Sie bereit einen Musterprozess vor einem zuständigen europäischen Gericht mitzutragen ?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schnegg,

herzlichen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch. Sie kommen auf das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG), das die Beitragsfreiheit ihrer Direktversicherung beseitigt, zu sprechen.

Das Gesetz ist bereits am 01.01.2004 in Kraft getreten. Es handelt sich dabei um eine rein nationale Angelegenheit - als Europaabgeordnete bin ich im Grunde genommen nicht die richtige Ansprechpartnerin. Ich stelle Ihnen aber gerne die damalige Position der SPD auf Bundesebene zum Thema zur Verfügung:

Das GMG unterwirft die Kapitalabfindungen aus Direktversicherungen, die bei Vertragsschluss bzw. vor Eintritt des Versicherungsfalls (Beispiele: Eintritt in den Ruhe-stand, Erwerbsunfähigkeit) vereinbart oder zugesagt worden sind, der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung. Das GMG verlangt also den Versicherten, die für ihre betriebliche Alterversorgung eine Kapitallebensversicherung mit "Einmalzahlung" abgeschlossen haben, einen Solidarbeitrag ab.

Die SPD tritt seit jeher dafür ein, dass die breiten Schultern eine schwerere Last tragen als die schmalen Schultern. Sie hat sich deshalb dafür entschieden, lediglich die Rentner verstärkt zur Beitragszahlung heran zu ziehen, deren gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine solche Mehrbelastung zulässt. Das ist insbesondere bei den Rentnern der Fall, die zusätzlich zu ihrer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Einkünfte aus Versorgungsbezügen - hier in Form einer Lebensversicherung mit Kapitalabfindung - erzielen.

Seit dem 01.01.2004 ist auf alle Versorgungsbezüge (Beispiele: Renten aus der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Direktversicherungen, Pensionen und Bezüge aus der Abgeordnetenversorgung) der volle allgemeine Beitragssatz zu zahlen. Damit werden sämtliche Einkünfte aus Versorgungsbezügen seit Anfang 2004 mit dem allgemeinen Beitragssatz der jeweiligen Krankenkasse in die Beitragsbemessung einbezogen. Einziges Kriterium für die Beitragsbemessung ist jetzt die finanzielle Leistungsfähigkeit des einzelnen Rentners.

Die Neuregelung verletzt nach Einschätzung der SPD keine verfassungsrechtlich gewährleisteten Vertrauensschutztatbestände. Denn die Erhebung von Beiträgen auf Direktversicherungen mit Kapitalabfindung greift nicht in geschützte Besitzstände ein. Die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag selbst werden nicht ange-tastet, sie bleiben im vollen Umfang erhalten. Der Gesetzgeber ist weder durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (Eigentumsgarantie) noch durch das Rechtsstaatsprinzip daran gehindert, Direktversicherungen mit Kapitalisierung der Versicherungsansprüche der Beitragspflicht zu unterwerfen.

Die SPD stützte diese Bewertung in erster Linie auf die Entscheidungen, die das Bundessozial- und das Bundesverfassungsgericht zur Erhebung eines eigenen Krankenkassenbeitrages der Rentner auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gefällt haben. Beide Gerichte haben die Klagen bzw. die Verfassungsbeschwerden abgewiesen, die Rentner dagegen erhoben hatten, auf ihre Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung den halben Beitrag zu zahlen. Ebenfalls abgewiesen hat das Bundessozialgericht Klagen, die sich gegen die Erhebung von Beiträgen auf betriebliche Altersrenten richteten. Die Verfassungsbeschwerden, die gegen diese Urteile eingelegt worden sind, hat das Bundesverfassungsgericht damals nicht zur Entscheidung angenommen.

Sehr geehrter Herr Schnegg, angelehnt an die obige Darstellung der Position der SPD im Bundestag muss ich Ihre Aufforderung einen Musterprozess vor einem zuständigen europäischen Gericht zu tragen, ablehnen. Es besteht seitens der EU kein Handlungsspielraum oder Mitspracherecht. Auch wenn ich inhaltlich wie thematisch nicht "die erste Adresse" bin, hoffe ich, dass ich mit dieser offenen Darlegung ihre Frage beantworten konnte.

Mit den besten Grüßen nach Tornesch,
Ihre Ulrike Rodust