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Ulrich Lechte
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Frage von Wolfgang B. •

Frage an Ulrich Lechte von Wolfgang B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Lechte,

Deutschland war Kolonialmacht. Es hatte in der Vergangenheit vielfältige koloniale Erwerbungen in Afrika, Asien und Ozeanien und sich dort sehr brutal gegen die Bevölkerung verhalten. Unter anderem sind die Aufstände der Nama und Herero blutig niedergeschlagen worden, ebenso wie der Maji-Maji-Aufstand in Tanzania und der Boxer-Aufstand in China. Bis heute hat Deutschland dafür keine Entschädigung geleistet. Zweimal haben die Nachkommen der Nama und Herero vor einem New Yorker Gericht Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht, der sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Staatensouveränität entzogen hat und bereits die Zustellung der Klageschrift hintertrieben hat.

Gleichzeitig hat der Deutsche Bundestag sich zu dem Genozid an den Armenien im Osmanischen Reich geäußert und der Türkei hierfür die Verantwortung zugeschoben. In Ihrem Wahlprogramm haben Sie trotz langer Aussagen zur internationalen Zusammenarbeit eine Aussage zur deutschen Verantwortung vermieden. Deshalb meine Frage:

1. Wie stehen Sie zur Klage der Herero und Nama vor dem New Yorker Bezirksgericht?
2. Sind Sie bereit, sich in gleicher Weise für eine Resolution zur Verurteilung deutscher Greueltaten in den ehemaligen deutschen Kolonien einzusetzen wie Sie dies hinsichtlich des Armenien-Beschlusses gegen die Türkei getan haben?
3. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Verfolgten der deutschen Kolonialverwaltungen auch finanziell entschädigt werden?
4. U.a. in Namibia, aber auch in anderen ehemaligen Kolonien Deutschlands, leben viele Nachkommen deutscher Kolonialbeamter und Siedler, die aus Vergewaltigungen hervorgegangen sind. Ihnen wird, obwohl Nachkommen von Deutschen, die deutsche Staatsangehörigkeit verweigert. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der deutsche Staat seine diesbezügliche Praxis ändert?

Freundlichst,
W. B.

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Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Frage.
Zwischen 1904 und 1907 wurden im Namen des Deutschen Kaiserreichs schreckliche Gräueltaten an den Volksstämmen der Herero, Nama und Damara verübt. Dieses Kapitel ist ein furchtbares und beschämendes Kapitel deutscher Vergangenheit in Afrika.

Die Bundesrepublik Deutschland kann rechtlich dafür nicht haftbar gemacht werden, weshalb die Sammelklage vor dem New Yorker Bezirksgericht sowie vorangegangene Rechtsverfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag abgewiesen wurden. Dennoch müssen wir unserer historisch-moralischen Verantwortung für das Geschehene gerecht werden. Seit 2015 verhandeln Vertreter der Bundesregierung und der namibischen Regierung über Aufarbeitung und Maßnahmen der Wiedergutmachung. Der genaue Verhandlungsstand hierzu wird nicht bekanntgegeben. Es ist derzeit jedoch nicht abzusehen, ob die Verhandlungen zu einem Ergebnis führen werden. Die Bundesregierung möchte keine direkte Entschädigungszahlungen leisten, sondern strebt die Würdigung der Opfer durch intensive Entwicklungshilfe an. Das Problem bei den Verhandlungen ist auch die Zusammensetzung der namibischen Delegation. Herero und Nama fühlen sich bei diesen Gesprächen zu Recht außenvorgelassen. Die Bundesregierung hat bisher keine Anstrengungen unternommen, dieses Problem zu lösen. Ende August besuchte Entwicklungsminister Gerd Müller Namibia und in diesem Rahmen auch Hereros und Namas.

Wir glauben, dass der Weg der Verhandlungen mit der Regierung Namibias grundsätzlich der richtige ist. Jedoch verhält sich die Bundesregierung dabei ungeschickt, da sie es nicht schafft, alle Interessenvertreter, darunter insbesondere die Herero und Nama, in die Verhandlungen miteinzubeziehen.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Lechte

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