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Uli Watermann
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Frage von Mathias F. •

Frage an Uli Watermann von Mathias F. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Watermann,

vor einiger Zeit hatte ich diese Anfrage an Frau Ross-Luttmann gestellt. Ich glaube allerdings, dass das Thema eher in Ihren Bereich als Mitglied des Innenausschusses fällt.

In ihrem Nachbarland NRW hat sich eine Polizistin beschwert, dass sie zu
einer Routinekontrolle den Oberkörper frei machen musste.

http://www.welt.de/regionales/duesseldorf/article123061994/Polizistinnen-duerfen-ihren-BH-anbehalten.html

Bei einem Verkehrsunfall wirken hier durch Gurt und Airbag enorme Kräfte
auf den Oberkörper, so dass eine solche Untersuchung so falsch nicht sein
kann. Zudem können auch die Herz- und Lungengeräusche mit BH nur schlecht erfasst werden. Ich denke, das Problem liegt eher darin, dass die Frau sich durch den männlichen Arzt in ihren Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt sah.
In Niedersachsen werden die Bewerber für den gehobenen Polizeidienst von
einer Ärztin im Beisein von zwei Assistentinnen untersucht.

Die Männer müssen sich für diese Untersuchung vollständig entkleiden,
die Frauen behalten die Unterwäsche (zumindest teilweise) an. Die PDV 300

http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl16/drucks/1500/drucksache-16-1537.pdf

unterscheidet für diese Untersuchung zwischen Frauen und Männern. Die Genitalien der Männer werden im Gegensatz zur BW-Musterung nicht abgetastet, sie müssen sich jedoch die Vorhaut zurück ziehen und den Genitalbereich begutachten lassen.
Bei beiden Geschlechtern muss die Haut und der Bewegungsapparat grundsätzlich vollständig kontrolliert werden.

Wieso müssen sich in Niedersachsen nur die Männer vollständig entkleiden?
Welche Ausschlusskriterien der Diensttauglichkeit hofft die Ärztin unter der Vorhaut der nackten Männer zu finden?
Warum müssen noch zwei weitere Frauen ohne Sichtschutz zugegen sein, obwohl diese Untersuchung für die Männer sowieso schon deutlich schamverletzender ist?

Mit freundlichen Grüßen

Mathias Frost

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Frost,

vielen Dank für Ihre Anfrage über die Seite abgeordnetenwatch.de zum Thema "Diensttauglichkeitsuntersuchungen bei der Polizei". Ich möchte auf Ihre Anfrage hiermit sehr gerne antworten und entschuldige mich zunächst für die verspätete Rückmeldung. Aber auch ich musste mich bei diesem Thema zunächst schlau machen. Ich bitte hierfür um Verständnis.

Wie Sie selbst beschreiben, wird die Diensttauglichkeit von Bewerberinnen und Bewerbern für den Polizeidienst in Niedersachsen auf Grundlage der Polizeidienstvorschrift (PDV) 300 "Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit" beurteilt. Ganz grundsätzlich ist gemäß Paragraph § 9 Absatz 2 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) die gesundheitliche Eignung für die Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit oder in ein anderes Beamten- oder Beschäftigungsverhältnis mit dem Ziel der späteren Verwendung im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit aufgrund einer ärztlichen Untersuchung festzustellen.

Der Polizeidienst stellt besondere Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, aber auch an die seelische Belastbarkeit. Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit müssen insbesondere der Verwendung im Außen- und Schichtdienst, dem körperlichen Einsatz gegen Personen, die Anwendung unmittelbaren Zwangs sowie den Gebrauch von Waffen genügen. Gerade die gesundheitlichen Voraussetzungen sind deshalb nach besonderen Maßstäben zu beurteilen. Die PDV 300 legt daher sowohl die Beurteilungsmaßstäbe als auch jene Merkmale fest, die die Polizeidiensttauglichkeit bzw. Polizeidienstfähigkeit ausschließen (Anlage 1.1). Somit dient die Untersuchung auf Polizeidiensttauglichkeit bzw. Polizeidienstfähigkeit dem Ausschluss beziehungsweise der Feststellung von Erkrankungen und Beeinträchtigungen, die Auswirkungen auf die Polizeidiensttauglichkeit bzw. Polizeidienstfähigkeit haben könnten.

In Niedersachsen werden die entsprechenden Untersuchungen von Polizeiärzten bzw. Polizeiärztinnen durchgeführt. Entsprechend der PDV 300 darf bei diesen Untersuchungen nur medizinisches Assistenzpersonal anwesend sein. Zudem sind die Bewerberinnen und Bewerber einzeln zu Untersuchungen. Soweit personell darstellbar werden die Untersuchungen bei Bewerberinnen grundsätzlich von Polizeiärztinnen, bei Bewerbern von Polizeiärzten durchgeführt. Wünsche der Bewerberinnen und Bewerbern hinsichtlich der Untersuchung werden ebenfalls grundsätzlich berücksichtigt. Ebenso der Wunsch nach Anwesenheit, z.B. einer weiteren medizinischen Fachangestellten bzw. eines medizinischen Fachangestellten.

Die PDV 300 regelt den exakten Untersuchungsablauf nicht. Eine typische Untersuchung beinhaltet aber die Erhebung der Krankengeschichte, eine körperliche Untersuchung, die Messung von Größe und Gewicht, die Blutdruck- und Pulsmessung, Laboruntersuchungen, die Anfertigung eines Ruhe- und Elektrokardiogramms, die Durchführung einer Ergometrie, einer Lungenfunktionsprüfung, eines Seh- und eines Hörtests. Grundsätzlich erfolgt eine orientierende Untersuchung des ganzen Körpers durch die Polizeiärztin bzw. den Polizeiarzt, soweit das zur Beurteilung der in der PDV 300 enthaltenden Maßstäbe und die Polizeidiensttauglichkeit ausschließenden Merkmale erforderlich ist. Untersucht werden insbesondere die Haut, das Skelettsystem und die Bewegungsorgane. Zudem werden die Augen, die Ohren, die Mundhöhle und die Halsorgane, die Kreislauforgane, die Atmungsorgane, die Baucheingeweide, das Nervensystem und bei Männern die Hoden untersucht.

Die Untersuchung der Hoden und damit das komplette Entkleiden der männlichen Bewerber ist insoweit erforderlich, als dass sowohl Bauch- oder Leistenhoden als auch der Verlust beider Hoden gemäß der PDV 300 Merkmale sind, die zu einer Polizeidienstuntauglichkeit führen können.

Bei weiblichen Bewerbern erfolgt eine visuelle, orientierende Inspektion der Brust, um u.a. Narben als Anzeichen für durchgeführte Operationen zu erkennen. Auch Brustimplantate können gemäß PDV 300 zu einer Polizeidienstuntauglichkeit führen. Ein komplettes Entkleiden ist damit für die Untersuchung bei weiblichen Bewerbern nicht notwendig.

Bei anamnestischen Erkenntnissen auf das Vorliegen von Erkrankungen der Geschlechtsorgane, die der Polizeidiensttauglichkeit entgegen stehen könnten, wird um die Vorlage entsprechender fachärztlicher Befunde gebeten.

In der Hoffnung, Ihre Fragen ausreichend beantwortet zu haben,
mit freundlichen Grüßen,

Ulrich Watermann, MdL
Sprecher für Inneres & Sport der SPD-Fraktion im Nds. Landtag

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