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Frage von Anette F. •

Frage an Tom Schreiber von Anette F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schreiber,

über Twitter bin ich auf ihre Tätigkeiten aufmerksam geworden, ich bin entsetzt wie sie sich über eine ganze Szene in Berlin Friedrichshain äußern. Ich bin keine Freundin von Gewalt, aber ich kann wohl unterscheiden von wem tatsächliche Gewalt ausgeht. Ich habe selbst mal in der Rigaer Straße gewohnt und habe mich als bisexueller Mensch nirgendwo besser aufgehoben gefühlt. Dort sind viele Projekte ansässig die sich mehr als alle anderen gesellschaftlichen Institutionen für die Rechte von Queer-Menschen einsetzen. In "ihrem" Bezirk Köpenick hingegen bekomme ich beinahe täglich zu spüren was es bedeutet, nicht der gesellschaftlichen Norm zu entsprechen. Dafür oder dagegen haben Sie als queerpolitischer Sprecher bisher wenig getan! Auch haben wir hier, im Gegensatz zu Friedrichshain, ein strukturelles Naziproblem das konsequent, auch von und ihnen, totgeschwiegen wird! Es ist mir unbegreiflich wie sie Ihre Energie gegen eine ganze Szene (!) einsetzen, die sich konstant für Menschenrechte einsetzt. Meine Fragen an Sie sind,
(1) Was tun Sie für die Rechte Homosexueller?
(2) Was tun Sie gegen das Naziproblem in Köpenick?
(3) Warum führen Sie einen persönlichen Krieg gegen einige Autonome in FHain?
(4) Denken Sie dass es keinem auffällt dass Sie Schulter an Schulter mit der Klatschpresse kämpfen und dabei gern ein Auge zudrücken was den Warheitsgehalt angeht?

Selbstverständlich erwarte ich eine baldige Antwort.

MfG,
A. Fischer

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Sehr geehrte Frau Fischer,

herzlichen Dank für Ihre Fragen an mich, welche ich Ihnen gerne beantworte.

Zunächst möchte ich gern auf einzelne Annahmen eingehen, die Sie aufgestellt haben. Ich richte mich nicht gegen "eine ganze Szene in Berlin Friedrichshain" und bestreite auch nicht, dass es dort gelungene Projekte zur Unterstützung von queeren Menschen gibt. Ich bin sehr für eine Differenzierung und habe schon an mehreren Stellen gesagt, dass ich kein Problem mit einer linken Szene habe - nur mit dem gewaltbereiten, extremistischen Teil. Von dieser Position werde ich nicht abweichen.

Sie mögen dies nicht erfahren haben, ich konnte es jedoch mehrfach selbst miterleben und sehe mich durch die Geschehnisse am vergangenen Wochenende bestätigt, an dem ganze Straßen und Stadtteile mit Gewalt terrorisiert wurden. Mit den Angriffen in Mitte, Kreuzberg und Neukölln wurden Existenzen zerstört, Migranten wurden genauso wenig verschont wie Menschen, die sich für ihren Kiez stark machen, wie das Quartiersmanagement in Neukölln. Offizielle Angaben der Behörden der letzten Jahre zeigen ein eindeutiges Bild: So wurden zwischen 2009 und 2013 in Berlin 1.523 Gewaltdelikte von links verübt (zum Vergleich - 2003-2008: 835), darunter 423 Taten, welche in die Kategorie der (gefährlichen/schweren) Körperverletzung fallen (Vgl. Studie des Berliner Verfassungsschutzes: Linke Gewalt in Berlin 2009-2013, S. 9, 18). In einer Antwort auf eine Schriftliche Anfrage von mir heißt es zudem, dass allein in der sog. "Langen Woche der Rigaer Straße" im Juli 2015 89 Straftaten begangen wurden, davon u.a. 15 (schwere) Körperverletzungen (Vgl. Abgeordnetenhaus-Drs. 17/16807).

In der genannten Studie (S. 48) heißt es zu diesem Thema weiterhin: "Zur wichtigsten Institution innerhalb dieses Spektrums des Berliner Linksextremismus hat sich in den vergangenen Jahren die "Rigaer 94" entwickelt. Dabei handelt es sich vordergründig um einen Gebäudekomplex in der zweiten Häuserreihe der Rigaer Straße, der in der linksextremistischen Szene den Status eines "autonomen Freiraums" inne hat. Bewohner und Besucher dieses Wohnprojektes und einer darin befindlichen Veranstaltungsstätte zählen zum harten Kern der autonomen "Anarcho"-Szene Berlins. Die "Rigaer 94" war und ist Ausgangspunkt zahlreicher gewaltorientierter Aktionen, die sich gegen die Polizei, aber auch gegen Hinzugezogene und bauliche Veränderungen im weiteren Umfeld richten."

Diese Angaben sprechen für sich und es gibt meinem Empfinden nach keine Möglichkeit, wegzudiskutieren, dass es ein eklatantes Extremismus- und Gewaltproblem gibt. Ich kann beileibe nicht erkennen, was Übergriffe auf Mitbürgerinnen und Mitbürger in Berlin mit Menschenrechten oder der Verteidigung von queeren Menschen zu tun haben. Ich konnte persönlich miterleben, wie Polizeibeamte zu Einsätzen gelockt wurden, um dann vor Ort mit Brandsätzen und Steinen in ihren Streifenwagen angegriffen zu werden. Von Dächern in der Rigaer Str. wurden Gehwegplatten auf Menschen geworfen. Es wird aggressiv versucht, einen ganzen Kiez für autonom und vom Rechtsstaat losgelöst zu erklären. Das kann ich weder ignorieren noch akzeptieren. Ich setze mich für einen starken und sicheren Rechtsstaat ein, in dem jedem Menschen die gleichen Rechte zu Teil werden, welche sich aus unserem Grundgesetz ergeben. Wer dagegen ankämpft oder diese nur selektiv akzeptiert, muss mit der Härte des Rechtsstaates rechnen. Dies ist für mein Empfinden kein "persönlicher Krieg", wie Sie es schreiben. Es ist mein Einsatz für die Sicherheit aller Berlinerinnen und Berliner. So wie ich Sie verstehe, verlangen Sie dies richtigerweise genauso zum Schutz für queere Menschen und im Kampf gegen Rechtsextremismus. An dieser Stelle bin ich ganz bei Ihnen und kann mit großer Gewissheit sagen, dass ich an keiner Stelle "Naziprobleme totgeschwiegen" habe.

Nur beispielhaft sollen kürzliche Äußerungen von mir in folgenden Artikeln dienen:
TAZ, 20.01.2016: http://www.taz.de/!5266965/
BZ, 10.11.2015: http://www.bz-berlin.de/tatort/hitler-gruss-vor-buero-von-tom-schreiber-gezeigt
Tagesspiegel, 03.09.2015: http://www.tagesspiegel.de/berlin/sicherheitsbehoerden-und-der-nsu-berliner-polizei-soll-aus-fehlern-lernen/12270112.html
Dem Problem mit Neonazis in Treptow-Köpenick habe ich mich ununterbrochen angenommen. Ich bin vor Ort, wenn es darum geht, Gesicht gegen Rechts zu zeigen - jüngst am 29. Januar bei einer Mahnwache vor dem Rathaus Köpenick (http://www.demokratie-tk.de). Über Schriftliche Anfragen an den Senat mache ich auf verschiedene Problemstellungen aufmerksam, bei denen ich Polizei und Verwaltung in der Verantwortung sehe, bspw. zuletzt bei der NPD-Demonstration in Schöneweide im November 2015 (Drs. 17/17409), beim Kampf gegen Rechte Hetze im Netz (17/17130 und 17/16039), beim Mord an Burak B. (17/15858) bei Verstrickungen mit der Rockerszene, gerade in Treptow-Köpenick (17/14380) oder auch inwieweit die Polizei stärker mit NGOs bei Fortbildungen zum Thema Rechts zusammenarbeiten kann (17/12611).

Insbesondere bei der Errichtung von Unterkünften für Geflüchtete habe ich für eine enge Vernetzung mit den Polizeiabschnitten gesorgt, um sowohl präventiv als auch in Notfällen schnell und gewissenhaft reagieren zu können. Darüber hinaus mache ich mich für die Verfolgung von jeglichen Straftaten und Hetze, ob auf der Straße oder im Netz, stark und habe mittlerweile zahlreiche Vorfälle zur Anzeige gebracht. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Register Treptow-Köpenick zur Erfassung von rechtsextremen Straftaten ist für mich dabei besonders wichtig, damit das Ausmaß rechter Gewalt weiterhin öffentlich wird und um sie effektiv durch Zivilgesellschaft und Strafverfolgungsbehörden zu bekämpfen.

Beim Einsatz gegen Extremismus ist für mich neben der Repression aber ebenso die Prävention wichtig, weswegen ich mich erfolgreich beim Berliner Landeshaushalt für eine Aufstockung der Jugendprävention eingesetzt habe. In diesem Zusammenhang unterstütze ich die Bemühungen des Bezirks Treptow-Köpenick mit den geförderten Partnerschaften für Demokratie die Anti-Rechts-Arbeit auszuweiten.

Sie fragten mich darüber hinaus, was ich konkret für die Stärkung der Rechte von Homosexuellen tue. Mehr noch, in einer E-Mail vom 04. Februar 2016 bezichtigen Sie mich, ich würde "eklatant gegen die Queer-Szene" arbeiten. Das weise ich mit aller Vehemenz zurück und zeige Ihnen gerne das Gegenteil auf: Neben Schriftlichen Anfragen, z. B. zu trans- und intersexuellen Menschen bei der Berliner Polizei und Feuerwehr (17/17414) oder zur Kriminalität im Regenbogenkiez (17/16631), habe ich acht Anträge zur Weiterentwicklung der Initiative Sexuelle Vielfalt zu folgenden Themen initiiert:

- Vielfalt in der Pflege und im Alter
- Dokumentation und Forschung
- Bildung, Jugend und Aufklärung
- Gegen Gewalt und Diskriminierung
- Öffentlicher Dienst im Land Berlin
- Internationale Zusammenarbeit und Dialog
- Trans- und Intergeschlechtlichkeit
- Rechtliche Gleichstellung

Die ersten beiden Anträge sind vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen worden und befinden sich in der Umsetzung. Die restlichen sechs liegen momentan noch beim Koalitionspartner, ehe sie ins Abgeordnetenhaus eingebracht werden sollen. Gern bin ich jederzeit bereit, auf Anfrage auf die einzelnen Inhalte genauer einzugehen. Darüber hinaus bin ich sehr froh, dass es mir in Partnerschaft mit anderen im Abgeordnetenhaus und der Szene gelungen ist, in den letzten beiden Landeshaushalten ganz konkret den Ausbau von Präventionsangeboten im Bereich Gesundheit und Gewaltprävention sowie die Neugründung des Magnus-Hirschfeld-Instituts für internationale Sexualwissenschaft durchzusetzen. In einer E-Mail an die Fraktion

Ich kann wiederrum nicht erkennen, dass ich "Schulter an Schulter" mit einzelnen Journalisten oder anderen "kämpfe". Ich habe klare Positionen, die ich Ihnen versucht habe zu vermitteln. Dazu äußere ich mich - eindeutig, unmissverständlich und unabhängig vom Gegenüber. Dass dies nicht nur bestimmte Zeitungen oder Medien sind, können Sie gerne dem Archiv auf meiner Homepage entnehmen (http://tom-schreiber.berlin/presseberichte/). Ich habe Ihnen zusätzlich darlegen können, dass meine Positionen auf klaren Fakten beruhen. Diese motivieren mich, bestimmte Zustände nicht einfach zu ignorieren sondern aktiv zu sein. Auch in Zukunft werde ich mich dafür einsetzen, unsere Demokratie und den Rechtsstaat zu verteidigen und weiter zu stärken.

Mit den besten Grüßen
Ihr Tom Schreiber