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Stefan Schwartze
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Frage von Tobias Benedict D. •

Frage an Stefan Schwartze von Tobias Benedict D. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Schwartze,
ich hätte einige Fragen zur Impfkampagne und speziell den AstraZeneca-Impfstoff:
1) Wie rechtfertigen 7 Fälle aus 1.6 Mio. Impfungen einen kompletten Impfstopp? Natürlich mein Beileid an die Hinterbliebenen. Aber wäre es nicht vor allem aufgrund der schlechten Impfsituation in Deutschland, insgesamt sicherer mit den Impfungen fortzufahren und währendessen Untersuchungen zu unternehmen?
2) Der Impfstoff von AstraZeneca hat nicht erst seit dem Impfstopp ein Imageproblem. Dieses existierte schon lange vorher und lag auch teilweise an AstraZeneca selbst. Wenn die Impfbereitschaft mit diesem Impfstoff sowieso nicht hoch ist, wieso ignoriert man dafür nicht einfach die Priorisierung und eröffnet AstraZeneca für alle, die sich impfen lassen wollen?
3) Deutschland blockiert seit einiger Zeit einen WAIVER von Indien und Südafrika, welcher die Pharmafirmen dazu auffordert während der Pandemie bestimmte Patente als Gemeingut freizugeben, sodass mehr Impfstoff produziert werden könnte. Von diesem WAIVer würden mehrere Parteien profitieren:
- vor allem Länder auf der Südhemisphäre, welche noch gar keien Impfstoff erhalten haben, profitieren
- Deutschland selber, weil wir momentan einen Mangel an Impfstoffen haben und weil dieser dann auch günstiger zu erhalten wäre
- die Welt, weil diese Jahrhundertpandemise dann schneller bewältigt werden kann
- die Pharmakonzerne, weil eine Freigabe derer Patente, ihren Impfstoff bevorzugt zu anderen Impfstoffen wie dem Sputnik V aus Russland stellen würde
- Industrieländer, weil ärmere Länder dann weniger leicht abhängig von Ländern wie Russland und China werden

Das war es mit anregenden Fragen.
Mit Grüßen
T. D.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dräger,

ich danke Ihnen recht herzlich für Ihre Email, in der Sie mir Ihre Fragen zur Impfkampagne und Ihre Besorgnisse über den Waiver von Indien und Südafrika mitgeteilt haben.

Bezüglich Fragen zum AstraZeneca-Impfstoff: In Deutschland sind vier Impfstoffe zugelassen. Die beiden mRNA-Impfstoffe von BioNTech und Moderna werden für alle impfwilligen Personen empfohlen. Die Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson&Johnson sollen laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) vor allem bei Menschen über 60 Jahren eingesetzt werden. Hintergrund sind sehr selten auftretende schwerwiegende Nebenwirkungen (Hirnvenenthrombosen). Mit beiden Impfstoffen können sich laut STIKO aber auch jüngere Menschen impfen lassen, wenn sie das möchten und von ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin umfassend aufgeklärt wurden.

Die Corona-Pandemie führt weltweit zu unsäglichem, millionenfachem Leid, zu Überlastungen im Gesundheitssystem und dies vor allem in den ärmsten Ländern unserer Welt. Impfstoffe sind das wichtigste Mittel zur Eindämmung dieser Pandemie. Angesichts der vorhandenen und evtl. neuen Mutationen muss jede Möglichkeit ergriffen werden, die Durchimpfung der Weltbevölkerung zu beschleunigen.

Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt deshalb ausdrücklich die Initiative von US-Präsident Joe Biden und die Ankündigung der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Gespräche über Möglichkeiten einer zeitlich begrenzten Patentaussetzung auf europäischer Ebene aufnehmen zu wollen. Aktuell limitieren die begrenzten Herstellerkapazitäten die globale Verfügbarkeit von Corona-Impfstoffen. Wir als Bundesrepublik Deutschland müssen im Rahmen der Europäische Union unserer globalen Verantwortung in dieser Notsituation nachkommen und jetzt solidarisch mit der Weltgemeinschaft und entschlossen handeln. Daher fordern wir die EU-Kommissionspräsidentin dazu auf, rasch die von ihren angekündigten Gesprächen aufzunehmen.

Wir begrüßen ausdrücklich das Engagement der deutschen Hersteller von mRNA-Impfstoffen bei Ihrer Suche nach möglichen Produktionsstandorten auf dem Wege der Lizenzvergabe. Auch die Bundesregierung arbeitet bereits intensiv daran, geeignete Produktionsstätten zu identifizieren. Das derzeit noch effektivste Mittel ist die Produktion durch freiwillige Lizenzierung.

Für uns ist klar, dass eine Unterstützung der TRIPS-Initiative von Indien und Südafrika kein Garant für eine unmittelbare Verbesserung der globalen Versorgung mit Impfstoffen ist. Trotzdem bietet sie perspektivisches Potenzial, die Produktionskapazitäten der genannten Produkte vor Ort auf- und auszubauen. Aber gerade deswegen und im Bewusstsein für unsere globale Verantwortung unterstützt die SPD-Bundestagsfraktion Gespräche um die TRIPS-Waiver-Initiative im Zusammenhang mit der globalen Corona-Pandemie. Dies dient auch dem Schutz unserer eigenen Bevölkerung vor der Gefahr neuer Mutationen.

Wir setzen weiterhin verstärkt auf freiwillige Kooperationen zwischen einzelnen Herstellern und begrüßen in diesem Zusammenhang die Initiative der WHO für den COVID-19 Technology Access Pool (C-TAP), in dessen Rahmen der notwendige Technologietransfer stattfinden kann. Wir setzten ausdrücklich auf die COVAX-Facility zur Verteilung dringend benötigter Impfstoffe als starkem Zeichen für Multilateralismus. Die Koalition hat im Februar beschlossen, COVAX über die bislang gezahlten Mittel für die globale Bekämpfung des Virus hinaus mit weiteren 980 Millionen Euro zu unterstützen.

Bis Ende 2021 sollen mindestens zwei Milliarden qualitätsgesicherte und bedarfsgerechte Impfstoffdosen bereitstehen, um die akute Phase der Pandemie zu beenden. Ärmere Länder sollen mindestens 1,8 Milliarden dieser Impfdosen erhalten.

Wir sehen bereits jetzt, dass die Vorab-Kaufverpflichtungen mit festgelegten Liefermengen, Lieferfristen und Preisen positive Auswirkungen auf die Ausweitung der Produktionskapazitäten weltweit hat. Wir beobachten die derzeitige Entwicklung in Indien und auf dem lateinamerikanischen Kontinent mit großer Aufmerksamkeit und Sorge. Erste Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung sind angelaufen und müssen nun im Rahmen der WHO weiter verstärkt und verstetigt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Schwartze MdB

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