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Frage von Sophie W. •

Frage an Sonja Steffen von Sophie W. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Steffen,

am 19. Mai findet die Abstimmung zur Reform des Transsexuellengesetzes statt. Die Parteien FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben einen Entwurf zur Selbstbestimmung von trans Menschen ins Parlament miteingebracht. Werden Sie mit „Ja“ für diesen Gesetzesentwurf stimmen? Und wenn nicht, warum? Sie sind ein gewählter Vertreter des Volkes und ich als trans Mensch bin Teil dieses Volkes. Ich habe Rechte verdient.

Vor fast 14 Jahren, im November 2007, bin ich selbst durch diesen Prozess gegangen. Zu dieser Zeit war ich 17 Jahre alt, eine Jugendliche. Zwei Gutachter wurden für meine Vornamensänderung vor Gericht bestellt, ein Prozess, der bis zu 3000 Euro kosten kann, für die trans Menschen selbst aufkommen müssen. Diese Gutachter haben mir eine Reihe von entwürdigenden Fragen gestellt: Wie oft mastubieren sie? Was stellen sie sich bei der Masturbation vor? Wenn Sie Sex haben, welche Rolle spielen sie dann? Tragen sie Reizwäsche, wenn sie mastubieren? Welche Fetische haben sie? Wie lange fühlen sie sich schon so? Stehen sie auf Frauen oder Männer? Tragen sie die Kleidung des anderen Geschlechts und wenn ja, erregt sie das?

Das sind nur einige der Fragen, die mir als Jugendliche gestellt worden sind, von einem Mann, der zu dieser Zeit fast 50 war. Wäre ich ein cisgender (biologisches) Mädchen gewesen, hätte man diesen Mediziner zur Rechenschaft gezogen, aber ich bin nicht cisgender, sondern eine trans Frau.

Die Struktur des Transsexuellengesetzes erlaubt die Diskriminierung von abertausenden Menschen, entwürdigt uns und lässt trans Menschen das Vertrauen in Gesellschaft und Mediziner*innen verlieren. Die Charité, u.a., hat noch bis vor kurzem trans Menschen beim Begutachtungsprozess Bilder von Kindern gezeigt, um in Erfahrung zu bringen, ob wir eine pedophile Veranlagung haben.

Ich bitte Sie inständig darum, über Parteigrenzen hinaus für das Selbstbestimmungsgesetz zu stimmen.

Mit freundlichen Grüßen

Sophie Wokoun

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Sophie Wokoun,

es ist sehr stark, dass Sie mir von Ihren Erfahrungen berichten - das klingt nach einem langwierigen und leidvollen Prozess. Eins muss klar sein: Eine Einschaltung von Psychologen und Medizinern, die immer noch einen pathologisierenden Charakter hat, darf es nicht geben. Diese Beratungsart lehnen wir klar ab.

Transsexualität ist keine Krankheit! Deshalb hätten wir als SPD-Fraktion gerne selbst eine Reform des Transexuellengesetzes verabschiedet. Eine Reform, die das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt, war mit unserem Koalitionspartner in dieser Legislaturperiode leider nicht zu machen. Trotz intensiver Bemühungen und unzähligen Verhandlungsrunden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zusammen mit der Bundesjustizministerin und der Bundesfamilienministerin immer wieder Anläufe gestartet, um eine Reform zu erreichen, die diesen Namen auch verdient. Allerdings konnte weder mit CDU noch mit CSU ein auch nur annähernd tragbarer Kompromiss gefunden werden. In dieser Legislaturperiode konnten mehrere Entwürfe aufgrund des Widerstands unseres Koalitionspartners noch nicht einmal als Vorlage ins Kabinett gebracht werden. Daher haben wir uns im April dieses Jahres entschieden die Verhandlungen der Reform zum TSG zu beenden. Mein und unser Ziel ist eine Reform im Sinne der Betroffenen, nicht eine Reform um jeden Preis.

Unser Gesetzentwurf ist eine gute Grundlage, um dieses Thema in der nächsten Legislaturperiode erneut und im Sinne der Betroffenen anzugehen und zu einigen.

Herzliche Grüße
Sonja Steffen