Frau Mirow, warum soll der (hart) arbeitende Steuerzahler in Deutschland das Bürgergeld der Mitbürger finanzieren, die selbst nicht bereit oder willig sind, arbeiten zu gehen, obwohl sie es könnten?

Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre kritische Frage. Es gibt jedoch keine nennenswerte Anzahl an Leuten, die arbeiten könnten, aber nicht arbeiten wollen. Wir verstehen sehr gut, dass viele Menschen, die hart arbeiten, sich Sorgen machen: Steuern und Abgaben sind hoch, die Preise steigen, und es fühlt sich oft so an, als sei man selbst der oder die Belastete, während „andere“ etwas bekämen.
Zunächst: Das Bürgergeld oder andere soziale Leistungen sind kein „bedingungsloses Geldgeschenk“ für Menschen, die nicht arbeiten wollen. Sie sind soziale Sicherheit für diejenigen, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht ausreichend Einkommen haben: weil sie ihre Arbeit verloren haben, weil sie keine passende Stelle finden, weil sie gesundheitlich eingeschränkt sind, oder weil sie in Branchen arbeiten, in denen Löhne trotz Vollzeitbeschäftigung nicht zum Leben reichen. Wir reden hier also keineswegs von „faulen Bürgern“, sondern von Menschen, die trotzdem Teil unserer Gesellschaft sind und ein Recht auf Teilhabe haben.
Das eigentliche Gerechtigkeitsproblem in Deutschland besteht nicht darin, dass ein Teil der Menschen Bürgergeld erhält, sondern darin, dass Millionen von Menschen trotz Arbeit arm sind, während sich gleichzeitig ganz oben wenige extrem bereichern. Wir fordern deshalb vor allem: Arbeit muss so bezahlt werden, dass niemand auf Bürgergeld angewiesen ist – mit einem deutlich höheren Mindestlohn, besserem Kündigungsschutz und einer stärkeren Tarifbindung.
In einer solidarischen Gesellschaft trägt jede und jeder nach Kräften bei. Steuern sind Ausdruck davon: Wer viel verdient oder große Vermögen anhäuft, gibt mehr ab; wer wenig hat, wird unterstützt. Doch die Realität zeigt die Schieflage deutlich: Jedes Jahr verliert der Staat durch Steuerhinterziehung und aggressive Steuervermeidung schätzungsweise zig Milliarden Euro – Summen, die weit über den gesamten Ausgaben fürs Bürgergeld liegen. Während Bürgergeld-Empfänger:innen also im Schnitt ein paar hundert Euro pro Monat erhalten, verfügen die reichsten zehn Prozent der Haushalte gemeinsam weitaus mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens in Deutschland.
Damit wird klar: Die eigentliche Belastung entsteht nicht durch Menschen, die das Sicherheitsnetz dringend brauchen, sondern durch jene, die sich ihrer Verantwortung entziehen. Ohne dieses Netz jedoch – Arbeitslosengeld, Krankenversicherung, Bürgergeld – könnte jede:r bei Jobverlust, Krankheit oder Krise innerhalb weniger Monate ins Bodenlose fallen. Soziale Absicherung ist daher kein Luxus für wenige, sondern eine Schutzmauer für uns alle.
Mit freundlichen Grüßen
Team Sahra Mirow