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Sahra Mirow
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Frage von Caroline F. •

Frage an Sahra Mirow von Caroline F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Mirow,

fast täglich erreichen uns Bilder von Flüchtlingen, die im Mittelmeer ertrinken - NGOs, die Verantwortung übernehmen, werden als Helfer von Schlepperbanden an den Pranger gestellt…insgesamt für mich ein zunehmend unerträglicher Zustand, der mit der Aussetzung der Rettungseinsätze von z.B. Ärzte ohne Grenzen, Sea-Eye, etc. seinen vorläufigen Tiefpunkt erreicht hat.

Daher ist dieses Thema für mich überaus wichtig, wenn es darum geht, bei welcher Partei ich am 24. September mein Kreuzchen machen werde. Mir ist bewusst, dass während des Wahlkampfs Zeit sehr knapp ist, dennoch wäre es für meine Entscheidungsfindung sehr hilfreich, wenn sie mir folgende Fragen beantworten könnten:

1. Sind Sie der Meinung, EU-Grenzsicherung ist Ländersache oder eine europäische Aufgabe?

2. Denken Sie, dass Seenotrettung Sache der betroffenen Länder im Mittelmeer ist? Oder muss eine Lösung auf europäischer Ebene umgesetzt werden?

3. Sehen Sie eine Verpflichtung der EU, für eine umfassende Seenotrettung zu sorgen?

4. Wie bewerten Sie die Arbeit der NGOs im Mittelmeer?

5. Was halten Sie davon, dass Libyen einseitig seine SAR-Zone ausgedehnt hat und den NGOs den Zutritt verwehrt?

6. Werden Sie sich nach einer erfolgreichen Wahl im Rahmen Ihres Mandats für eine effektive Seenotrettung durch die EU einsetzen?

Die Antworten können Sie mir gerne per Email an schicken.
Bitte beachten Sie, dass ich mir vorbehalte, Ihre Antworten zu veröffentlichen.

VIELEN DANK für Ihre Mithilfe und viel Erfolg bei der Bundestagswahl!

Mit freundlichen Grüßen

C. F.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau F.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Da die Fragen für mich ineinander greifen,
würde ich sie gerne zusammenhängend beantworten.

Für mich als LINKE steht fest: Es ist mit der Idee eines demokratischen und auf Menschenrechte und Humanität gegründeten Europas nicht vereinbar, dass Zehntausende Menschen auf ihrem Weg in ein vermeintlich sicheres Europa im Mittelmeer ertrinken. Ebenso wenig erträglich ist, wenn Schutzsuchende in Auffanglagern und Abschiebezentren an den EU-Außengrenzen unter katastrophalen Bedingungen interniert werden.

Auch die Kumpanei mit undemokratischen Regimen zur Abwehr von Flüchtlingen lehnen wir ab: Es ist inakzeptabel und mit internationalem Flüchtlingsrecht unvereinbar, wenn die EU dafür sorgt, dass Schutzsuchende in die Türkei oder gar nach Libyen zurückgebracht werden, wo sie keinen sicheren Schutz finden können, sondern ihnen stattdessen – wie in Libyen – Misshandlungen, Folter, Sklavenarbeit, Vergewaltigung und Tod drohen. Wir setzen uns für legale und sichere Fluchtwege ein. Das würde Leben retten und kriminell agierenden Fluchthelfern die Geschäftsgrundlage entziehen. Unsere Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat hierzu auch einen entsprechenden Antrag gestellt: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/002/1800288.pdf).

Die EU-Abschottungsagentur Frontex wollen wir abschaffen und durch eine koordinierte Seenotrettung in europäischer Verantwortung ersetzen. In der Tat steht die gesamte Europäische Union in der Pflicht dafür zu sorgen, dass das Massensterben an den EU-Außengrenzen endlich aufhört und Flüchtlinge in Seenot effektiv gerettet werden. Das darf nicht einzelnen direkt betroffenen EU-Mitgliedstaaten überlassen werden. Dass zahlreiche NGOs die Aufgabe der Seenotrettung in einem großen Umfang übernommen haben, ist ein Zeichen dafür, dass die EU ihrer Pflicht zur Seenotrettung unzureichend nachkommt.

Das Engagement der NGOs auf dem Mittelmeer verdient höchsten Respekt und Anerkennung. Völlig indiskutabel sind dagegen die Versuche, etwa des Bundesinnenministers, diese Organisationen der Zusammenarbeit mit „kriminellen Schleppern“ zu verdächtigen und sie damit zu kriminalisieren und zu de-legitimieren. Die Bundesregierung muss die zivilen Hilfsorganisationen auf dem zentralen Mittelmeer vielmehr vor aktuellen Bedrohungen und Angriffen durch die so genannte libysche Küstenwache schützen, die die einseitige Ausdehnung ihrer Hoheitsgewässer ausnutzt, um NGOs an ihrer Rettungsarbeit zu hindern.

Im Kern des EU-Asylsystems steht die Dublin-Verordnung. Diese sorgt dafür, dass einzelne EU-Mitgliedstaaten mit wichtigen EU-Außengrenzen in unverhältnismäßiger Weise belastet werden, indem ihnen fast die gesamte Verantwortung für den Flüchtlingsschutz aufgebürdet wird. Das begünstigt wiederum nationale Abschottungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten, die mit Flüchtlingsrecht unvereinbar sind.

Wir treten deshalb für ein faires und solidarisches System der Flüchtlingsaufnahme und Verantwortungsteilung in der EU ein. Wir wollen das Prinzip der freien Wahl des Aufnahmelandes für Geflüchtete. Ein Ausgleich soll vor allem finanziell hergestellt werden („Fluchtumlage“). Die Verantwortung, Flüchtlinge zu schützen, darf nicht auf Drittstaaten außerhalb der EU übertragen werden, wie es mit aktuellen Planungen der EU-Kommission zur Änderung der Dublin-Verordnung beabsichtigt wird. Die Beseitigung der Fluchtursachen darf keine Phrase sein, mit der diese Abschottung begründet wird.

Abschließend möchte ich betonen, dass gerade Deutschland und Europa auf vielfältige Weise mit dafür verantwortlich, dass Menschen ihre Herkunftsländer verlassen müssen (beispielsweise Waffenexporte, Militärinterventionen, ungerechte Welthandels und -wirtschaftsstrukturen). Das muss sich dringend ändern.

Mit besten Grüßen

Sahra Mirow