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Reinhard Neudorfer
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Frage von Hendrik B. •

Frage an Reinhard Neudorfer von Hendrik B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Neudorfer,

es ist zwar kein Landesthema, dennoch hätte ich vor dem 27. März gerne gewusst, wie sie aktuell zum Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ stehen.

Mit freundlichen Grüßen,
H. Best

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Best,

bitte entschuldigen Sie, dass ich erst jetzt zu einer Antwort komme. Es ist ziemlich viel los an Anfragen und sonstigen Aktivitäten, gerade aktuell natürlich.

Das BGE ist in der LINKEN in einem Diskussionsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist und auch noch weitergehen wird. Eine Minderheit in der Partei (vertreten vor allem durch Katja Kipping,der stellvertretenden Vorsitzenden)vertritt das BGE ganz entschieden. Die Mehrheit der Partei sieht dies allerdings skeptisch. Ich selber rechne mich zu dieser Mehrheit. Zu fragen wäre zunächst, von welchem BGE reden wir? Es gibt ja mindesten ein Dutzend unterschiedliche Modelle. Nüchtern betrachtet (was für die politischen Umsetzung wichtig werden würde) steht immer das Modell von Götz Werner im Vordergrund der Debatte.Also würde wenn dann am ehesten so etwas in dieser Art real kommen, andere Modelle blieben eher Theorie. Da habe ich nun deutlich in Erinnerung aus Diskussionsbeiträgen von ihm seine Meinung,dass mit einem BGE ja Gewerkschaften, Tarifvereinbarungen und andere Formen gemeinschaftlicher sozialer und arbeitsrechtlicher Bestimmungen überflüssig würden.Und da klingeln bei mir die Alarmglocken.
Wenn die Beschäftigten über ihr BGE hinaus Arbeit und entsprechende Bezahlung wollen (und die meisten wollen das, ja werden das müssen, denn das real zu erwartende BGE wird in seiner Höhe m.E. völlig überschätzt von den Befürwortern) würden diese praktisch isoliert und machtlos den Unternehmern gegenüberstehen.Sie wären dann wieder in einer Abhängigkeit, die ja mit dem BGE überwunden werden soll(te).Ich halte dieses Modell geradezu für gefährlich .
Ob andere Modelle diesen Mangel nicht haben würden,wäre wieder eine eigene
Diskussion.
Ein häufiges Argument gegen BGE ist die befürchtete Nichtfinanzierbarkeit. Dem möchte ich mich aber nicht anschliessen, das ist gar nicht das Problem, Geld ist in verschiedenen Formen an verschiedenen Haushaltsposten ja vorhanden.
Zum Verständnis trägt m.E.bei, wenn wir die Entstehungsgeschichte des BGE betrachten. Es ist kein Zufall, dass diese Diskussion sich entwickelt hat vor dem Hintergrund von Massenarbeitslosigkeit und Hartz 4. Aber zur Bekämpfung dessen bin ich für andere Massnahmen, vom Mindestlohn, Wiedererkämpfung der sozialen Sicherungssysteme (anstelle von Privatisierung),politischem Streikrecht, Abschaffung der Leiharbeit, bis zur radikalen Arbeitszeit-verkürzung und -Umverteilung. Wichtig scheint mir, dass die Arbeit für viele Menschen eben nicht nur Gelderwerb bedeutet, sondern auch etwas Selbstverwirklichung und dies sogar unter den realen negativen kapitalistischen Bedingungen. Zur weiteren Diskussion - ich kann hier natürlich nicht auf alle strittigen Punkte des Themas eingehen - empfehle ich J.Bischoff "Allgemeines Grundeinkommen" im VSA-Verlag.Dies gibt in etwa auch meine kritische Meinung zum BGE wieder.

Reinhard Neudorfer

Wahlkreiskandidat der LINKEN Waiblingen