Wie will die SPD eine wirksame Neuausrichtung der EU-Sanktionspolitik vorantreiben, die soziale Stabilität sichert und diplomatische Spielräume für eine nachhaltige Friedensordnung wiederöffnet?
Sehr geehrter Herr Stegner,
Untersuchungen zeigen, dass die bisherigen Sanktionen Russland kaum politisch geschwächt, Europa jedoch sozial und industriell stark belastet haben. Eine Analyse des Institute for New Economic Thinking (Galbraith, 2023, ineteconomics.org/WP_204) beschreibt deutliche Wohlstandsverluste in der EU. Auch in der sicherheitspolitischen Forschung gilt seit Langem, dass Sanktionen selten strategische Kursänderungen erzwingen, wohl aber unbeabsichtigte soziale Kosten erzeugen (Pape, International Security, 1997, DOI: 10.2307/2539368).
Eine verantwortliche Außenpolitik muss daher Wirksamkeit, soziale Folgen und diplomatische Optionen zugleich prüfen – statt sich auf moralische Symbolik zu stützen.- Welche Schritte unternimmt Ihre Fraktion zur unabhängigen Bewertung der Sanktionswirkungen?
- Wann legt die SPD konkrete Vorschläge für eine sozialverträgliche Russlandstrategie vor?
- Wie soll die Öffentlichkeit über deren Fortschritte informiert werden?
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Frage. Sanktionen sind kein Selbstzweck. Sie sollen Russlands Fähigkeit zur Fortführung des Angriffskriegs einschränken und müssen gleichzeitig für unsere Gesellschaft sozial und wirtschaftlich tragfähig sein und bleiben. Die EU hat seit 2022 insgesamt 19 Sanktionspakete beschlossen, die Finanzströme, Energieexporte und den Zugang zu Technologie betreffen. Diese Maßnahmen schwächen Russland nicht vollständig, aber ohne sie hätte das Land deutlich mehr Möglichkeiten, seine Kriegswirtschaft zu stützen. Deshalb setzt sich die SPD dafür ein, dass die Wirkung der EU-Sanktionspolitik regelmäßig und unabhängig überprüft wird. Die Europäische Kommission legt hierzu fortlaufend Wirkungsanalysen vor, außerdem befasst sich der Deutsche Bundestag – unter anderem im Auswärtigen Ausschuss und im Unterausschuss für zivile Krisenprävention – mit der Bewertung und möglichen Anpassung der Maßnahmen.
Eine sozialverträgliche Sanktionspolitik bedeutet für uns, dass Belastungen für Haushalte und Betriebe abgefedert und strategische Abhängigkeiten, insbesondere im Energie- und Technologiesektor, weiter reduziert werden. Genau dazu investieren wir in erneuerbare Energien, Infrastruktur und europäische Industriepolitik. Nur wenn Europa handlungsfähig bleibt, können Sanktionen langfristig wirken.
Gleichzeitig müssen diplomatische Spielräume offen gehalten werden. Russland zeigt derzeit keine Bereitschaft zu Verhandlungen, aber langfristige Sicherheit in Europa wird es nur mit einer politischen Lösung geben – auf Grundlage des Völkerrechts und der territorialen Integrität der Ukraine. Über Fortschritte informieren wir regelmäßig über Bundestagsdebatten, öffentliche Berichte und Beschlüsse auf europäischer Ebene. Sobald Änderungen in der Sanktionspolitik notwendig sind, werden sie transparent im Parlament beraten.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Stegner

