Wie soll eine Normalisierung mit Russland aussehen angesichts von LGBTQ-Verfolgung, Kriegsverbrechen und Brandmarkung von Kriegsgefangenen? Ist das für Sie hinnehmbar?
Sehr geehrter Herr Stegner,
wie erklären Sie den Bürgern, dass Ihr Manifest keine „russische Bombe“ im Bundestag ist? Kaum zurück aus Baku, fordern Sie faktisch neue Redezeit für Putins Regime – ein Regime, das Europa destabilisiert, Kriegsverbrechen begeht und auch Deutschland digital angreift, spioniert, Datenkabel kappt, Luftraumverstöße begeht. Ist das aus wirtschaftlichem Kalkül zu rechtfertigen?
Halten Sie Russland ernsthaft für eine Demokratie, mit der zu handeln und zu interagieren ist?
Ihr Manifest gefährdet nicht nur unsere Sicherheit, es verkennt auch den moralischen Ernst der Lage.
In Erinnerung an Otto Wels: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen – die Ehre nicht.“ Bei Ihnen lässt sich das leider nicht erkennen, da wie ich finde, sie und ihre Kolleg*innen mit diesem Manifest die Annäherung Deutschlands an den russischen Faschismus unterzeichnet haben. Das war kein Zeichen für Frieden, das war ein Zeichen der Schwäche. Russland wird den Krieg nicht mit Diplomatie beenden.

Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre kritische Frage.
Es steht für mich außer Frage, dass die Russische Föderation kein demokratischer Rechtsstaat ist, sondern unter der Führung Wladimir Putins ein autoritäres Regime darstellt. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen die Ukraine, die dokumentierten Kriegsverbrechen, die Verfolgung von LGBTQ-Personen sowie die Misshandlung von Kriegsgefangenen sind durch nichts zu rechtfertigen – und ich verurteile sie entschieden.
Gleichwohl gilt in der internationalen Diplomatie: Wer den Dialog mit Staaten abbricht, die unsere Werte nicht teilen, verschlechtert oft auch die Lage marginalisierter Gruppen wie der LGBTQ-Community in diesen Ländern. Offene Gesprächskanäle bieten zumindest die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und Verbesserungen zu erreichen – auch wenn Fortschritte mühsam und nicht garantiert sind. Während manche ausschließlich auf militärische Logik setzen, halte ich es für notwendig, Diplomatie als ergänzenden Weg nicht aus den Augen zu verlieren.
Mein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zu den universellen Menschenrechten ist unverrückbar. Gerade deshalb muss Ziel aller politischen und diplomatischen Bemühungen sein, diesen Krieg so bald wie möglich zu beenden und eine tragfähige europäische Sicherheitsordnung zu schaffen. Das ist der Hintergrund sowohl meiner Gespräche in Baku als auch meiner politischen Forderungen. Das von mir mitunterzeichnete Manifest ist weder eine Abkehr von der Unterstützung für die Ukraine noch eine Relativierung der Verantwortung Russlands für diesen brutalen Krieg. Es verbindet Verteidigungsfähigkeit mit diplomatischen Initiativen – weil dauerhafte Sicherheit nicht allein mit militärischen Mitteln, sondern nur durch politische Lösungen erreicht werden kann. Dabei darf es keine Illusionen über die Natur des Regimes in Moskau geben.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Stegner