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Nyke Slawik
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Fiona D. •

Wieso stimmten Sie für den vorgezogenen Braunkohleausstieg im Rheinischen Revier, wenn Sie sich jetzt in den sozialen Medien gegen diesen Beschluss äußern?

Sehr geehrte Frau Slawik,
begeistert teilte ich ihr Statement in den sozialen Medien zu den Protesten in Lützerath. Zu sehen, dass Sie am ersten Dezember jedoch für den vorgezogenen Kohleausstieg gestimmt haben, der Beschluss, welcher dafür sorgt, dass RWE die Kohle unter Lützerath doch abbauen darf, hat mich stutzig gemacht. Wie können Sie Ihre Stimmabgabe gegen das Klima mit Ihrer auf diversen Kanälen geteilten Einstellung zu Lützerath vereinbaren?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Fiona D.,

haben ich bzw. die Grünen im Bundestag für die Räumung und Abbaggerung von Lützerath gestimmt? Die kurze Antwort: Nein, das kann man so verkürzt nicht sagen. Die lange Antwort folgt.

Am 1. Dezember 2022 haben wir im Bundestag über die Änderung des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes abgestimmt. Zur Abstimmung stand, den Kohleausstieg in Westdeutschland auf das Jahr 2030 vorzuziehen. Zudem sollte im Gesetz verankert werden, dass die Dörfer und Höfe Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich, Berverath, Eggeratherhof, Roitzerhof, Weyerhof erhalten bleiben sollen. Dieser Gesetzesänderung habe ich zugestimmt. Egal wie ich abgestimmt hätte – ja, nein oder Enthaltung – es hätte rechtlich nichts an der Situation in Lützerath geändert. Denn es stand keine Abstimmung im Raum, die etwas an der rechtlichen Lage in Lützerath geändert hätte.

Warum wird Lützerath dann geräumt und warum soll Lützerath abgebaggert werden? Die Bewirtschaftung des Tagebau Garzweiler II basiert auf geltendem Recht des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Räumung und die entsprechenden polizeilichen Maßnahmen werden ebenfalls vom Land NRW verantwortet. Die Rechtslage bzgl. Lützerath ist damit eine alte Rechtslage, die unverändert geblieben ist.

Die Grünen hatten sich dafür eingesetzt, in den Koalitionsverhandlungen auf Bundes- und auf Landesebene den Erhalt von Lützerath festzuschreiben. Politische Unterstützung von den (größeren) Koalitionspartnern gab es dafür nicht. Es mangelte also vor allem an politischen Mehrheiten, den Erhalt von Lützerath in gesetzliche Änderungen zu überführen.

Man kann die Abstimmung im Bundestag über das Kohleausstiegsgesetz auch als Abstimmung über den „Kohlekompromiss“ an sich lesen. Ja, auch ich frage mich, ob es besser gewesen wäre, mit „Nein“ zu stimmen, um ein Zeichen zu setzen, dass das nicht weitgehend genug ist. Damals habe ich mich in der Abwägung aber für eine Zustimmung entschieden, weil eine Nein-Stimme nichts an der rechtlichen Lage für Lützerath geändert hätte und weil die Gesetzesänderung eine Verbesserung zum Status-Quo war.

Ich versuche als Abgeordnete lernfähig zu bleiben und den Blick nach vorne zu richten. Die Räumung in Lützerath sehe ich sehr kritisch. Ich habe gesehen, wie viele Menschen dort verletzt worden sind. Meine Landtagskollegin Antje Grothus hat auf die ungeklärten Eigentumsverhältnisse hinter Lützerath verwiesen. Deswegen habe ich, wie einzelne andere Grünen-Abgeordnete, gefordert, dass ein Moratorium für Lützi und eine Nachverhandlung der richtige Weg wären.

Seitdem erhalte ich viel Kritik. Springer-Presse, CDU und FDP, aber auch Linke und Klimaaktivisti bezeichnen mich als „Heuchlerin“ und sprechen von „Doppelmoral“. Während sich nun alle an uns Grünen abarbeiten, bereitet die Klimaschmutzlobby in den Parlamenten den nächsten Coup vor. So soll der Ausbau von neuen Autobahnen in Deutschland beschleunigt werden, was von SPD und FDP unterstützt wird.

Ob das der richtige Weg ist, diejenigen besonders hart zu attackieren, die versuchen, Stück für Stück den Status Quo zu verbessern, statt diejenigen, die uns in die Lage gebracht haben, oder diejenigen (wie bspw. CDU und FDP), die z.B. in der Verkehrspolitik größtenteils weiter machen wollen wie bisher. Ich zweifle daran. Ja, ich hoffe auch, dass man noch etwas bewegen kann, dass die Kohle unter Lützerath im Boden bleiben kann. Am Ende müssen dafür alle Parteien in Verantwortung mitziehen. Und ob es gelingen wird? Ich weiß es nicht. Egal was jetzt passiert, der Einsatz um Klimagerechtigkeit wird weitergehen. Denn Deutschland hat noch sehr viele Orte, wo dies entschieden wird.

Mit freundlichen Grüßen

Nyke Slawik

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