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Nadja Hirsch
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Frage von Volker Z. •

Frage an Nadja Hirsch von Volker Z. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr gehrter Frau Hirsch,

Ihnen ist die gegenwärtige Diskussion zum Thema Wasserwirtschaft sicher bekannt. Dazu meine Frage:
In einer Pressemitteilung der EU (IP/12/5470 vom 14.4.2012) ist die Rede von einer geplanten Innovationspartnerschaft zur Lösung von Wasserproblemen. In der Pressemitteilung wird nur sehr vage auf die Probleme bei der Wasserversorgung hingewiesen; auf die Absicht, konkrete ´Lösungen für bestimmte Wasserprobleme´ zu erarbeiten; Innovationshemmnisse zu beseitigen usw. Diese Aufzählung erweckt den Eindruck einer katasrophalen Wasserversorgung in der EU, und damit u.a. auch in Deutschland, die es m.E. nicht gibt.
Desweiteren wird als Hintergrund des Plans auf das Potential des globalen Wassermarktes verwiesen, gepaart mit den (zwischenzeitlich) üblichen Hinweis auf mögliche Schaffung von Arbeitsplätzen und einigem mehr. Hier wird Wasser also zur Handelsware mit goldenen Renditechancen erhoben.
Wasser soll ein Lebensmittel bleiben, und kein Produkt mit wirtschaftlichem Potential. Im Übrigen, wirtschaftliches Potential für wen? Die EU, die EU-Staaten, oder die Prvatwirtschaft?
Wasser (z.B. Zugang, Verfügbarkeit) soll ein Grundrecht für jeden Menschen sein, frei von privatwirtschaftlichen Eingriffsmöglichkeiten.

Wie stehen Sie zu diesem Thema?

Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen aus Augsburg
Volker Zepf

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Zepf,

vielen Dank für Ihre Mail. In der FDP im Europäischen Parlament ist mein Kollege Jorgo Chatzimarkakis als Mitglied des Binnenmarktausschusses für die parlamentarische Arbeit hinsichtlich der EU-Konzessionsrichtlinie zur öffentlichen Auftragsvergabe zuständig. Dennoch teile ich Ihnen gerne meine Meinung zu diesem Thema mit. Bevor ich auf die Frage der Wasserversorgung eingehe, möchte ich kurz darlegen, worum es bei der Konzessionsrichtlinie geht - dies ist in der Berichterstattung oft vernachlässigt worden.

Der Vorschlag für eine Richtlinie über Konzessionen legt einige einfache, aber grundlegende Regeln für die Gewährleistung der Transparenz bei der Vergabe von Konzessionen fest. Die Richtlinie zielt darauf ab, sicherzustellen, dass Unternehmen einen fairen Zugang zu Geschäftsmöglichkeiten in anderen Mitgliedstaaten haben und den öffentlichen Behörden ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis zugesichert wird. Angesichts der hohen Haushaltsdefizite in den Mitgliedstaaten sind Transparenz und Wirksamkeit bei der Vergabe öffentlicher Gelder notwendig.

Der Vorschlag der Europäischen Kommission für die Konzessionsrichtlinie sieht in der Tat vor, die Wasserversorgung in den Geltungsbereich der Richtlinie einzubeziehen. Im Binnenmarktausschuss hat die FDP im Europäischen Parlament gegen die Einbeziehung des Wassersektors gestimmt - leider vergeblich. Dennoch ist die von den Medien erregte Verunsicherung fehl am Platz.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Richtlinie nur für künftige oder zu erneuernde Konzessionen gilt. Laufende Konzessionen sind nicht betroffen. Außerdem gelten die Vorschriften nach Beschluss des Binnenmarktausschusses nur für Dienstleistungskonzessionen mit einem Gesamtwert von 8 Millionen Euro oder mehr (statt 5 Millionen, wie von der Kommission vorgeschlagen).

Die Richtlinie sieht außerdem nicht vor, dass Kommunen oder Gemeinden Dienstleistungskonzessionen, z.B. für die Wasserversorgung, grundsätzlich europaweit ausschreiben müssen. Dies bedeutet, dass öffentliche Auftraggeber nicht zur Ausschreibung gezwungen werden, wie die Medien oft suggeriert haben. Diese Regel gilt für alle Unternehmen, die sich zu 100 Prozent in öffentlicher Hand befinden und den Jahresumsatz zu mindestens 80 Prozent durch Leistungen für die Gemeinde erwirtschaften. Dies betrifft die meisten Kommunen in Deutschland.

Ausgeschrieben werden muss lediglich dann, wenn sich eine Kommune selbst entschließt, die Wasserversorgung mit Hilfe eines privatwirtschaftlichen Unternehmens zu erbringen. Für Stadtwerke gilt dies nur dann, wenn sie bereits einen privaten Partner haben oder wenn sie als "Mehrspartenunternehmen" (Strom, Gas und Wasser) das obengenannte 80-Prozent-Kriterium nicht erfüllen. Doch auch in solchen Fällen kann eine deutsche Kommune in Zukunft sicherstellen, dass keine Ausschreibungspflicht besteht, indem die Stadtwerke ihre Wassersparten ausgliedern.

Nach einigen Gesprächen und Verhandlungen hat der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier in einem Interview mit der österreichischen Zeitung "Standard" letzte Woche klargestellt, dass bei Mehrsparten-Stadtwerken eine Ausgliederung des Bereichs Wasserversorgung nicht mehr erforderlich sei, sondern lediglich eine getrennte Buchführung. Durch die getrennte Buchführung für ihre verschiedenen Sparten sollen die Stadtwerke nachweisen, dass sie in der Sparte Wasserversorgung zu 80 Prozent Leistungen für ihre Stadt erbringen.

Dennoch hat es bisher hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie eine Unsicherheit für den - in der Praxis häufigen - Fall gegeben, dass Stadtwerke neben der Sparte Wasser auch andere Dienstleistungen für die Kommune erbringen, in Passau beispielsweise die Sparten Strom, Gas oder Öffentlicher Personennahverkehr. Es bestand die Sorge, dass die Wasserversorgung in solchen Fällen nur dann kommunal bleiben dürfe, wenn sie in eine eigene kommunale GmbH ausgegliedert würde. Die Gründung einer solchen neuen GmbH wäre aber mit hohen Kosten für Bürokratie verbunden.

Barnier betonte, dass auch die Lieferung von Wasser durch Stadtwerke in Nachbargemeinden im kommunalen Verbund nicht ausschreibungspflichtig wird, sondern wie bisher fortgeführt werden könne. Allerdings werden hier noch konkrete Änderungen im Richtlinienentwurf benötigt, um diesen Punkt abzusichern.

Trotz der vom Parlament erzielten Verbesserungen haben wir weiterhin Zweifel insbesondere über Auswirkungen dieser Richtlinie auf die interkommunale Zusammenarbeit und behalten uns vor, gegebenenfalls in der Endabstimmung gegen derartige Vorhaben zu stimmen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte.

Mit freundlichen Grüßen,

Nadja Hirsch