Warum setzen Sie sich für den sogenannten "Brückenstrompreis" für die energieintensive Industrie ein?
Sehr geehrte Frau Neubaur,
in der Tagespresse ist immer wieder zu lesen, daß Sie sich für den sogenannten "Brückenstrompreis" starkmachen. Als ehemaliger Brancheninsider der energieintensiven Industrie möchte ich Sie - unabhängig von der industriepolitischen Fragwürdigkeit fehlsteuernder Beihilfen - dafür sensibilisieren, daß die Branche hier mit fragwürdigen Lobbymythen anstelle von Zahlen, Daten und Fakten arbeitet und davor warnen. Die steten Drohungen mit Abwanderung und Arbeitsplatzabbau verfangen seit Jahrzehnten und entbehren bezüglich der Strompreisdebatte meist jeglicher Sachgrundlage. Die Strompreise für die deutsche energieintensive Industrie liegen im europäischen Vergleich sogar unter dem Durchschnitt. Im Vergleich zu USA und China sind sie in vielen Fällen in der Tat höher, aber auf vergleichbarer Basis bei weitem nicht so, wie von den Lobbyisten vielfach behauptet. Gern kann ich das mit entsprechenden Daten im Detail belegen und untermauern.
Gunnar H.
Der Brückenstrompreis ermöglicht einen realistischen Übergang hin zu einer erneuerbaren, wettbewerbsfähigen und resilienten Industrieproduktion in Deutschland.
Die Herausforderungen für die Industrie haben sich durch die weltpolitische Lage, die Transformation unseres Energiesystems und den verschärften internationalen Wettbewerbsdruck massiv verschärft. Unsicherheiten auf den Energiemärkten, volatile Preise und zunehmende Handelskonflikte wirken sich direkt auf Investitionsentscheidungen aus.
Der industrielle Mittelstand und die großen, energieintensiven Unternehmen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft und Innovationskraft. Sie benötigen kurzfristige Entlastung ebenso wie langfristige, verlässliche Perspektiven. Um die zukunftsfähige und klimaneutrale Transformation vorantreiben zu können, müssen Unternehmen jetzt investieren – in neue Produktionsverfahren, in Wasserstoffinfrastruktur, in Effizienztechnologien. Diese Investitionen sind nur dann realistisch, wenn die internationale Wettbewerbsfähigkeit in der Übergangsphase nicht verloren geht.
Unser deutsches Wirtschaftsmodell, das lange auf günstigen fossilen Importen, Exporten in wachsende Märkte und geopolitischer Stabilität beruhte, ist Geschichte. Damit wir als Industrieregion widerstandsfähig bleiben und einen substanziellen Beitrag zur europäischen Unabhängigkeit leisten können, müssen wir auch bei den Energiepreisen konkurrenzfähig sein.
Ich befürworte daher einen Brückenstrompreis als befristetes, gezieltes Instrument, das Unternehmen in dieser sensiblen Übergangsphase unterstützt. Es geht nicht darum, alte Strukturen zu konservieren, sondern darum, die industrielle Basis in Deutschland auf ihrem Weg in die Zukunft zu begleiten.

