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Metin Hakverdi
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Frage von Manfred L. •

Frage an Metin Hakverdi von Manfred L. bezüglich Verbraucherschutz

Vor 25 Jahren habe ich eine Lebensversicherung abgeschlossen, die jetzt
im Spetember fällig wird.Heute lese ich in der Süddeutschen Zeitung daß die Versicherungsbranche es wohl mit Hilfe der GroKo, also auch der SPD, durchsetzt, daß die entsprechenden Anteile an der Bewertungsreserve nicht mehr ausgezahlt werden solle und der Garantiezins auch verändert werden soll. Das werden erhebliche Verluste für den Auszahlungsbetrag bedeuten.
Letztes Jahr ist das Vorhaben der VersBranche noch am Widerstand des SPD dominierten Bundesrates gescheitert. Nachdem die SPD aber wieder staatstragend wurde,gibt es offensichtlich keinen Widerstand mehr gegen diese Pläne der Versicherungsbranche.
Warum hat die SPD den Widerstand gegen die Pläne der Versicherungsbranche aufgegeben?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Latussek,

vielen Dank für Ihre Gedanken zur Situation der Lebensversicherungen bzw. zur Bedeutung der Bewertungsreserven für Sie, aber auch für alle Versicherten.

Mir, ebenso wie der SPD-Bundestagsfraktion, ist es wichtig, dass alle Versicherten auch in Zukunft auf die Sicherheit und Rendite ihrer Vermögensanlage und Altersvorsorge vertrauen können. Das muss so gut wie möglich auch in einer anhaltenden Niedrigzinsphase gelten. Mit der gegenwärtigen Situation konnte übrigens niemand rechnen. Eine so lange Niedrigzinsphase war nicht vorherzusehen und auch mit der gesetzlichen Regelung ab 2008 konnten die Versicherten, die ihren Vertrag vor 2005 abgeschlossen hatten, nicht rechnen. Gleichwohl müssen wir realisieren, dass lang andauernd niedrige Zinsen sowohl die Versicherungsgemeinschaft als auch die Versicherungsunternehmen belasten, jedenfalls belasten können. Jedoch allein auf die Bewertungsreserven und die damit ursächlich zusammen hängende Zinsentwicklung zu schauen, würde sowohl die vollständige Analyse verhindern als auch den Lösungsraum deutlich verkleinern.

Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition wurde vereinbart, Maßnahmen zur Stabilisierung der deutschen Lebensversicherer bzw. im Interesse der Lebensversicherten zu treffen. Um dieses Ziel zu erreichen, will die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag ein breites Maßnahmenbündel vorschlagen und einen Gesetzentwurf vorlegen. Wie von der SPD gefordert, soll dieses Gesamtkonzept Rücksicht auf die vielen Versicherten nehmen, die jahrelang jeden Monat in „ihre“ Versicherung eingezahlt haben. Technisch ausgedrückt: wir wollen den Verbraucherschutz im Bereich der Lebensversicherung merklich verbessern. Konzerngewinn und Dividendenausschüttung dürfen nicht steigen, während die Auszahlungen an die Kunden unter Druck geraten. Die Solidarität, die wir zwischen den Versicherten erwarten dürfen, erwarten wir auch von den Versicherungsunternehmen, deren Existenz sie überhaupt erst ihren Kunden verdanken. Und ohne Kunden gingen auch die Aktionäre leer aus.

In Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2005 müssen Versicherte angemessen an den Reserven der Konzerne beteiligt werden. Dieses Urteil wurde im Versicherungsvertragsgesetz in 2007 umgesetzt. Denn schließlich sollen die Versicherungskunden angemessen an den mit ihren Beiträgen aufgebauten Kapitalanlagen beteiligt werden, die oft noch beim Versicherer verbleiben, auch wenn der Kundenvertrag längst beendet ist. Seit 2008 müssen demnach ausscheidende Versicherungsnehmer zur Hälfte an den ihnen zugeordneten Bewertungsreserven beteiligt werden. Dies gilt für alle Anlageklassen, unabhängig davon, ob sich das Zinsniveau in den verschiedenen Anlageklassen unterscheidet. Wir, also „der Gesetzgeber“, hatten damals mit einem solch langfristigen Zinstief nicht gerechnet. Ich vermute, auch die Kunden der Versicherungen konnten damit nicht rechnen. Der beschriebene Effekt wirkt nun so, dass ein Versicherungskunde in Zeiten historisch niedriger Zinsen eine Art Sonderausschüttung erhält, wenn sein Vertrag zufällig in einer solchen Phase niedriger Zinsen ausläuft. Das gilt aber nur insoweit wie die Bewertungsreserven wirklich als zusätzlicher Gewinnbaustein ausgeschüttet werden und sich die Ablaufleistung dadurch tatsächlich erhöht. In der Praxis wird die erhöhte Leistung bei den Bewertungsreserven dagegen durch Kürzung der Schlussüberschüsse „ausgeglichen“, so dass im Ergebnis kein Cent mehr ausgeschüttet wird.

Es ist leicht zu sehen, dass es nicht genügt, nur die Bewertungsreserven zu betrachten, auch wenn die Versicherungsunternehmen uns gern auf diesen einen Aspekt reduzieren möchten. Doch die Überschussbeteiligung von Lebens- und Rentenversicherungen setzen sich aus vielen verschiedenen Überschusstöpfen zusammen – laufender Überschuss, Schlussüberschuss und Beteiligung an den Bewertungsreserven. Darüber hinaus haben die Versicherer durchaus Möglichkeiten, Gewinne in einem Topf – wie bei den Bewertungsreserven - durch Kürzung der Beteiligung an anderen Töpfen, wie zum Beispiel beim Schlussüberschuss, auszugleichen. Außerdem müssen sie seit 2011 bereits eine Zinszusatzreserve bilden, um die versprochenen Garantieleistung auch in einer langandauernden Niedrigzinsphase erbringen zu können. Insofern gibt es hier schon Reservepolster, die ggf. auch ausreichen bzw. die Belastung abfedern. Das muss bei der Diskussion um die Bewertungsreserven angemessen berücksichtigt werden.

Die Regierung hatte schon im vergangenen Jahr einen Lösungsvorschlag erarbeitet - schwierig, weil die erwähnten Änderungen bei den Bewertungsreserven gegenüber den Versicherten zu großen Ungerechtigkeiten führen können. Dieses Vorhaben wurde durch den Bundesrat zunächst gestoppt. Auch wir, die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion, haben dem Gesetzesentwurf damals nicht zustimmen können. Dies stand im Zusammenhang mit den aus unserer Sicht problematischen Regelungen – im Wesentlichen durch die Reduktion auf die Bewertungsreserven – und resultierte auch daraus, dass uns nicht ersichtlich war, warum eine Stabilisierung der Lebensversicherer ausschließlich durch eine Umschichtung unter den Versichertengruppen (Kunden) erreicht werden sollte. Wir wollten auch die Versicherungsunternehmen (z.B. mit ihren Gewinnen) und ihre Anteilseigner bzw. Aktionäre an den Kosten beteiligen...

Mitte Dezember letzten Jahres riefen die von der SPD geführten Länder den Vermittlungsausschuss an – er verständigte sich darauf, es bei den Ausschüttungen der Lebensversicherungen zunächst bei der alten Regelung zu belassen.
Die Versicherungsunternehmen führen an, dass Bewertungsreserven an sich nur scheinbare Gewinne seien, deren Auszahlung zulasten der restlichen Versicherten gehe. Auch unter Berücksichtigung einer weiteren Entwicklung der Zinsen und der Frage, ob diese weiterhin niedrig bleiben, muss dennoch im Vordergrund stehen, dass Versicherungsunternehmen, die langfristige Verträge anbieten, sicherstellen, dass Versicherungsnehmer weiterhin auf die vereinbarte Rendite ihrer Vermögensanlage vertrauen können. Versicherungsunternehmen müssen dazu Konjunkturzyklen in ihre Kalkulationen mit einbeziehen.

Inzwischen wird wieder an einer gesetzlichen Regelung gearbeitet. Leider gibt es noch keine Zeitpläne. In der SPD-Fraktion sind wir jedenfalls nach wie vor der Ansicht, dass auch die Versicherungsunternehmen selbst zu einer Stabilisierung beitragen müssen. Deshalb wird an einer Lösung gearbeitet, die sich nicht nur auf die Bewertungsreserven bezieht, sondern auch eine Reihe weiterer versicherungsspezifischer Maßnahmen mitberücksichtigt:

• Kostenstruktur des Vertriebs – angemessene Provisionen
• Regulierung (bessere Transparenz) von Versicherungen - Aufbau und Verwendung der Schlussüberschüsse, der Zinszusatzreserve und der freien RfB (Rückstellung für Beitragsrückzahlung)
• Beteiligung der Eigentümer
• Bewertung bzw. Gewichtung der Anlageklassen
• Anpassung des Höchstrechnungszinses
• Ausschüttungssperren für Dividende

Durch die jetzt in Angriff genommene Lösung soll eine möglichst gerechte Auszahlung auch in Zukunft möglich sein. Hoffentlich finden wir auf der Grundlage des Gesetzentwurfs im Parlament eine gute und faire Lösung – auch für Sie. Ohne die Bilanzpositionen in den Unternehmen zu vergessen, meine ich damit eine Lösung im Solidarsystem, weil sich die Summe aller individuellen Prognose- und Marktrisiken ungünstig entwickelt hat und sehr stark schwankt.

Hoffentlich können Sie erkennen, dass wir uns anstrengen, eine möglichst faire Lösung für alle Versicherten zu finden.

Falls Sie weitere Informationen benötigen, wäre es von Vorteil, wenn Sie Kontakt mit meinem SPD-Kollegen im Finanzausschuss, Manfred Zöllmer aufnehmen – er ist für diesen Bereich der Berichterstatter.

Mit freundlichen Grüßen
Metin Hakverdi

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