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Frage von Marko Z. •

Frage an Martin Dörmann von Marko Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dörmann,

Mich, und sicher viele andere interessierte Bürger, interessiert nun Ihre Haltung zum Gesetzesentwurf des Familienministeriums "Zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet" nach dem die Bundesregierung die kleine Anfrage der FDP-Fraktion (Drucksache 16/13245) beantwortet hat.
Zusammengefasst war dort zu lesen:

* Wir haben keine gesicherten Erkenntnisse.
* Wir haben keine wissenschaftlichen Studien.
* Wir haben keine Informationen.
* ect.

Vollständige Antwort des BMWi: http://mogis.files.wordpress.com/2009/06/20090611111833532.pdf

Diese Antworten stehen zum großen Teil und in entscheidenden Punkten den Argumenten der Befürworter des Gesetzes, mit denen sie schließlich auch geworben haben, entgegen.
Wie erklären Sie sich das und wie kann man bei so entgegensetzten Aussagen nun überhaupt für oder gegen das Gesetz stimmen?

Mit freundlichen Grüßen

Marko Zuber

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Zuber,

vielen Dank für Ihre Frage.

Die Antwort der Bundesregierung, für die ich persönlich übrigens nicht verantwortlich bin, haben Sie verkürzt wiedergegeben. Zum Teil sind dort durchaus Erkenntnisse und Informationen aufgeführt. Allerdings hätte auch ich mir eine ausführlichere Antwort gewünscht. Insofern kann ich Ihre Skepsis durchaus nachvollziehen.
Abgesehen von dieser Frage haben wir jedoch den Gesetzentwurf unabhängig von der Beantwortung der Kleinen Anfrage geprüft und weiterentwickelt. Ich selbst habe als zuständiger Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion umfangreiches Informationsmaterial ausgewertet, darunter auch die Stellungnahmen der Experten in der Anhörung des Wirtschaftsausschusses. Darüber hinaus habe ich zahlreiche Gespräche mit Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen geführt, etwa auch mit Vertreter/innen der „Internet-Community“, beispielsweise der Mitinitiatorin der ePetition, Frau Franziska Heine, oder Herrn Alvar Freude als Vertreter des AK Zensur.
Ich habe mich also sehr bewusst und intensiv mit allen Pro- und Contra-Argumenten auseinandergesetzt. Auf dieser Grundlage hat die SPD-Bundestagsfraktion ihre Änderungsvorschläge hinsichtlich des Gesetzentwurfes entwickelt und in den Verhandlungen auch weitgehend durchgesetzt. Damit wurde sowohl den Bedenken der in der Anhörung vertretenen Experten und des Bundesrates als auch in wichtigen Punkten Bedenken, die von der „Internet-Community“ geäußert wurden, Rechnung getragen. So ist beispielsweise ein zentraler Punkt in der einschlägigen ePetition die zuvor nicht enthaltene Transparenz und Kontrolle hinsichtlich der BKA-Sperrliste. Genau diesen Punkt haben wir mit aufgenommen.
Im Einzelnen sind nun gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf im verabschiedeten Gesetz folgende Änderungen umgesetzt worden:

1. Grundsatz „Löschen vor Sperren“
Im Gesetz wurde der Grundsatz „Löschen vor Sperren“ verankert. Denn das Löschen der Inhalte ist wirksamer. Danach kommt eine Sperrung nur dann in Betracht, wenn Maßnahmen, die auf eine Löschung abzielen, nicht möglich oder nicht in angemessener Zeit Erfolg versprechend sind.

2. Kontrolle der BKA-Liste
Die Neuregelung nimmt den (auch in der einschlägigen ePetition problematisierten) Wunsch nach mehr Transparenz und Kontrolle auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.
Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen, zu überprüfen und zu korrigieren. Mindestens einmal im Quartal erfolgt zudem zusätzlich auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste kinderpornografische Inhalte betreffen.
Sollte die Mehrheit des Gremiums zu der Auffassung kommen, dies sei nicht der Fall, hat das Bundeskriminalamt den Eintrag bei der nächsten Aktualisierung von der Liste zu streichen. Mit Blick auf die vornehmlich juristischen Aufgaben, muss die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben.

3. Datenschutz
Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.

4. Spezialgesetzliche Regelung
Die im Gesetzentwurf ursprünglichen für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung werden in einem Spezialgesetz geregelt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Mit dem neuen Regelungsstandort in einem besonderen Gesetz wird eine Ausweitung auf weitere Inhalte ausgeschlossen. Die Änderung geht damit auf die vielfach geäußerten Befürchtungen ein, die Zugangserschwerung könnte weiter ausgedehnt werden. Aus diesem Grund wurde auch bestimmt, dass mit der neuen Infrastruktur keine zivilrechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden können.

5. Befristung
Die Geltungsdauer des Gesetzes ist befristet. Das Gesetz läuft automatisch am 31. Dezember 2012 aus. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um dann neu zu entscheiden.

Der zentrale Vorwurf aus Teilen der „Internet-Community“, mit dem Gesetz werde eine Infrastruktur geschaffen, die später auch für die Sperrung anderer, beliebiger Inhalte genutzt werden könne, trägt nicht. Eindeutiger als wir kann man nicht regeln, dass die Sperren nicht auf andere Inhalte oder Zwecke übertragbar sind.
Eines kommt hinzu: Auch ohne Gesetz befindet sich die technische Infrastruktur bereits im Aufbau. Durch Verträge zwischen BKA und den größten Internet-Providern in Deutschland wurden diese nämlich verpflichtet, die Infrastruktur bereitzustellen und entsprechende Sperrungen in nächster Zeit vorzunehmen – und zwar ohne hinreichende Schutzvorschriften in den Verträgen. Nur mit dem Gesetz konnten wir diese nun verankern.
Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir also nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen eine transparente Kontrolle der Sperrliste.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Dörmann, MdB