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Marja-Liisa Völlers
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Frage von Ann G. •

Werden Sie sich im kommenden Wahlgang klar gegen die rechte Hetzkampagne gegen Prof. Dr. Brosius-Gersdorff positionieren und sich öffentlich für ihre Wahl zur Richterin am BVerfG einsetzen?

Sehr geehrte Frau Völlers,

ich bin eine besorgte Bürgerin aus Rinteln und möchte mich für eine unabhängige, demokratische Justiz einsetzen.

Die Hetze gegen Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorff, die sich in den letzten Wochen (aus Teilen des rechten Spektrums) formiert hat, macht mir große Sorgen, gerade auch mit Blick auf den politischen Zustand in Sachsen und Ostdeutschland.

Frau Brosius-Gersdorff ist eine hochqualifizierte Juristin, deren wissenschaftliche Arbeiten – etwa zum Schwangerschaftsabbruch – sich im Rahmen des verfassungsrechtlichen Diskurses bewegen und gesellschaftlich mehrheitsfähige Positionen vertreten. Ihre klare Haltung für Selbstbestimmung, Grundrechte und den Rechtsstaat ist in Zeiten wie diesen dringend notwendig!

Ich bitte Sie daher inständig, mit Ihrem politischen Einfluss ein Zeichen für eine unabhängige Justiz zu setzen, und deutlich zu machen, dass demokratische Verfassungsrichter*innen nicht unter Druck rechter Narrative geraten dürfen.

Freundliche Grüße:)

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Antwort von
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Sehr geehrte A. G.,

herzlichen Dank für Ihre Frage zur Kandidatur von Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorf als Richterin am Bundesverfassungsgericht.

Die Ereignisse der letzten Wochen haben in der Tat besorgniserregende Dimensionen angenommen. Was maximal als sachliche Diskussion über die Qualifikation einer Verfassungsrichterkandidatin hätte geführt werden müssen, entwickelte sich zu einer beispiellosen Diffamierungskampagne, die ihren Ursprung in rechten Online-Netzwerken hatte und sich über soziale Medien bis in den Bundestag ausbreitete. Diese koordinierte Aktion, die von Forschungseinrichtungen wie dem Think Tank Polisphere wissenschaftlich analysiert und als gezielte Kampagne identifiziert wurde, zeigt auf erschreckende Weise, wie vulnerable unsere demokratischen Institutionen gegenüber organisierten Desinformationskampagnen sind.

Professorin Brosius-Gersdorf ist eine herausragende Juristin von internationalem Rang, deren wissenschaftliche Exzellenz und fachliche Kompetenz in der Rechtswissenschaft unbestritten sind. Ihre rechtswissenschaftlichen Positionen bewegen sich vollständig im Rahmen des verfassungsrechtlichen Diskurses und sind, wie Sie völlig richtig anmerken, gesellschaftlich mehrheitsfähig. Dass ihre differenzierten rechtswissenschaftlichen Stellungnahmen zu komplexen verfassungsrechtlichen Fragen wie dem Schwangerschaftsabbruch bewusst verkürzt, entstellt und aus dem Zusammenhang gerissen wurden, um sie als „ultralinke Aktivistin“ zu diffamieren, ist nicht nur wissenschaftlich unredlich, sondern stellt einen direkten Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Integrität des verfassungsrechtlichen Diskurses dar.

In der SPD-Bundestagsfraktion haben wir während des gesamten Prozesses zu unserer Kandidatin gestanden. Wir haben wiederholt betont, dass es sich bei den Vorwürfen gegen Professorin Brosius-Gersdorf um eine beispiellose Kampagne handelt, die darauf abzielte, eine hochqualifizierte Juristin durch die systematische Verbreitung von Falschinformationen und Verzerrungen zu diskreditieren. Es ist besonders bedauerlich, dass unserem Koalitionspartner nicht gelungen ist, seiner ursprünglichen Zusage zu Professorin Brosius-Gersdorf treu zu bleiben und ihr auch nur die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch zu gewähren, um die gegen sie erhobenen Vorwürfe aufzuklären. Gleichwohl möchte ich betonen, dass wir trotz dieser schwierigen Situation weiterhin konstruktiv mit unserem Koalitionspartner zusammenarbeiten und gemeinsam an Lösungen arbeiten werden. Es ist wichtig, dass wir aus diesen Ereignissen lernen und sicherstellen, dass sich ein derartiger Vorgang nicht wiederholt. 

Der Rückzug von Professorin Brosius-Gersdorf am 7. August, den sie mit dem Wunsch begründete, weiteren Schaden von der Demokratie und den Institutionen abzuwenden, ist ein alarmierendes Signal für unsere politische Kultur und die Unabhängigkeit unserer Institutionen. Dass eine Persönlichkeit von solcher fachlicher Exzellenz, persönlicher Integrität und klarer demokratischer Haltung sich aus dem Verfahren zurückziehen musste, weil organisierte Desinformationskampagnen und KI-generierte Diffamierungen erfolgreich waren, ist ein verheerendes Signal für alle jungen Juristinnen, Wissenschaftlerinnen und Entscheidungsträgerinnen in unserem Land. 

Die Analyse der Ereignisse zeigt deutlich, dass wir es mit einer neuen Qualität von Angriffen auf unsere demokratischen Institutionen zu tun haben. Wenn rechte Netzwerke durch koordinierte Desinformationskampagnen in der Lage sind, qualifizierte Kandidatinnen für höchste Richterämter zu verhindern, dann ist dies ein direkter Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz und die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie. Dies betrifft nicht nur die konkrete Personalie, sondern wirft grundsätzliche Fragen über die Resilienz unserer demokratischen Institutionen gegenüber solchen Angriffen auf.  Durch meine langjährige Arbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik weiß ich, wie wichtig es ist, sich für eine unabhängige Justiz und gegen jeden Versuch einsetzen, der demokratische Institutionen durch organisierte Diffamierungskampagnen zu schwächen versucht. 

Angesichts der Entscheidung von Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorf wird die SPD-Bundestagsfraktion eine neue Kandidatin oder einen neuen Kandidaten vorschlagen, die oder der die gleiche fachliche Exzellenz mitbringt, und wir erwarten von unserem Koalitionspartner, dass Absprachen künftig Bestand haben und sich ein derartiger Vorgang nicht wiederholt. Die Integrität des Bundesverfassungsgerichts und die Würde des Wahlverfahrens müssen gewährleistet bleiben, und es darf nicht der Eindruck entstehen, dass organisierte Kampagnen aus dem rechten Spektrum erfolgreich demokratische Institutionen beeinflussen können.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte direkt an Ihren Wahlkreisabgeordneten der SPD, Herrn Holger Mann, MdB, unter holger.mann@bundestag.de wenden.

Mit freundlichen Grüßen,

Marja-Liisa Völlers, MdB

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