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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Marwin N. •

Frage an Konstantin von Notz von Marwin N. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Konstantin von Notz,
Auch wenn ich den Wert "Christlicher Werte" nicht nachvollziehen kann, ich mich sogar eher frage was genau positives an christlichen Werten zu finden ist, kann und muss ich diese natürlich tolerieren.
Was mich allerdings stört ist, dass im aktuellem Kabinett gerade einmal drei Politiker nicht ihren Schwur auf Gott geleistet und sich damit zum säkularem Staat bekannt haben.
Im letzten Kabinett berichteten katholische Medien gar stolz das dort keine konfessionsfreien Politiker vertreten waren.
Anders gesagt ich als Atheist der zusammen mit den Konfessionslosen 36,6 % der Bevölkerung stelle, fühle mich von der Politik weder gehört, noch gesehen, noch berücksichtigt.
Etliche Entscheidungen wurden und werden auf Basis der rechtskonservativen Meinung der christlichen Kirchen oft sogar gegen eklatante Umfragemehrheiten entschieden wie zum Beispiel bei der Sterbehilfe.
Frau Merkel hat die Homoehe bis zum Schluss hinausgezögert mit einer klar christlichen Begründung.
Einige Bundestagspolitiker richten Grüße an Veranstaltungen wie dem mehr als fragwürdigem religiös motiviertem 1000 Kreuze Marsch oder sind auf Veranstaltungen wie dem Katholikentag.
Das entspricht weder einem säkularem Staat noch werden dadurch 36% der Bevölkerung repräsentiert.
Meine Frage an sie als Religionsbeauftragter der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag ist, wie sie und ihre Partei gedenken den Bedürfnissen von Atheisten und Konfessionslosen gerecht zu werden, mit welchen säkularen/kirchenfernen Organisationen sie schon Kontakt haben/hatten und wie sie in Zukunft gedenken den vornehmlich Schweigenden 36% der Bevölkerung politisch wirklich gerecht zu werden.
Darüber hinaus interessiert mich wann man gedenkt die verfassungsmäßig vorgegebene Ablösung der Staatskirchenleistungen anzugehen und wann man gegen das diskriminierende Arbeitsrecht der Kirchen vorgehen möchte.

Mit freundlichen Grüßen,

Marwin Nemitz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr N.,

haben Sie besten Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut.

Deutschland ist heute ein religiös und weltanschaulich vielfältiges Land. Wir Grüne im Bundestag und ich als Beauftragter für Religion und Weltanschauungen der Fraktion setzen uns dafür ein, dass diese Vielfalt in der Gesellschaft sichtbar ist und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt.

Neben den beiden großen christlichen Kirchen sind viele andere Religionsgemeinschaften in Deutschland heimisch und viele Weltanschauungsgemeinschaften entstanden. Eine zunehmende Anzahl von Menschen versteht sich selbst als nicht-religiös bzw. frei von Religion. Die religiös-weltanschauliche Landkarte
Deutschlands wird zugleich immer individueller und pluraler.

Wir Grüne im Bundestag stehen für eine Gesellschaft, in der jede und jeder sicher und selbstbestimmt leben kann und die individuelle Freiheit sowie die persönliche Identität geschützt sind. Sie erfahren erst dort eine Grenze, wo die Freiheiten anderer eingeschränkt werden. Wir setzen uns im Parlament und außerhalb dafür ein, unsere Rechtsordnung durch Reformen pluralitätsfreundlicher zu machen und nicht-diskriminierend für all jene, die nicht Mitglied einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft sind. Hierzu bin ich als Beauftragter für Religion und Weltanschauungen immer wieder auch in Kontakt mit säkularen und humanistischen Organisationen und Interessenvertretungen, ebenso wie mit Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften.

Zum Gebot der Ablösung der Staatsleistungen: Das aus der Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetz inkorporierte Ablösegebot ist zwar nicht mit konkreten Fristen unterlegt, aber verfassungsrechtlich vorgegeben. Klar ist aber auch: Um die Ablösung der Staatsleistungen umzusetzen, bedarf es erheblicher politischer Vorarbeit, die bis heute nicht geleistet wurde. Angesichts der sehr unterschiedlichen Situation und der unterschiedlichen Höhe der Leistungen in den einzelnen Ländern bedarf es zunächst einmal eine sorgfältige Analyse und Transparenz, wie sich die Situation jeweils darstellt. Es wird jeweils zu sehr individuellen Lösungen kommen müssen. Die Politik ist in der Pflicht, diese Debatte zu führen und nach Einhundert Jahren des Bestehens der Ablösungsverpflichtung ihren Teil zu leisten.

Im Zusammenhang mit dem kirchlichen Arbeitsrecht gab es in den letzten Jahren mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Kirchen haben ein verfassungsrechtlich verbrieftes Selbstbestimmungsrecht, das für unser Religionsverfassungsrecht konstituierend ist. Diesem ist jedoch auch und gerade vor dem Hintergrund des Antidiskriminierungsrechts Grenzen gesetzt, wie nach dem EuGH jetzt auch noch einmal das Bundesarbeitsgericht bestätigt hat. Zuletzt hat die Diakonie in diesem Fall Verfassungsbeschwerde eingereicht. Es gilt nun, die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht abzuwarten und dann zu sehen, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

Mit besten Grüßen nach Kiel
Konstantin von Notz

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