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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Inga A. •

Frage an Konstantin von Notz von Inga A. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Dr. von Notz,

Seit mehreren Jahren wird die Gemeinde Großhansdorf (knapp 10.000 Einwohner) durch Fluglärm belastet. Dies ist einer Verlegung der Anflugwege nach Hamburg Fuhlsbüttel geschuldet. Der Großraum Ahrensburg / Großhansdorf musss aber nicht zwingend überflogen werden. Der sogenannte Gegenanflug wurde am Schreibtisch auf die Minimalentfernung von 5 Meilen zum Endanflug festgelegt. Dass dies dicht besiedeltes Gebiet ist, hat die DFS nicht interessiert.

Am 28.8.2017 hatten wir in Großhansdorf 54 Überflüge, welche lauter als 50 dbA waren. Der Spitzenwert lag bei 66,8 dbA. Gezählt sind hierbei nur Überflüge, welche die Umgebungslautstärke zumindest vervierfacht haben. Ein Gespräch im Garten muss bei diesen Lautstärken unterbrochen werden. Überflüge kurz nach 6:00, auch am Wochenende, beenden den Schlaf abrupt. Derartige Überflüge sind gesundheitsbelastend.

Von Seiten der Flugsicherung wurde bereits 2015 zugesagt, die Anflüge zur Bahn 23 wieder weiter östlich zu legen. Dies wurde aber nie wirklich umgesetzt. Die gemäß internationaler Richtlinie ICAO 8168 erforderliche Einrichtung von Minimum Noise Routings auch für die Führung landender Flugzeuge wird von der DFS für den Flughafen Hamburg ebenfalls nicht umgesetzt.

Bitte reduzieren Sie das Thema nicht auf Landes oder Kommunalpolitik. Als Abgeordneter haben Sie Einfluss auf das Umweltbundesamt sowie das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und damit auch auf die Deutsche Flugsicherung, welche das Problem in Stormarn maßgeblich zu verantworten hat.

Konkret möchte ich von Ihnen wissen, ob Sie sich des Problems bewusst sind, sich des Problems annehmen werden und was Sie ggf. konkret zur Reduktion der Lärmbelastung des Großraums Ahrensburg / Großhansdorf zu tun gedenken.

Ich hoffe auf eine konstruktive Antwort und möchte diese auch gerne in meinem Blog zum Thema veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen
I. A.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau A.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage. Viele Menschen im Umland deutscher Flughäfen wie auch um Hamburg sind hohen Lärmbelastungen ausgesetzt. Fluglärm gefährdet nachweislich die Gesundheit und erzeugt Stress. Viele in der dicht besiedelten Metropolregion sind hier an Straßen, Bahntrassen oder eben Flugrouten betroffen und wenden sich auch an mich. Zwar sind neue Flugzeuge deutlich leiser geworden, doch der rasante Anstieg des Luftverkehrs und der lange Einsatz älterer Flugzeugtypen führen dazu, dass Fluglärm ein höchst drängendes Problem bleibt.
Der Flugverkehr in Deutschland hat sich in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdoppelt und wird auch in Zukunft weiter deutlich ansteigen. Im geltenden Luftverkehrsrecht ist der Lärmschutz jedoch völlig unzureichend berücksichtigt. Es ist ein reines Erstattungs- und Entschädigungsgesetz ohne jegliche Elemente einer aktiven Lärmschutzpolitik. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen – also ein Beratergremium der Bundesregierung – stellt fest, dass wirtschaftliche Aspekte des Flugverkehrs im deutschen Recht wichtiger sind als der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Fluglärm. Dies muss geändert werden.

Wir Grüne im Bundestag fordern mit unserem Antrag „Fluglärm wirksam reduzieren“ die Bundesregierung dazu auf, neue Regelungen im Luftverkehrsrecht zu schaffen, Grenzwerte für die Lärmbelastung einzuführen, den Fluglärm in den Nachtstunden zu reduzieren sowie einen Vorrang von aktivem Schallschutz vor passivem Schallschutz.

Doch die Bundesregierung tut beim Fluglärm überhaupt nichts. Selbst die mageren Maßnahmen in ihrem Koalitionsvertrag setzt sie nicht um, sondern schiebt sie auf die lange Bank. So zum Beispiel beim Thema lärmabhängige Flughafenentgelte: Eine stärkere Differenzierung nach Flugzeugtypen und eine deutlichere Spreizung der Tag und Nachttarife hat sie von der Liste ihrer Vorhaben wieder gestrichen. Beim absolut unzureichenden Fluglärmschutzgesetz passiert auch nichts. Hier brauchen wir dringend niedrigere Lärmgrenzwerte für die Einrichtung von Lärmschutzbereichen. Dabei darf kein Unterschied gemacht werden zwischen alten und neuen Flughäfen oder zwischen zivilen und militärischen Flughäfen. Auch beim umstrittenen Thema Flugrouten herrscht völlige Fehlanzeige: Trotz drohendem Vertragsverletzungsverfahren der EU tut Verkehrsminister Dobrindt hier offenbar nichts.

Wenn es beim Schutz vor Verkehrslärm konkret wird, knausert die Bundesregierung zudem mit Haushaltsmitteln. Untragbar ist außerdem die sechsjährige Wartefrist für Betroffene, bis die wenigen immerhin zugesagten Schallschutzmaßnahmen überhaupt umgesetzt werden. Und Verkehrsminister Dobrindt verschärft das Problem mit dem Bundesverkehrswegeplan zusätzlich: Wer weiterhin den Neubau über den Erhalt von Straßen und Brücken setzt, wird die Belastung der Bürgerinnen und Bürger mit Verkehrslärm noch weiter verstärken. Das gilt gerade auch für viele verkehrspolitisch und ökonomisch hoch fragwürdige Regionalflughäfen – wie auch in Lübeck. Eine Verkehrspolitik die insgesamt auf eine effizientere weil klüger vernetzte, nachhaltigere und leisere Mobilität setzt, spart längerfristig am meisten Lärm.

Neben diesen bundespolitischen Maßnahmen bin ich als Wahlkreisabgeordneter aber auch meine kommunalpolitischen Kollegen in den Gemeinden mit vielen regionalen Bürgerinitiativen gegen Verkehrslärm wie in Ostholstein gegen die Feste Fehmarnbelt-Querung oder in Stormarn gegen den Fluglärm im Austausch. Im Rahmen der Fluglärmkommission setzten sich hier die schleswig-holsteinischen Gemeinden für verträglichere Flugrouten und eine striktere Einhaltung der Nachtflugverbote ein. Zu diesen Fragen stehe ich derzeit auf kommunal- und landespolitischer Ebene im Kontakt, um vor Ort zu Lösungen beizutragen. Meine Kindheit und Jugend verbrachte ich in Frankfurt am Main und weiß daher gut um die alltäglich tief einschneidende Betroffenheit von fluglärmgeplagten Wohngebieten. Ich wünsche Ihnen daher in Ihrem Engagement viel Erfolg, das ich gern weiterhin unterstützen werde.

Mit freundlichen Grüßen
Konstantin von Notz

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