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Katrin Göring-Eckardt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Helmut B. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Helmut B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt, ich hätte gerne von Ihnen eine persönliche Antwort, wie Ihre Sichtweise zum Thema ist. Mit freundlichem Gruß H. B.

Rupert Scholz, war Staatsrechtsprofessor in Berlin und Bundesverteidigungsminister (CDU) in Bonn und erklärte bereits vor 2 Jahren: Führende Politiker argumentieren, sie müssten wegen des Grundgesetzes alle Flüchtlinge ins Land lassen. Das Gegenteil ist richtig, erklärt Verfassungsrechtler Rupert Scholz.
http://www.focus.de/politik/deutschland/wir-verteidigen-europas-werte-asylrecht-kennt-obergrenze_id_5016673.html

Die folgenden Punkte sind unter obigem Link ausführlich nachzulesen.
1. Asyl begründet keinen Anspruch auf Einwanderung 2. Jeder EU-Staat hat das Recht auf Grenzkontrollen 3. Der Staat muss nationale Identität schützen 4. Das Asylrecht steht nicht über anderen Grundrechten 5. Das Asylrecht kennt verfassungsrechtliche Schranken 6. Der Bundestag kann Asyl-Obergrenzen einziehen 7. Wer Regeln bricht, hat keinen Anspruch auf Asyl 8. Familiennachzug lässt sich rechtlich stoppen 9. Deutschland kann Flüchtlinge zurückschicken 10. Die geplanten Transitzonen sind mit der Verfassung vereinbar

Der ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio sagt:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article146079219/Staat-heisst-auch-Herrschaft-ueber-die-Grenzen.html
Ein Hinweis zur Genfer Flüchtlingskonvention! Das Dublin-Abkommen und Schengen basieren genau auf Art. 26 der Genfer Flüchtlingskonvention! Deshalb haben sowohl Orban als auch Merkel, als auch alle Staaten, die die Flüchtlinge weiterschleusten, gegen das von ihnen ratifizierte Recht der Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen.

Links zum Grundgesetz § 16a und zur Genfer Flüchtlingskonvention https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_16a.html
http://www.bamf.de/SharedDocs/Glossareintraege/DE/G/genfer-fluechtlingskonvention.html?view=renderHelp[CatalogHelp]
http://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/02/DE_UNHCR-GFK-Pocket_2015.pdf

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Fragen, die wir gerne im Namen von Frau Göring-Eckardt
beantworten werden.

Zu 1. Asyl begründet keinen Anspruch auf Einwanderung:

Selbstverständlich begründet Asyl keinen Anspruch auf Einwanderung. Einwanderung und Asyl sind zu trennen. Asyl gilt erst einmal nur für die Dauer der Verfolgung. Für eine dauerhafte Einwanderung bedarf es eines Einwanderungsgesetzes, damit gut integrierte Menschen über einen Spurwechsel dauerhaft bleiben können. Dazu haben wir einen konkreten Gesetzesentwurf vorgelegt, den Sie unter folgendem Link einsehen können: https://www.gruene-bundestag.de/integration-fluechtlingspolitik/deutschland-braucht-ein-einwanderungsgesetz-04-04-2017.html
.

Zu 2. Jeder EU-Staat hat das Recht auf Grenzkontrollen:

Selbstverständlich hat jeder Staat das Recht auf Grenzkontrollen. Es stellt sich nur die Frage, wieviel sie bringen (derzeit überqueren kaum noch Flüchtlinge die deutschen Grenzen) und ob die Polizei nicht dringender an anderer Stelle gebraucht wird. Der Rückgang der Flüchtlingszahlen ist dabei nicht auf die gegenwärtigen Grenzkontrollen zurückzuführen, sondern auf Maßnahmen in Staaten außerhalb der Europäischen Union, die das Flüchtlingsproblem jedoch nur verlagern nicht aber lösen.

Zu 3. Der Staat muss nationale Identität schützen:

Das scheint mir keine rechtliche, sondern eine politische Frage. Was ist nationale Identität und ist dieser Kern justitiabel? Wir können uns alle sicher schnell einigen, dass Deutschkenntnisse und Grundzüge der deutschen Geschichte und des politischen Systems konstitutiv für unsere Identität sind. All diese Punkte werden in den Sprach- und Integrationskursen erörtert. Damit wäre der identitäre Gehalt dieser Forderung erschöpft oder was wollte der Staat von Asylbewerbern noch weiteres verlangen? Kenntnisse über den „Georgiritt und den historischer Schwerttanz“ in Traunstein? Oder über das „Hanselfingerhut Spiel“ in Forst? Beide Traditionen gehören zum UNESCO Weltkulturerbe und dennoch dürften die meisten Deutschen davon noch nichts vernommen haben.

Zu 4. Das Asylrecht steht nicht über anderen Grundrechten:

Völlig korrekt. Kein Grundrecht steht über einem anderen. Die implizite Behauptung dem Asylrecht käme ein Vorrang zu, provoziert uns aber zu der Frage, welche Rechte anderer Grundrechtsträger durch das Asylrecht denn eingeschränkt würden?
Zu 5. Das Asylrecht kennt verfassungsrechtliche Schranken:

Selbstredend. Sie sind insbesondere in Art. 16a GG niedergelegt.

Zu 6. Der Bundestag kann Asyl-Obergrenzen einziehen:

Hier muss ich Ihnen zum ersten Mal halb widersprechen. Auf Grundlage des geltenden Rechts ist dies nicht möglich. Ein Asylgesuch muss geprüft, ein Anspruch gewährt werden und das Gesetz kennt keine numerische Obergrenze. Gleichwohl könnte - unter verfassungsrechtlicher Änderung des Art. 16a GG - das Grundrecht auf eine zahlenmäßige Höchstgrenze eingeengt werden. Es ist eine politische Frage, ob dies sinnvoll und wünschenswert ist. Unsere Fraktion beantwortet diese Frage ganz klar mit Nein. Humanität darf keine Grenzen kennen.

Zu 7. Wer Regeln bricht, hat keinen Anspruch auf Asyl:

Das ist juristisch nicht vollständig korrekt, wenn auch im Ergebnis nicht falsch. Wer schwere Straftaten begeht, verliert zwar nicht sein Asylrecht (entweder eine Person ist verfolgt oder nicht verfolgt - daran ändert sich nichts, wenn sich dieser Asylbewerber selbst als Krimineller entpuppt). Aber Flüchtlinge, die Straftaten begehen, riskieren ihr Aufenthaltsrecht, können also ausgewiesen und ggf. abgeschoben werden.

Zu 8. Familiennachzug lässt sich rechtlich stoppen:

Das ist nicht korrekt. Die Einheit der Familie ist ein Grundrecht, Art 6 GG
gilt nicht nur für deutsche Staatsangehörige. Der Familiennachzug ist ein
Recht, das die Genfer Flüchtlingskonvention gewährt. Für subsidiär
geschützte Flüchtlinge hat die Bundesregierung übrigens den Familiennachzug
ausgesetzt. Das war für diese Personengruppe rechtlich möglich, ist aber
integrationspolitisch widersinnig, weil die Integration von Mutter, Vater
und minderjährigem Kind besser gelingt, als wenn ein junger Familienvater
Sorge um seine Angehörigen im Bürgerkriegssyrien haben muss. Der
Familiennachzug umfasst übrigens nur die Kernfamilie. In den letzten beiden
Jahren ist auf jeden anerkannten Flüchtling lediglich ein
Familienangehöriger über den Familiennachzug nachgekommen. Das sind auch
nicht geringe Größenordnungen, jedoch sind wir in der Asylpraxis weit von
den Zahlen entfernt, die die AfD ungeprüft in den Raum stellt.

Zu 9. Deutschland kann Flüchtlinge zurückschicken:

Im Wege der Dublin Verordnung, wenn sie über einen sicheren Drittstaat
eingereist sind ja, wenn nicht andere Gründe für eine Übernahme des
Verfahrens vorliegen. Ansonsten können Flüchtlinge, denen kein Schutz
zuerkannt wird, abgeschoben werden, wenn sie nicht freiwillig ausreisen
oder Duldungsgründe vorliegen.

Zu 10. Die geplanten Transitzonen sind mit der Verfassung vereinbar:

Das ist eine Einzelmeinung von Herrn Scholz, zudem eine die operativ sehr
schwer umsetzbar wäre. Faktisch setzt die Einrichtung von Transitzonen an
der Grenze der Übertragung der Mechanismen an Flughäfen auf alle (sic!)
deutschen Grenzübergänge voraus. Das ist erstens europarechtlich schwierig
bis nicht möglich und zweitens für eine Exportnation wie Deutschland, die
drei Viertel ihres Warenverkehrs mit anderen europäischen Staaten
abwickelt, schlicht ökonomisch unvernünftig, wie man derzeit an den
Verhandlungen zum Brexit exemplarisch beobachten kann.

Und zur Herrn Di Fabio und dessen Gefälligkeitsgutachten für die bayerische
Landesregierung antworten wir mit einem Link zu einem Artikel zweier
herausragender Verfassungsjuristen, die dies anders beurteilen:
http://verfassungsblog.de/dem-freistaat-zum-gefallen-ueber-udo-di-fabios-gutachten-zur-staatsrechtlichen-beurteilung-der-fluechtlingskrise/

Mit freundlichen Grüßen

Büro Göring-Eckardt

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