Sind Sie bereit, sich der rechten Hetzkampagne mutig entgegenzustellen und in einem nächsten Wahlgang für Prof. Brosius-Gersdorf zu stimmen?
Mit Sorge beobachte ich die Nichtwahl von Prof. Dr. Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin infolge einer rechten Hetzkampagne. Diese Diffamierung zielt nicht auf eine sachliche Auseinandersetzung, sondern bedroht die Unabhängigkeit der Justiz und die Integrität des Bundesverfassungsgerichts. Brosius-Gersdorf steht für Grundrechte und Verfassungsfestigkeit. Ihre Positionen zum Abtreibungsrecht sind rechtswissenschaftlich fundiert, im Einklang mit geltendem Recht und gesellschaftlich mehrheitsfähig. Zudem ist sie für den 2. Senat nominiert, der nicht für Abtreibungsfragen zuständig ist, sondern etwa für Parteiverbote. Die Angriffe gegen sie sind daher politisch motiviert und gefährlich für unseren Rechtsstaat. Wer diese Kampagne duldet, stellt sich gegen die Prinzipien einer unabhängigen Gerichtsbarkeit.

Sehr geehrter Herr H.,
danke für Ihre Anfrage. Ihren Aussagen, dass die Nichtwahl von Prof. Brosius-Gersdorf auf einer "Hetzkampagne" basiert, sachlich ungerechtfertigt und gefährlich für den Rechtsstaat wären, stimme ich nicht zu. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass hier eine linke Kampagne läuft, um doch noch eine vollkommen ungeeignete Kandidatin durchzuboxen.
Zum Vergleich: Wir haben in Baden-Württemberg in den letzten Monaten wieder in den kommunalen Gremien ehrenamtliche Richtervorschläge für die Verwaltungsgerichte gewählt. Und die Vorschläge der AfD wurden nahezu überall nicht gewählt. Ohne jede Prüfung der Eignung der jeweils vorgeschlagenen Kandidaten, sondern einfach pauschal, weil sie von der AfD vorgeschlagen wurden. Offensichtlich unterstellt man also vielfach jedem möglichen (ehrenamtlichen) Richter eine Parteilichkeit, nur aufgrund dessen, von wem sie nominiert wurden. Für mich ist das eine seit Jahren laufende Kampagne gegen uns.
Auch ich war für das Verwaltungsgericht kurze Zeit als ehrenamtlicher Richter vorgeschlagen, bevor ich dann in den Bundestag einzog und wir für die Entscheidung durch den Kreistag andere Kandidaten nominierten. Erwartungsgemäß wurde keiner von ihnen gewählt – genauso wie in unseren Nachbarlandkreisen. Ich frage Sie aber offen und ehrlich: Hätten Sie an meiner Unabhängigkeit als Richter Zweifel gehabt?
Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich unabhängig von meiner Mitgliedschaft in der AfD am Gericht neutral verhalten hätte. Aber ich habe Grundüberzeugungen, die vermutlich durch meine Auswahl, in welcher Partei ich Mitglied bin, auch erkennbar sind. So ist das bei vielen Vorschlägen für Richter und daher ist es für die jeweiligen Gremien normal, dass man dies bei der Besetzung von Richterposten berücksichtigt (in diesem Fall unserem Kreistag; in Ihrem Beispiel dem Bundestag).
Daher ein klares „Nein“ von mir: Prof. Brosius-Gersdorf halte ich absolut nicht für unabhängig, sowohl aufgrund ihrer öffentlichen Äußerungen als auch schon aufgrund der Tatsache, dass sie von einer Partei entsendet wird.
Die AfD fordert bereits seit ihrem Grundsatzprogramm unabhängige Richter. Dazu unterstützen wir den Modellvorschlag des Deutschen Richterbundes, einen Justizwahlausschuss und einen Justizverwaltungsrat einzurichten. So wie Richter allgemein befördert werden, nach Kriterien wie Befähigung, fachlicher Leistung (Qualität der Urteile, dienstliche Beurteilungen etc.) und Dienstalter/Erfahrung, wäre auch die Besetzung der Verfassungsrichter wesentlich unabhängiger zu gestalten, wenn man das denn will, als wenn Politiker die Richter einsetzen!
Die Einsetzung von Richtern durch Parteien/Abgeordnete/Mandatsträger ist immer ein Anlass für Zweifel an deren Unabhängigkeit. Ich halte Richter, die von Parteien eingesetzt werden, nicht pauschal für abhängig oder unabhängig - egal ob Richter, die auf Vorschlag der SPD oder der AfD eingesetzt werden. Aber Zweifel an deren Unabhängigkeit sind nachvollziehbar und von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Prof. Brosius-Gersdorf pauschal als unabhängig darzustellen, halte ich daher jedenfalls für sachlich vollkommen absurd, genauso wie ihre Nichtwahl zu einer angeblichen "Gefahr für den Rechtsstaat" zu erklären.
Davon unabhängig gibt es nun wirklich genügend sachliche Gründe, um die Kandidatin für ungeeignet zu halten. Alleine schon, dass ihr die Erfahrung als Richterin fehlt.
Aber auch ihre Kritik am Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs im Jahr 2020, als das Paritätsgesetz gekippt wurde, ist für mich beispielhaft dafür, dass sie eine für mich gänzlich unvereinbare Auslegung unseres Grundgesetzes vertritt. Mit dem Urteil musste sich am Ende ebenfalls das Bundesverfassungsgericht beschäftigen und bestätigte den Thüringer (und Brandenburger) Verfassungsgerichtshof faktisch. Sie kritisierte damals, dass es sich die Landesverfassungsrichter zu einfach gemacht hätten, denn sie hätten zur Abwägung auch das Grundgesetz heranziehen müssen (Gastbeitrag von ihr beim Tagesspiegel: "Das Grundgesetz gilt auch in Thüringen"). Da das Bundesverfassungsgericht die Urteile jedoch auch nicht änderte, lag sie mit ihrer Einschätzung und unterstellten Verletzung des Grundgesetzes wohl eher falsch. Mit ihr wäre es vermutlich anders gekommen - sie hielt wohl eine Verpflichtung für die Parteien für ein Reißverschlussverfahren auf Landeslisten für zulässig - was meiner Auffassung des Grundsatzes, dass alle Menschen gleich sind, klar widerspricht. Im Zusammenhang mit ihrem Beitrag sprach sie sich auch für Frauenquoten aus. Wenn alle Menschen gleich sind, dann hat aber auch jeder Mensch (unabhängig vom Geschlecht) das Recht, für jeden Platz einer Landesliste zu kandidieren, oder dasselbe Recht auf ein Amt. Chancengleichheit ist eben nicht Ergebnisgleichheit. Meine Unterstützung hat sie daher aus vielen Gründen nicht.
Außerdem kommt dazu die Frage, wieso überhaupt die SPD ihre Vorschläge einbringen darf, wo doch die AfD wesentlich stärker im Bundestag vertreten ist. Warum also sollten wir einen Vorschlag mittragen, der uns selbst gleichzeitig als zweitstärkster Kraft im Bundestag ein eigenes Vorschlagsrecht verweigert? Die Formel von 2018 für die acht Richter, 3-3-1-1 (Union/SPD/Grüne/FDP), widerspricht komplett den aktuellen politischen Mehrheiten in Deutschland.