Guten Tag Herr Martel, wie stehen Sie zur zunehmenden Hetze im Internet ? Sollte man dagegen nicht vorgehen, um die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern ?
Herr Martel, sie selbst hatten einen Post am 04.04.25 erstellt, wo sie eine "Sitzhasen" im Onlineshop von Aldi aufgrund des Namens als Beispiel der angeblichen Islamisierung Deutschlands benannten. Meinen Sie nicht auch, dies ist zunehmende Hetze (gegen Aldi, gegen die freie Wahl des Produktnamens eines Unternehmens) gegen den Islam sei ?

Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Thematisierung eines Anliegens, über welches jeder kritisch - ggf. auch selbstkritisch - nachdenken sollte.
Zuerst zum „Sitzhasen“: Eine Bezeichnung wie „Sitzhase“ ist nicht vergleichbar mit einem gezielt aufgebauten Produktnamen zwecks der Vermarktung wie der „Goldhase“ von Lindt, um dessen Vermarktung als höherwertiges Produkt (Qualität, Gestaltung …) der Hersteller sogar Rechtsstreitigkeiten geführt hat. Das würde wohl niemand um einen „Sitzhasen“ tun. Ähnliches gilt für den Markenbegriff des „Schmunzelhasen“.
Auch andere Behauptungen, die z. B. der „Faktencheck“ der ARD zur Relativierung angestellt hat, sind schlichtweg absurd – beispielsweise behauptete man dort, dass jede Ware eine eindeutige Bezeichnung braucht, damit neue Ware bestellt werden kann, wenn sie aus ist. Natürlich arbeiten solche Warensysteme aber mit Artikelnummern/EAN. Inzwischen hat sich die Tagesschau auch teilweise korrigiert.
Ob es eine „Islamisierung“ gibt, kann man unterschiedlich beurteilen. Abgeordnetenwatch hat meine ursprüngliche Antwort nicht veröffentlicht und auf die Bundeszentrale für politische Bildung verwiesen. Die meint in einem Artikel von 2018 sinngemäß, dass die Islamisierung eine „Verschwörungstheorie“ wäre, da Ende 2015 nur 5,4 bis 5,7 Prozent der Einwohner Deutschlands Muslime waren. (Nebenbei bemerkt: Das Bundesministerium des Inneren und für Heimat geht 2020 schon von 6,4 bis 6,7 Prozent aus – „der zweitgrößten religiösen Gruppe in Deutschland“.)
Dem halte ich entgegen, dass die „Islamisierung“ sich durch die Zunahme der Islamgläubigen definiert und die Anzahl der muslimischen Mitbürger von ungefähr 6000 im Jahr 1945 auf über 5,5 Millionen im Jahr 2020 anstieg. (Statistik)
Für mich ist die Islamisierung daher eine statistisch unbestreitbare Tatsache. Daher ist es doch auch logisch, dass sich Supermärkte an diese Veränderungen anpassen. Zumindest mir fällt auf, wie sich das Warenangebot in den letzten Jahren verändert hat. Es gibt zunehmend „Halal“-zertifiziertes Fleisch, es gibt zu Ramadan Dekoration und Kalender und vieles mehr. Aber offenbar bemerke das ja nicht nur ich. Beispiele:
- T-Online vom 07.03.2025: „Der Ramadan findet sich zunehmend auch in Supermärkten wieder.“
- 3sat/ZDF vom 12.04.2022: „Halal - Das große Geschäft mit muslimischen Kunden“
- BR vom 20.01.2025: „Halbmond-Kissen bei Ikea, Ramadan-Kalender bei Kaufland oder Rezepte fürs Fastenbrechen bei Aldi: Auch Händler in Bayern erkennen zunehmend den Ramadan als wichtige Saison und bieten Produkte an, die speziell auf muslimische Kunden ausgelegt sind.“
Noch 2010 schrieb die WELT: „Der Markt für islam-konforme Lebensmittel ist ein Riesengeschäft. Doch deutsche Handelsketten hinken im europäischen Vergleich hinterher.“ Und ein weiteres Zitat: „Laut Experten soll keine andere Käuferschicht in Zukunft so stark wachsen wie die der Muslime.“
Inzwischen hat sich die Wirtschaft also der immer größer werdenden Käufergruppe angepasst, was betriebswirtschaftlich logisch ist. Und zu den Anpassungen gehört meiner Meinung nach klar, dass man Produkte zunehmend (nicht auf einen Schlag) anders benennt, z. B. zu Weihnachten oder zu Ostern.
Das Angebot der Supermärkte ist aber nur ein kleiner Aspekt von vielen, der als Folge der statistisch unbestreitbaren Zunahme muslimischer Gläubiger meiner Ansicht nach die Islamisierung belegt. So nimmt natürlich auch die Anzahl an Moscheen zu, da man für 5 Millionen mehr als für 6000 Gläubige braucht. Auch kulinarisch verändert sich das Land, ebenso wie es staatlicherseits mehr Angebote in Türkisch oder Arabisch gibt (z. B. hat das Bundesgesundheitsministerium gerade ein Portal in über 40 Sprachen gestartet oder z. B. gibt die Regierung bei mir in Baden-Württemberg Flyer auch in Türkisch heraus – hier z. B. ein türkischer Flyer zum Energiesparen).
Auch in den Schulen bemerkt man doch die Veränderungen, z. B. sind mir persönlich mehrere Schulen bekannt, in denen alle Schüler ihre Ernährung in der Schule während Ramadan „anpassen“ sollten. Das verwundert auch nicht, denn während der Anteil der christlichen Kinder rückläufig ist, nimmt der Anteil der muslimischen Kinder stark zu. Der Religionsunterricht verändert sich also ebenso. Besonders in urbanen Regionen machen Kinder islamischen Glaubens schon über 30% in Grundschulen aus. 2018 berichtete die WELT unter Bezug auf die DPA, dass knapp 55.000 Schüler islamischen Religionsunterricht besuchen, jedoch die Nachfrage schon bei 650.000 Schülern zwischen 6 und 18 Jahren lag. Auf diese enorme Anzahl an Kindern muss man Rücksicht nehmen – egal, ob sie statistisch durch den Religionsunterricht erfasst werden. Bekommt diese riesige Zielgruppe an Kindern wohl eher einen Osterhasen oder einen Schoko-Sitzhasen geschenkt?
Letztlich zeigt sich eine „Islamisierung“ auch in der Öffentlichkeit, z. B., wenn eine zunehmende Zahl von Städten zu Ramadan eine Beleuchtung aufhängt.
Zurück zum Sitzhasen: Mit einem neutralen Namen für ein Schokoprodukt geht die westliche Welt nicht unter und Ostern ist nicht abgeschafft, ich bin aber überzeugt davon, dass man in Unternehmen lieber religiös neutralere Namen nimmt, um mögliche zusätzliche Kundengruppen nicht unnötig vor den Kopf zu stoßen. Gerade weil der Osterhase nichts mit dem ursprünglichen Fest der Auferstehung Jesu Christi zu tun hat, hofft man hier doch offensichtlich auf zusätzliche Käuferschichten, wenn man ein saisonales Schokoprodukt vermarktet. Ich denke daher, dass der „Sitzhase“ durchaus mit Absicht nicht „sitzender Osterhase“ genannt wurde. Marketingabteilungen von Großkonzernen wie Aldi und Lidl treffen Entscheidungen für Produktnamen sicher nicht, ohne genau nachzudenken.
Inzwischen haben ein paar „Rechercheprofis“ ja auch herausgefunden, dass es schon vor vielen Jahrzehnten irgendwo in Anzeigen „Sitzhasen“ gab. Meiner Meinung nach belegt das aber genau das Gegenteil: Bezeichnungen wie „Sitzhase“ haben sich eben über Jahrzehnte nicht durchgesetzt und sind daher wieder verschwunden zugunsten von „Osterhasen“. Sie jetzt wieder auszugraben, hat also Gründe, und jeder darf selbst überlegen, was die Gründe dafür sind.
Was ist also die „zunehmende Hetze im Internet“?
Über meinen Post zum Sitzhasen wurden im Internet zahlreiche Unwahrheiten verbreitet. Beispielsweise hat eine Influencerin mit hoher Reichweite behauptet, dass ich sage, dass das Christentum jetzt in Gefahr ist. Das habe ich nicht geschrieben, das Christentum habe ich gar nicht erwähnt. Es ist also die Unwahrheit. Dazu kommen in ihrem Video grobe Beleidigungen meiner Partei. Ist das also Hetze gegen mich/uns?
Auch zahlreiche Medien haben zusätzliche „Interpretationen“ zu meinem Post ergänzt, z. B. „der gute alte Osterhase dürfe nicht mehr Osterhase heißen“ (Übermedien) – dabei habe ich auch das nicht gesagt, sondern eben nur von der Verdrängung gesprochen. Es ist ja ein schleichender Vorgang. Ich habe auch nicht behauptet, wie es z. B. bei der „Schwäbischen“ indirekt unterstellt wird, dass es keine Produkte mehr geben dürfe, die den Begriff „Osterhasen“ verwenden.
Manche sehen mich und meine Partei daher verleumdet – ich bekam Aufforderungen, dass ich hier strafrechtlich und zivilrechtlich (Unterlassung) gegen solche Unwahrheiten vorgehen soll. Ich denke aber, dass diese „Auslegung“ meines Posts unter die Meinungsfreiheit fällt. Ich weiß, dass es Politiker gibt, die im großen Stil Bürger anzeigen, von denen sie sich beleidigt fühlen. Ich denke aber, dass Politiker solche Auslegungen aushalten müssen – selbst wenn manche absichtlich falsch auslegen. Eine gewisse „Hetze“ gegen die eigene Person muss man also ertragen, wenn man sich selbst in den öffentlichen Diskurs begibt.
Früher war es im Internet üblich, dass jede Plattform eine sogenannte „Netiquette“ hatte. Trotz der Anonymität des Internets hat man sich an gewisse zwischenmenschliche Verhaltensregeln gehalten. Dies ging leider verloren. Zweifellos gibt es auch in meiner Partei ein paar wenige Personen, die scheinbar austesten, wie weit man gehen kann, bis der strafrechtlich relevante Bereich erreicht ist. Das ist bedauerlich, aber bei gut 60.000 Mitgliedern unvermeidlich. Es ist aber eben nicht nur in der AfD so. Beispielsweise meinten öffentlich-rechtliche Medien schon vor langem, dass ihre „Komiker“ gerichtlich durchsetzen mussten, unsere Bundesvorsitzende eine „Nazi-Schlampe“ nennen zu dürfen. Ist das keine Hetze? Nach meiner Wahrnehmung hat die linke Blase über dieses Urteil im Sinne der Meinungsfreiheit gejubelt - Hetze gegen die AfD hat man nicht erkannt.
Sind linke Pöbler, die mich z. B. auf X (Twitter) aufgrund der Kritik am Sitzhasen „ungebildeten Volltrottel in der NSDAP 2.0“ nennen, keine Hetzer? Müssen diese bestraft werden?
Und müsste der Redakteur des ARD-faktenfinder aufgrund seiner Fake News über die zur Produktzuordnung angeblich nötigen Namen für das Verbreiten von Unwahrheiten zukünftig bestraft werden? Gemäß dem neuen Koalitionsvertrag wollen Merz und Klingbeil „Lügen“ ja offenbar verbieten im Kampf gegen „Fake News“. Was aber ist eine „Lüge“ - siehe z. B. die oben gestellte Frage, ob es eine „Islamisierung“ gibt? Ist bald nur noch eine Meinung dazu erlaubt?
Das Problem der gesellschaftlichen Spaltung ist daher nicht die sachliche Kritik an realen Veränderungen, sondern die Ausgrenzung. Ausgrenzung spaltet die Gesellschaft. Die AfD repräsentiert nach aktuellen Umfragen 20-25% der Gesellschaft und wir werden trotzdem ausgeschlossen. Aus vielen Diskussionsrunden, aus wichtigen politischen Gremien auf allen Ebenen usw. Denken Sie, das wirkt nicht „spaltend“ auf die Gesellschaft?
Die AfD repräsentiert einen großen Teil der Gesellschaft und eine anhaltende Ausgrenzung der AfD - besonders durch staatliche Akteure - spaltet die Gesellschaft daher massiv. Wie möchten Sie dagegen vorgehen?
Die Lösung kann also nicht sein, dass man Kritik oder andere Auffassungen strafbar macht oder sogar unter der Strafbarkeitsschwelle sanktioniert. Wer uns Hetze vorhält, der sollte mit gutem Beispiel vorangehen und auch die eigene Blase zur Mäßigung aufrufen oder deren verbale Ausfälle klar verurteilen. Die Kritik an Tatsachen hingegen darf niemals geframt werden zur „Hetze“.