Jochen Ott
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SPD
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Frage von Martina K. •

Lieber Herr Ott, setzen Sie sich bei der Landesregierung für die Prüfung eines AFD Verbots ein?

Nachdem ich mich in den letzten Woche noch einmal umgehend mit dem Wahlprogramm, den Aussagen und dem Verhalten von AFD Mitgliedern beschäftigt habe, interessiert mich die Frage brennend. Insbesondere wenn ich beobachte, wie deren Aussagen zur gesellschaftlichen Spaltung beitragen (wobei es bei der aktuellen Regierung durchaus auch ein paar Ansatzpunkte gibt, die zu kritisieren wären, aber gerade geht mir um die Prüfung eines AFD Verbots und Ihrer Meinung dazu. Vielen Dank für eine Antwort,
Martina K.

Jochen Ott
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau K.,

für Ihre Zuschrift vom 17.08.2023 und Ihre Anfrage zur Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens möchte ich mich herzlich bedanken. Ich teile Ihre Sorgen! In der Tat sind die hohen Zustimmungswerte der AfD in den aktuellen Wahlumfragen sehr beunruhigend. Bereits seit längerem ist in dieser Partei eine fortschreitende Radikalisierung wahrzunehmen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD-Bundespartei deshalb bereits im Jahr 2021 als „Verdachtsfall“ eingestuft und unter Beobachtung gestellt. Das Verwaltungsgericht Köln hat die Einstufung im März 2022 in erster Instanz bestätigt. Zwar ist dieses Urteil derzeit noch nicht rechtskräftig, weil die AfD Berufung zum Oberverwaltungsgericht Münster eingelegt hat und im Berufungsverfahren das endgültige Urteil noch nicht gefällt wurde. Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass ein nicht geringer Teil des Führungspersonals und auch der Mitglieder der AfD immer wieder durch klar rechtsextremistische Einstellungen und Äußerungen in der Öffentlichkeit auffallen.

Die SPD-Landtagsfraktion hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, die AfD auch bei uns in Nordrhein-Westfalen in jeder Hinsicht politisch zu bekämpfen und ihr im Landtag mit aller Schärfe entgegenzutreten. Damit stehen wir fest in der Tradition unserer Partei, die sich seit 160 Jahren für Demokratie, Menschenrechte und Freiheit einsetzt, hierfür immer wieder gekämpft hat und in ihrer langen Geschichte viele Opfer erbringen musste. Menschenfeindliche und antidemokratische Gesinnungen dürfen in unserem Land keinen Platz haben, Faschismus darf sich nie mehr wiederholen! Jedes Nachgeben gegenüber solchen Kräften ist kategorisch auszuschließen! Für diesen Kurs stehen ich und meine gesamte Fraktion ein.

 

Ich halte es deshalb auch für richtig, dass man über alle Maßnahmen ernsthaft nachdenkt, die zu einer wirksamen Bekämpfung der AfD beitragen können. Bevor man die Einleitung eines Verbotsverfahrens ernsthaft in Erwägung zieht, muss man sich jedoch über folgende nicht unerhebliche Gesichtspunkte im Klaren sein:

Für ein Parteiverbotsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht sehr hohe Anforderungen und Hürden gesetzt. Dies haben die beiden gescheiterten Verbotsverfahren für die NPD (2001 bis 2003 sowie 2013 bis 2017) noch einmal verdeutlicht. Hintergrund dieser hohen Hürden ist, dass ein Parteiverbot in einer durch den parteipolitischen Diskurs geprägten demokratischen Ordnung eigentlich ein Fremdkörper ist und als „schärfstes Schwert“ einer wehrhaften Demokratie nur im äußersten Notfall angewendet werden soll. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reicht die öffentliche Verbreitung verfassungsfeindlicher und antidemokratischer Ideen nicht aus, um eine Partei verbieten zu können. Für ein erfolgreiches Verbotsverfahren muss vielmehr festgestellt werden können, dass eine  Partei systematisch und planvoll daran arbeitet, die freiheitliche und demokratische Grundordnung abzuschaffen und dass gewichtige und konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass sie damit erfolgreich sein könnte. Viele Verfassungsrechtler sehen es derzeit als ungewiss an, ob die AfD trotz ihrer zunehmenden Radikalisierung diese hohen Hürden für ein Verbot bereits erreichen würde, zumal die AfD zumindest bisher noch - anders als es die NPD war - zwar eine teilweise, aber noch keine geschlossen rechtsextremistische Partei ist.

Ein Verbotsverfahren dürfte sich mit großer Wahrscheinlichkeit über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken. In der Zwischenzeit würde sich die AfD mit ziemlicher Sicherheit als vermeintliches Opfer und als Märtyrerin darstellen und damit bei Wahlen auf Stimmenfang gehen. Dies wäre zusätzliche Munition für ihre Propaganda und könnte zu einem nicht zu unterschätzenden Solidarisierungseffekt führen. Umgekehrt würde ein Scheitern eines Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht die AfD ebenfalls triumphieren lassen und stärken. Ein solches Scheitern könnte sie sich dann als eine vom höchsten Gericht ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung an die Fahnen heften. Diese möglichen Auswirkungen müssen alle sehr sorgfältig abgewogen werden, damit ein Verbotsverfahren nicht scheitert und die AfD  letztendlich mehr stärkt als dass es ihr schadet.

Maßgeblich für ein erfolgreiches Verbotsverfahren ist letztendlich, das eindeutige Beweise vorgebracht werden können, die den hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an ein Parteiverbot genügen. Wir als SPD-Landtagsfraktion setzen vor diesem Hintergrund großes Vertrauen in die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Wir stimmen mit unserer Bundestagsfraktion darin überein, zunächst die weiteren Erkenntnisse aus der Beobachtung des Verfassungsschutzes abzuwarten, bevor wir uns entscheiden, ob wir uns für die Beantragung eines Verbots der AfD einsetzen.

Unabhängig davon ist es für uns entscheidend, dass rechtsextremistisches Gedankengut, das die AfD als Partei kanalisiert, nicht an erster Stelle durch ein Parteiverbot zu bekämpfen ist. Denn auch wenn ein Antrag auf ein Parteiverbotsverfahren Erfolg hätte: Die sich in den hohen Zustimmungswerten der AfD ausdrückenden Einstellungen und Haltungen ihrer Mitglieder und Wähler blieben zu großen Teilen bestehen. Unser primäres Ziel ist es deshalb, die AfD politisch zu stellen, ihre Hetze zu bekämpfen und ihre Verschwörungstheorien zu entkräften, damit sie zukünftig erst gar nicht mehr in unsere Parlamente gewählt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Jochen Ott

 

 

 

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