Jochen Ott
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Frage von Lotta M. •

Warum müssen Frauen den Fragebogen zur Wehrpflicht nicht ausfüllen und Männer sind verpflichtet?

Guten Tag Herr Ott,

Ich heiße Lotta und bin 13 Jahre alt und habe gerade mit meinem Vater über dieses Thema gesprochen. Ich frage mich dies, weil Gleichberechtigung doch gerade ein großes Thema in Deutschland ist. Ich frage mich außerdem warum sich das scheinbar noch niemand gefragt hat. Ich würde mich sehr freuen wenn sie meine Frage beantworten würden. Viele Grüße Lotta

Jochen Ott
Antwort von
SPD

Liebe Lotta,

 

danke für deine Frage, die ich sehr gut nachvollziehen kann.

Das Bundeskabinett hat ein Modell eines „Freiwilligen Wehrdienstes“ beschlossen. Junge Männer und Frauen bekommen ab dem 1. Januar 2026 zu ihrem jeweiligen 18. Geburtstag Fragebögen zugesandt, Männer müssen diese ausfüllen und Frauen dürfen sie ausfüllen, sollen aber nicht zu einem Dienst verpflichtet werden. Warum dies so ist, und wieso auch eine Wiedereinführung einer Wehrpflicht nur für Männer gilt, hat rechtliche und historische Gründe.

In unserem Grundgesetz heißt es in Artikel 12a:

„(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.

(2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden (...)“.

Der Ersatzdienst hieß früher auch Zivildienst. Eine Wehrpflicht oder Pflicht zum Ersatzdienst für Frauen sieht das Grundgesetz derzeit ausschließlich für den Ernstfall, das heißt den Verteidigungsfall, vor und auch dann allein im „zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation“ vor. Aber auch hier dürfen Frauen laut Verfassung „auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden“.

Da Verteidigungspolitik mehr ein Bundespoltisches Thema ist, möchte ich meine Kollegin Siemtje Möller, als Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion und frühere Verteidigungsstaatastsekretärin, zitieren:

„Wenn wir Gleichberechtigung ernst nehmen, müssen wir auch über die Wehrpflicht für Frauen sprechen. (…) Dafür wäre allerdings eine Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig, die derzeit nicht absehbar ist.“

Den ganzen Artikel im RND zu diesem Thema mit dem Zitat von Siemtje Möller kannst du hier nachlesen. Sie sagt weiter, dass sie davon ausgehe, dass eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht nicht nötig ist, da der „neue, attraktiv gestaltete Wehrdienst auch ohne Pflicht ein Erfolg wird.“

 

Zusammengefasst heißt das:

Die Wehrpflicht in Deutschland wurde 2011 ausgesetzt, man setzt aktuell auf Freiwilligkeit.

Die Wehrpflicht ist aber weiter im Grundgesetz verankert und kann auch mit einfacher Mehrheit (= mit mehr Ja- als Nein-Stimmen bei einer Abstimmung) im Bundestag wieder eingeführt werden. Sie tritt nach geltendem Recht auch dann in Kraft, wenn der Bundestag den Verteidigungsfall feststellt.

Für einen Wehrdienst, der auch für Frauen gilt, müsste das Grundgesetz geändert werden. Um das Grundgesetz besonders zu schützen, braucht es für eine Änderungen im Grundgesetz eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Im Moment wäre ein solche Änderung wenig realistisch. Es fehlt hierzu die Unterstützung in den Reihen der Bundestagsabgeordneten. 

 

Übrigens: dein Gedanke, dass es eine Dienstpflicht nur für Männer der Gleichberechtigung widerspricht, ist absolut verständlich. Es gibt immer wieder Diskussionen dazu und 2006 klagte ein männlicher Wehrpflichtiger vor Gericht, da er sich ungleich behandelt fühlte. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Klage abgewiesen – unter anderem mit der Argumentation, dass es für Frauen immer noch „größere Belastungen“ im familiären Bereich gebe und sie auch deswegen von einer Dienstverpflichtung auszunehmen sind. Ich habe dir den kompletten und sehr langen Beschluss des Gerichts hier verlinkt.

 

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen. Bei weiteren Fragen melde dich gerne bei meinem Büro jochen.ott(at)landtag.nrw.de.

Mit vielen Grüßen aus dem Landtag

Jochen Ott

 

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