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Jan-Marco Luczak
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Frage von Ronald D. •

Haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, warum Frauen stets mehr leisten müssen als Männer?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Jan-Marco Luczak,
bitte haben Sie den Mut und stellen sich der Kampagne gegen Frau Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf entgegen. Wer Brosius-Gersdorf angreift, stellt sich nicht nur gegen eine erfahrene Juristin, sondern auch gegen den Grundsatz der unabhängigen Justiz. Vor allem Demokratinnen und Demokraten sollten sich hinter sie stellen – denn mit Brosius-Gersdorf wird das Bundesverfassungsgericht gestärkt, wenn es darum geht, unsere Demokratie gegen rechtsextreme Bedrohungen zu verteidigen!

Folgen Sie im Zweifelfall nicht Ihrer Fraktion sondern Ihrem Gewissen und unterstützen Sie Frau Frauke Brosius-Gersdorf mit Ihrer Stimme. Sie gehört ins Bundesverfassungsgericht.
Mit freundlichen Grüßen
Ronald D.
P.S. Brosius-Gersdorf steht für Grundrechte und Verfassungsintegrität.

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Sehr geehrter Herr D.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre offenen Worte. In der Plenarsitzung des Deutschen Bundestags am 11. Juli 2025 wurden die Richterwahlen zum Bundesverfassungsgericht kurzfristig abgesetzt. Dafür gab es gute Gründe - es war am Ende offensichtlich, dass die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin Frau Prof. Brosius-Gersdorf nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag erreicht hätte.

Mich besorgt, dass die derzeitige Diskussion um die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts häufig auf parteitaktische Erwägungen reduziert wird. Das verkennt die viel grundsätzlicheren Fragestellungen, die große Teile der Unionsfraktion bewogen haben, die Wahl von Frau Prof. Brosius-Gersdorf abzulehnen. Es geht keineswegs nur um Differenzen in der Tagespolitik, sondern um Grundfragen des Menschenbildes und unserer Verfassung, wenn Menschsein und Menschenwürde nicht mehr unauflöslich zusammen gedacht werden.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar". Mit diesem vermeintlich schlichten Satz beginnt das Grundgesetz. Dieser Satz ist jedoch die Antwort der Mütter und Väter des Grundgesetzes auf die totalitären Verbrechen des Holocaust, auf Euthanasie und die Rassenideologie der Nationalsozialisten. Dieser Satz hat weitreichende Bedeutung, er ist für unsere gesamte Rechtsordnung zentral. Der historische Verfassungsgeber hat ganz bewusst das Konzept der Unantastbarkeit menschlicher Würde als höchstem Wert unserer Verfassung an deren Anfang gesetzt. Das Grundgesetz schließt damit menschenverachtende Kategorisierungen „unwerten Lebens“ aus, wie es die Nationalsozialisten taten. So sieht es das Bundesverfassungsgericht, das in ständiger Rechtsprechung formuliert: „Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu". Das gilt auch ausdrücklich auch für das ungeborene Leben.

Frau Prof. Frauke Brosius-Gersdorf vertritt hier eine andere Auffassung. Sie will menschlichem Leben nicht in jedem Fall uneingeschränkte Menschenwürde zuerkennen: „Die Annahme, dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert, ist ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss", schreibt sie. Und: Es spreche „viel dafür, dass die Menschenwürde erst ab Geburt gilt".

Ihre Position zum Schutz des ungeborenen Lebens, dem sie die verfassungsrechtliche Garantie menschlicher Würde abspricht, hat viele Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion verstört. Mich auch, denn es geht hier um fundamentale Wertentscheidungen unserer Verfassung, die nicht aufgeweicht werden dürfen. Die Entkopplung menschlichen Lebens von menschlicher Würde halte ich für falsch. Mit der Wahl von Frau Prof. Brosius-Gersdorf an das Bundesverfassungsgericht bestünde die Gefahr, dass der Menschenwürdeschutz ausgehöhlt wird. Das kann weitreichende Folgen, nicht nur bei der Frage des Schwangerschaftsabbruchs haben.

Dass diese Haltung zu Menschenwürde und Lebensschutz zum Teil als "rechts" oder gar „rechtsextrem“ diffamiert wird, finde ich weder sachgerecht noch der Debatte dienlich. Für mich ganz persönlich weise ich das ausdrücklich zurück. In gleicher Weise möchte ich betonen, dass die in der Tat zum Teil rechtspopulistischen und mit falschen Fakten agierenden Kampagnen mich in meiner Entscheidungsfindung nicht beeinflusst haben. Tatsächlich sehe ich es sehr kritisch, dass Frau Brosius-Gersdorf in den sozialen Medien zum Teil herabgewürdigt oder sogar bedroht wurde. Das lehne ich ausdrücklich ab. Auch ihre inhaltlichen Positionen wurde zum Teil falsch dargestellt. Frau Brosius-Gersdorf wehrt sich insofern zu Recht gegen die Unterstellung, einem Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt das Wort zu reden. Ich selbst habe insoweit ihre Position in der einen oder anderen Diskussion richtiggestellt. Denn sie erkennt das Lebensrecht des Ungeborenen grundsätzlich an. Allerdings postuliert sie für mindestens das erste Trimenon, in dem über 95 Prozent der Abbrüche erfolgen, dass ein Abbruch auch ohne besondere Indikation rechtmäßig sein müsse. Beratungspflicht und dreitätige Wartezeit, die bisher den Kern des Schutzkonzepts für das Ungeborene ausmachen, hält sie für verzichtbar. Es ist insofern nicht trivial, dass sie den Schutz ungeborenen Lebens nicht aus der Menschenwürde in Art. 1 GG herleitet, sondern aus dem Recht auf Leben.

Zuzugeben ist allerdings, und insofern nehme ich Ihre Kritik an, dass alle diese Fragen weit früher innerhalb der Koalition hätten geklärt werden müssen. Unberechtigte und unsachliche öffentliche Angriffe auf Frau Brosius-Gersdorf hätten so ebenso vermieden werden können wie der darüber entbrannte Streit in der Koalition.

In der Vergangenheit ist es bereits wiederholt vorgekommen, dass ein Personalvorschlag für das Verfassungsgericht nicht die Zustimmung der anderen Fraktionen gefunden hat. Das ist eine politische Bewertung, die die fachliche Reputation der vorgeschlagenen Person weder hier noch in früheren Fällen in Frage stellt. Die erfolgte Ablehnung einer einzelnen Kandidatin löst auch nicht - anders als es von manchmal suggeriert wird - eine Regierungs- oder Verfassungskrise aus.

Im Gegenteil – es ist eine große Stärke unserer Verfassung, dass sich die demokratischen Parteien der Mitte bei der Wahl der Richterinnen und Richter unseres höchsten Gerichtes verständigen und einen tragfähigen Konsens finden müssen. Denn die notwendige Zweidrittel-Mehrheit soll gerade garantieren, dass keine Partei oder Lager, einen Vorschlag im Alleingang durchsetzen und so die Rechtsprechung in eine bestimmte Richtung beeinflussen kann. Das beugt einer Polarisierung und Politisierung vor, wie wir sie in anderen Ländern leider beobachten müssen.

Die Zweidrittel-Mehrheit sichert das Ansehen, die breite gesellschaftliche Unterstützung und die hohe Akzeptanz unseres höchsten deutschen Gerichts. Aus meiner Sicht ist es essentiell, dass wir daran festhalten, auch wenn dies unter den gegebenen Mehrheitsverhältnissen im Bundestag nicht einfach ist. Wir haben mit einer Änderung des Grundgesetzes in der vergangenen Wahlperiode für ein Verfahren gesorgt, das auch in solchen Fällen eine Richterwahl durch den Bundesrat sichert. Derzeit besteht jedoch noch genug Zeit, um eine geordnete Neuwahl der vakanten Richterstellen im Bundesverfassungsgericht im Deutschen Bundestag sicherzustellen. Es liegt jetzt an den demokratischen Parteien der Mitte, das Wahlverfahren konstruktiv und sachlich fortzusetzen. Als Richtschnur muss insoweit für alle gelten, dass die Kandidatinnen und Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf ihr wissenschaftliches Wirken über jeden Zweifel erhaben und mit ihren Positionen breit in Parlament und Gesellschaft getragen werden müssen.

Mir ist wichtig, dass der Weg zu einem gemeinsamen, mehrheitsfähigen Kandidatentableau nicht durch gegenseitige Vorwürfe blockiert wird. Alle Beteiligten müssen in sich gehen. Notwendig ist Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht, Respekt vor den Kandidatinnen und Kandidaten, aber auch Respekt vor der Entscheidung der frei gewählten Abgeordneten. Das wird uns bei den anstehenden Gesprächen innerhalb der Koalition leiten.

Inzwischen hat die SPD mit Frau Dr. Sigrid Emmenegger eine neue Kandidatin vorgeschlagen, die von der Union gestützt wird. Frau Dr. Emmenegger bringt langjährige Erfahrung als Richterin am Bundesverwaltungsgericht sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht mit und hat in unserer Fraktion einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Ihre Wahl wäre ein Beitrag zur Stärkung der parlamentarischen Mitte und zu einer Kultur des Kompromisses, die unsere Demokratie trägt. Gerade in Zeiten wachsender Polarisierung ist es wichtig zu zeigen, dass Verständigung über Fraktionsgrenzen hinweg möglich bleibt – und dass dies selbst nach intensiven politischen Auseinandersetzungen gelingt.

Herzliche Grüße

Jan-Marco Luczak

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