Dr. Inge Gräßle
Inge Gräßle
CDU
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Frage von Anja S. •

Frage an Inge Gräßle von Anja S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Gräßle,

ich weiß, Sie vertreten als EVP-Abgeordnete eine positive Position zu der geplanten Urheberrechtsreform. Lokal hat sich die CDU in Deutschland ja zwischenzeitlich darauf verständigt, dass die Uploadfilter in Deutschland nicht eingesetzt werden sollen.

Als EU-Bürger und -Wähler fordere ich Sie dennoch auf, im EU-Parlament zumindest gegen Art. 11 und 13 der geplante "Reform" des Urheberechts zu stimmen. Diese Artikel können dazu führen, dass das freie Internet erheblich eingeschränkt wird. Selbst kleinste Internetplattformen müssten Urheberrechtsverletzungen ihrer Userinnen und User präventiv unterbinden, was in der Praxis nur mittels fehler- und missbrauchsanfälliger Upload-Filter umsetzbar wäre (Art. 13). Zudem müssten alle Webseiten für kurze Textausschnitte aus Presseerzeugnissen Lizenzen erwerben, um ein neu einzuführendes Verleger-Recht einzuhalten (Artikel 11). Beides zusammen könnte die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit erheblich beeinträchtigen.
Das ist nicht im Sinne einer demokratischen, offenen Gesellschaft.

Wie und mit welchen Maßnahmen können Sie innerhalb der EU konkret sicherstellen, dass dieser Effekt in der restlichen EU nicht eintritt, wenn Sie kommende Woche dennoch für die Änderung stimmen?

Freundliche Grüße
A. S.

Dr. Inge Gräßle
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau S.,

ich danke Ihnen für Ihre E-Mail zur Reform des Urheberrechtes im Internet. Ich habe für die Reform der Urheberrechtsrichtlinie gestimmt, weil ich der Meinung bin, dass wir diese brauchen, damit es eine breite Meinungsvielfalt mit freier Presse und kritischen Medien auch im Internet gibt. Ich bin für ein freies und faires Netz ohne Zensur und deshalb unterstütze ich die Urheberinnen und Urheber im Internet.

Unzählige deutsche und europäische Künstler, Journalisten, Verleger, Verbände, Gewerkschaften, Organisationen und Autoren sprechen sich für die Reform des Urheberrechts im digitalen Binnenmarkt aus. Kreative schreiben Musik und Bücher, machen Filme und Fotos, um damit die Menschen zu erreichen, auch über digitale Plattformen.

Mit Artikel 13 soll erreicht werden, dass Plattformen, deren Geschäftsmodell auf der Verbreitung urheberrechtlich geschützter Materialien basiert, für diese auch bezahlen müssen. Das heißt nur große Internetplattformen mit hohen Einnahmen werden verpflichtet, Medien, Künstlern und Autoren an ihrem Gewinn zu beteiligen. Bisher ist die Rechtslage so, dass im Falle eines Uploads ohne das Einverständnis des Eigentümers oder Urhebers, derjenige haftbar ist, der den Upload vorgenommen hat. Artikel 13 ändert diese Rechtslage. Anstatt jeden einzelnen Nutzer haftbar zu machen, soll nunmehr die Plattform haften. Das bedeutet Rechtssicherheit für nichtkommerzielle Anbieter von Inhalten im Internet sowie klare Anforderungen für die großen kommerziellen Betreiber.

Das Ziel ist, das Plattformen mit Urhebern Lizenzverträge. Wo das nicht möglich ist, sind Pauschalzahlungen eine weitere Möglichkeit. Es muss also nicht für jeden urheberrechtlich geschützten Inhalt jeweils eine separate Lizenz erworben werden. Die gängige Praxis ist, dass die Plattformen mit Verwertungsgesellschaften Verträge schließen, die eine Vielzahl von Rechteinhabern vertreten. Plattformen müssen nicht sämtliche Inhalte von unendlich vielen Lizenzpartnern lizenzieren und damit zwingend einen Uploadfilter nutzen. Die Haftung der Plattformen greift nur bei Werken, deren Nutzung Rechteinhaber ausdrücklich untersagt haben und, die gleichzeitig in einer Datenbank den Plattformenbetreibern über Verwertungsgesellschaften zu Verfügung gestellt wurden. Das bedeutet: Wenn eine Plattform ihr bestmöglichstes getan hat, um eine Lizenz vom Urheber zu erhalten, dieser sich jedoch nicht dazu äußert, darf die Plattform die Inhalte weiterverwenden.

Wikipedia, Open-Source-Plattformen, nicht-kommerzielle Plattformen, Dropbox, Ebay, Diskussionsforen oder Datingportale fallen nicht unter den Artikel 13. Auch Plattformen, die wenige Werke veröffentlichen und Start-Ups, die kulturelle Werke kommerziell verwerten, sind von Artikel 13 ausgenommen. Wer bis zu 10 Millionen Euro globalen Jahresumsatz, bis zu 5 Millionen Euro monatliche Onlinebesucher aufweist und als Unternehmen nicht älter als drei Jahre ist, soll deutlich geringere Pflichten erfüllen müssen. Auch Blogs und Foren werden in den meisten Fällen nicht unter Artikel 13 fallen, da ihr Hauptzweck nicht darin besteht, große Mengen von Nutzern hochgeladener urheberrechtlich geschützter Werke zu speichern, öffentlich zugänglich zu machen und damit Geld zu verdienen.

Bezüglich Artikel 11: Privatpersonen sind von Artikel 11 gar nicht betroffen. Sie können jederzeit für die privatrechtliche Nutzung Zeitungsartikel teilen. Artikel 11 betrifft die Presseverleger und führt für diese das Recht ein, Geld von den Plattformen zu verlangen, wenn sie ihre Presseerzeugnisse nutzen. Will also auch eine Suchmaschine Presseartikel veröffentlichen, so können die Presseverleger hierfür eine Bezahlung verlangen. Hyperlinks können die Suchmaschinen weiterhin kostenlos verwenden, dafür können Verleger kein Geld verlangen. Auch können einzelne Worte oder kurze Textausschnitte angezeigt werden.

Aus all diesen Gründen bin ich nicht der Meinung, dass die Meinungs-, Kunst- oder Pressefreiheit beeinträchtigt wird.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Inge Gräßle

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