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Henning Otte
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Frage von Christoph K. •

Frage an Henning Otte von Christoph K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Otte!

Mit großem Interesse verfolge ich die Diskussion über den Umgang mit modernen Medien - vorrangig Internet und Gewalt darstellende Computerspiele - und bin durch die Aussagen einiger Politiker auch Ihrer Partei zunehmend verwirrt.
Zweifellos müssen alle sinnvollen Mittel ergriffen werden um unsere Kinder vor Missbrauch (Kinderpornografie) und nicht altersentsprechender Gewaltdarstellung (teilweise Computerspiele) zu schützen. Doch erwecken Gesetzesvorschläge bezüglich der Einschränkung des Internetzuganges - Ministerin Zypries hat explizit die Ausweitung auch auf nicht kinderpornografische Seiten erwägt - und des Verbotes so genannter "Killerspiele" besonders in einem Wahljahr den Eindruck, dass mit populistischen Mitteln auf Stimmenfang gegangen wird.
Meiner Ansicht - und der zahlreicher Experten - nach, bietet die Sperrung einiger Internetseiten keinen wirksamen Schutz vor der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte. Vielmehr werden Internetbenutzern durch die Art der Sperrung auch Seiten vorenthalten, die keinen gesetzeswidrigen Inhalt besitzen. Dies betrachte ich als eine deutliche Einschränkung des Artikel 5 GG.

Ähnlich verhält es sich mit dem seit langem angestrebten Verbot von "Killerspielen".
Herstellung und Verbreitung von Medien mit gewaltverherrlichendem Inhalt sind durch §131 StGB bereits reguliert. Warum soll also ein weiteres Verbot erlassen werden, dass mündige Bürger eines Teiles ihrer Freizeitgestaltung beraubt? Zumal der Zusammenhang zwischen dem Konsum gewaltdarstellender Medien und tatsächlicher Gewaltbereitschaft bislang wissenschaftlich nicht abschließend erforscht ist.

Vielfach wird den entscheidenden Politikern Ahnungslosigkeit im Umgang mit diesen modernen Medien vorgeworfen.

Da die von mir angeführten Punkte entscheidend für meine Wahlentscheidung sein werden und Sie der Abgeordnete Ihrer Partei für meinen Wahlkreis sind, interessiert mich Ihre Meinung zu dieser Thematik.

Hochachtungsvoll
Christoph Kösling

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Kösling,

vielen Dank für Ihren kritischen Beitrag zum Thema „Killerspiele“ und der Bekämpfung von Kinderpornographie. Erlauben Sie mir zunächst den Hinweis, dass niemand Computerspiele an sich für das Problem hält. Auch „Ego-Shooter-Spiele“ – d.h. Spiele, in denen der Spieler durch die Augen des Kämpfers schaut – müssen nicht zwangsläufig schlecht sein. Niemand will die Freizeitbeschäftigung von hunderttausenden Bürgern pauschal kriminalisieren. Aber es muss aus meiner Sicht eine Grenze gezogen werden. Dieser Auffassung bin ich zudem nicht erst seit dem Amoklauf in Winnenden, sondern habe mich bereits mehrfach zu diesem Thema – auch öffentlich – geäußert (vgl. Internetportal abgeordnetenwatch, Antwort vom 11.04.2008).

Des Weiteren befürworte ich die Forderung nach einer deutlich erkennbareren Alterskennzeichnung auf Videospielen, sowie die Einführung einer Altersbegrenzung.
Zwar sind einzelne Auswirkungen von Computerspielen, die zu enthemmten Gewalthandlungen ohne ethische Bindung anleiten, in der Wissenschaft noch umstritten. Zahlreiche Erkenntnisse legen aber eine nachteilige Wirkung gerade auf Jugendliche nahe. Nach dem heutigen Forschungsstand bestehen insbesondere keine begründeten Zweifel daran, dass der Kontakt mit derartigen Medien die Gefahr einer Nachahmung und einer Abstumpfung in sich birgt.
Die schrecklichen Vorfälle in Bad Reichenhall 1999, in Erfurt 2002, in Emsdetten 2006 und jetzt in Winnenden 2009 zeigen, dass Maßnahmen notwendig sind, um insbesondere Kinder und Jugendliche vor virtuellen Gewaltexzessen zu schützen.
In den vergangenen Jahren wurden zwar im Bereich des Jugendmedienschutzes Verbesserungen erzielt, um den wachsenden Gefährdungen auf dem Mediensektor zu begegnen. Doch die bestehenden Verbotsregelungen werden den Erfordernissen eines ausreichenden Schutzes vor menschenverachtenden Gewaltspielen nicht hinreichend gerecht. Das Verfahren der Indizierung und Altersfreigabe ist nicht in gleicher Weise wie ein strafbewehrtes Verbot geeignet, die entsprechenden Spiele vom Markt zu drängen. Eine effektive Bekämpfung darf deshalb nicht nur an der Einschränkung der Verbreitungswege von virtuellen Gewaltspielen ansetzen, sondern muss bereits ein Herstellungsverbot umfassen. Zwar enthält §131 StGB in seiner bisherigen Fassung bereits ein Verbot der Schilderung von grausamen und sonst unmenschlichen Gewalttätigkeiten gegen Menschen und menschenähnliche Wesen. Jedoch umschreibt dieser Tatbestand die spezifische Problematik menschenverachtender Spiele nicht spezifisch.

Diese besteht in der Ermöglichung von Spielhandlungen, die auf die Begehung von grausamen oder sonst unmenschlichen Gewalttätigkeiten gerichtet sind. Gerade aber durch das dabei geforderte persönliche Engagement steigt der Spieler als dominant Handelnder intensiver in das fiktive Geschehen ein, als dies etwa bei passiv beobachtenden Zuschauern oder Lesern der Fall ist. Die Gefahr einer Nachahmung, die die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung senkt, ist hier besonders groß. Derartige Gewaltspiele sind daher geeignet, beim Spieler eine Einstellung zu erzeugen oder zu verstärken, die mit dem Achtungsgebot der Menschenwürde im Widerspruch steht und daher mit unserer Wertordnung nicht vereinbar ist.
Auch im Spiel müsste es darum gehen, besänftigende Mittel zu bevorzugen und Gewalt nur als letztes Mittel und auf kontrollierte Art anzuwenden. Warum entwickelt die Industrie nicht Spiele, die dazu anleiten, das Töten und unnötiges Leid zu vermeiden? Wäre es weniger unterhaltsam, im Spiel klar zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten, also zwischen gefährlichen Feinden und Unbewaffneten bzw. schutzlosen Zivilpersonen, zu unterscheiden? Die Ausflucht, dass es im Computer nur um unbeseelte Pixel ginge, ist nicht akzeptabel. Auch die virtuelle Realität besteht aus Werturteilen, die das Bewusstsein prägen. Wenn dies die Werte des Söldnertums und der Mordlust sind, ist Gefahr im Verzug. Ein stärkeres Problembewusstsein und die gesellschaftliche Ächtung der Killerspiele ist nötig. Auch dazu können neue rechtliche Regelungen beitragen.

Zu diesen rechtlichen Änderungen wird aber nicht die Sperrung von Internetseiten gehören. Daher bleibt festzuhalten, dass eine Ausweitung der Internetsperren über kinderpornographische Inhalte hinaus zur Zeit nicht geplant ist. Einzelne Personen aus den Regierungsfraktionen halten eine Ausweitung der Sperre zwar für eine diskutable Möglichkeit. Der Innenexperte der CDU- Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach stellte aber klar, dass man „sich erstmal nur mit dem Thema Kinderpornografie[…] befassen solle, damit die öffentliche Debatte nicht in Schieflage gerate.

Bei dem zweiten von Ihnen angesprochenen Thema, der Bekämpfung der Kinderpornografie, wird durch das beschlossene Gesetz eine Stärkung des Kinderschutzes eintreten. Kinderpornographie ist ein abscheuliches Verbrechen. Kinder werden missbraucht und anschließend wird der Missbrauch auch noch vermarktet und damit Geld verdient. Diesem muß mit aller Entschlossenheit Einhalt geboten werden.

Dabei muss besonders herausgestellt werden, dass es sich bei der Sperrliste nicht um eine Zensur des Internets handelt, bei der der Staat Internetseiten sperren lässt, um seine Bürger willkürlich an der Nutzung des Internets zu hindern. Wäre eine solche willkürrliche Zusammenstellung der Sperrliste gegeben, würde ich Ihre kritische Haltung uneingeschränkt teilen und hätte den Gesetzesentwurf nicht unterstützt. Wir bekämpfen das Übel an der Wurzel und werden nur dann sperren, wenn wir gegen die Inhalte nicht oder nicht zeitnah vorgehen können. Wie ich schon verdeutlicht habe, umfasst diese Sperrliste nur kinderpornografische Inhalte, andere Seiten sind in der Gesetzesnovelle explizit nicht vorgesehen.

Dazu wird eine gesetzliche Verpflichtung der Internetzugangsanbieter zur Sperrung gelisteter kinderpornographischer Webseiten (sowie die Umleitung auf einen sog. Stopp-Server) etabliert.

Da diese Sperrliste aber transparent ist und ein Missbrauch verhindert werden kann, bin ich fest davon überzeugt, dass dieses Gesetzesvorhaben die Grundrechte der Bürger nicht tangieren wird. Auch wenn dieses Gesetz keine Patentlösung zur Bekämpfung gegen Kinderpornografie darstellt, ist es doch ein wichtiger Baustein in unserer Gesamtstrategie, um dieses abscheuliche Verbrechen zu verhindern, bzw. zu erschweren.

Um die oben angesprochene Transparenz zu gewährleisten und einen Missbrauch dieses Instruments und somit einen Eingriff in die Rechte der Bürger zu verhindern, wird ein Expertengremium eingerichtet. Dieses besteht aus fünf Experten, die vom Datenschutzbeauftragten bestimmt werden. Sie werden mit dem Recht ausgestattet, jederzeit in die Sperrliste des Bundeskriminalamts einzusehen und diese zu überprüfen. Dadurch wird gewährleistet, dass eine Aufnahme von Internetseiten, die kein kinderpornographisches Material bereitstellen, verhindert wird.

Darüber hinaus ziehen zufällige Besuche der sogenannten „Stopp- Seiten“, z.B. über Links von Spam- Mails, keine Strafverfolgung nach sich. Alle Daten, die auf diesen Seiten gespeichert werden, dürfen nicht zu Verfolgung von Straftaten genutzt werden.

Zudem muss noch richtigerweise erwähnt werden, dass es sich hierbei um ein befristetes Gesetz handelt. Die Dauer der Befristung beträgt 3 Jahre. Um das Gesetz noch zu verbessern und mögliche Änderungen vorzunehmen, wird nach 2 Jahren eine Evaluierung der Bundesregierung stattfinden. Ein weiteres Jahr später werden auf der Basis der gewonnen Erkenntnisse mögliche Verbesserungen in das Gesetz eingearbeitet.

Somit kann man das Gesetz als sehr ausgewogen bezeichnen, da es einerseits eine effektive Bekämpfung der Kinderpornograpfie gewährt, andererseits die Grundrechte der Bürger schützt.

Mit freundlichen Grüßen
Henning Otte

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