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Helge Lindh
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Frage von Jens K. •

Warum wird offensichtlich in der Bundesregierung nicht über eine neue paneuropäische Sicherheitsarchitektur diskutiert anstatt Trump zu hofieren und die eigene Verantwortung an die USA zu delegieren?

Sehr geehrter Herr Lindh, in Ihrer letzten Antwort haben Sie darauf verwiesen, dass die SPD Gespräche mit der Russischen Föderation ohne Beteiligung der Ukraine ablehnt. Mit dieser Perspektive verengen Sie den Blick auf den Ukraine-Krieg und lenken von meiner eigentlichen Frage ab. Der Ukraine-Krieg erscheint derzeit durch Gespräche mit Präsident Putin nicht beendet werden zu können. Dennoch muss die EU ihre eigenen Sicherheitsinteressen wahrnehmen. Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied. Da auf die Beistandsverpflichtung kein Verlass mehr ist und die NATO ohne die US-Army militärisch nicht über die zur Verteidigung erforderlichen Fähigkeiten verfügt, muss politisch um eine paneuropäische Sicherheitsarchitektur gerungen werden, die nach Möglichkeit einen Waffengang verhindert, der stets für alle Seiten verheerend wäre. Hierfür müsste die Bundesregierung zunächst die eigenen Interessen formulieren und substantielle Ideen für die Zukunft ausarbeiten. Warum passiert das nicht?! Viele Grüße

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihr erneutes Schreiben und Ihr Nachhaken in dieser Thematik. Gerne möchte ich im Folgenden noch konkreter auf die Interessen und die Rolle Deutschlands in der Zukunft der europäischen Sicherheitsarchitektur eingehen.

Ich möchte hierzu noch einmal betonen: Eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur ist – angesichts der Unsicherheiten unserer transatlantischen Partner – von höchster Bedeutung für unsere Außen- und Sicherheitspolitik. Dies ist nicht nur meine persönliche Überzeugung, sondern auch Konsens in meiner Fraktion.

Sie haben recht: Wir brauchen eine klare Strategie und ausgearbeitete Ziele für unsere Außenpolitik. Eine solche Formulierung benötigt Zeit, und ich habe Vertrauen darin, dass das Auswärtige Amt an einer umfassenden Ausarbeitung arbeitet. Gleichzeitig können wir im praktischen Handeln bereits beobachten, dass eine stärker europazentrierte Denkweise längst eingesetzt hat. Spätestens seit Beginn der Trump-Regierung rücken die europäischen Staaten sicherheitspolitisch enger zusammen, und der politische Wille zu einer gemeinschaftlich gedachten Sicherheitspolitik ist klar erkennbar.

Dies zeigt sich etwa an bilateralen und europäischen Treffen von Minister*innen und Staats- und Regierungschef*innen. Mit dem EU-Strategischen Kompass, an dem Deutschland maßgeblich beteiligt war, wurde bereits 2022 ein wichtiger Rahmen für eine handlungsfähigere europäische Verteidigungspolitik geschaffen. Dazu zählen Vorhaben wie die geplante EU-Schnelleingreiftruppe (RDC) oder gemeinsame Rüstungsprojekte im Rahmen der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO). Auch gemeinsame Auftritte – etwa die Begleitung von Präsident Selenskyj bei seinem zweiten Besuch im Weißen Haus – senden wichtige Signale: Sie machen deutlich, dass wir europäische Sicherheit zunehmend geschlossen denken und vertreten.

Sehr geehrter Herr K., ich stimme Ihnen völlig zu: Es geht darum, politisch alles daranzusetzen, einen neuen Waffengang in Europa zu verhindern. Die genannten Beispiele verdeutlichen, dass ein Denken in Richtung einer europäischen Sicherheitsarchitektur längst begonnen hat. Auch die jüngsten Vorstöße von Verteidigungsminister Pistorius setzen hierbei wichtige Impulse und Weichenstellungen.


Zugleich ist mir bewusst, dass wir noch nicht am Ziel sind. Ich teile Ihre Einschätzung, dass Europa in Fragen der Sicherheitspolitik zu lange auf die transatlantische Partnerschaft vertraut hat. Umso wichtiger ist es nun, diesen Prozess entschlossen weiterzuführen. Meine Koalition und ich setzen uns deshalb dafür ein, eine starke, eigenständige europäische Sicherheitsarchitektur zu entwickeln, die auf Zusammenarbeit, klar definierten Interessen und Solidarität gründet.

Herzlichst
Helge Lindh, MdB

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