Wie stehen Sie zur Chatkontrolle?
Ich würde von Ihnen gerne wissen, was Sie tun werden um die Chatkontrolle, die am 14.10. zur Abstimmung steht, zu verhindern. In meinen Augen wird damit dem totalen Überwachungsstaat Tür und Tor geöffnet. Dies kann nur von Menschen gewollt werden, die sich aktiv dafür einsetzen, die Demokratie abzuschaffen.
Wie stehen Sie selbst zu dieser forcierten Grundrechtseinschränkung, die mit der Hilfe fadenscheiniger Argumente auf den Weg gebracht werden soll?
Sehr geehrter Herr T.,
vielen Dank für Ihre Frage zur sogenannten Chatkontrolle. Ich verstehe Ihre Sorgen sehr gut und teile die Kritik am derzeitigen Vorschlag der EU-Kommission.
Aus meiner Sicht und auch aus Sicht meiner Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN handelt es sich bei der Chatkontrolle in ihrer geplanten Form um einen massiven Eingriff in Grundrechte. Sie bedroht die Vertraulichkeit privater Kommunikation, gefährdet die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und stellt Millionen Bürgerinnen und Bürger unter einen Generalverdacht. Damit wird das Prinzip der anlasslosen Massenüberwachung wieder eingeführt - etwas, das wir Grüne seit Jahren klar ablehnen.
Selbstverständlich ist der Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt eine zentrale und dringliche Aufgabe. Die EU-Kommission nutzt dieses berechtigte Anliegen jedoch, um ein Instrument zu etablieren, das weit über das Ziel hinausschießt. Der Gesetzentwurf würde es privaten Anbietern erlauben oder sogar verpflichten, alle Chats, Nachrichten und Bilder automatisiert zu scannen – auch solche, die Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind. Das ist technisch unsicher, rechtlich fragwürdig und politisch gefährlich.
Hinzukommt, dass die geplanten KI-Systeme zur automatischen Erkennung verdächtiger Inhalte nach aktuellem Kenntnisstand sehr hohe Fehlerraten aufweisen. Dies würde zu einer Vielzahl von Falschmeldungen führen, die Ermittlungsbehörden erheblich belasten und gleichzeitig das Risiko erhöhen, dass tatsächliche Fälle in der Datenmenge übersehen werden.
Erforderlich sind stattdessen gezielte und anlassbezogene Ermittlungen, eine bessere internationale Zusammenarbeit, eine wirksamere Strafverfolgung im Netz sowie verstärkte Präventionsmaßnahmen.
Die grüne Fraktion im Europäischen Parlament (Grüne/EFA) setzt sich daher klar gegen die Chatkontrolle in ihrer jetzigen Form ein. Wir unterstützen stattdessen:
- gezielte, anlassbezogene Ermittlungen, wenn ein konkreter Verdacht besteht,
- eine Stärkung der Strafverfolgungsbehörden und bessere internationale Zusammenarbeit,
- Prävention, Aufklärung und Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche,
- sowie den Schutz sicherer Verschlüsselung als Grundvoraussetzung für digitale Freiheit.
Ich selbst habe als Abgeordnete im Landtag NRW zwar keine direkte Stimme im EU-Rat, aber ich sehe es als meine politische Verantwortung, diese Position öffentlich zu vertreten, innerhalb meiner Partei zu stärken und Druck auf die Bundesregierung auszuüben, sich auf EU-Ebene gegen diesen gefährlichen Vorstoß zu stellen.
Kinder müssen geschützt werden, aber nicht durch eine anlasslose Überwachung aller. Wir können und müssen Sicherheit und Freiheit gemeinsam gewährleisten.
Mit freundlichen Grüßen
Gönül Eğlence, MdL
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Landtag Nordrhein-Westfalen