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Felix Martin
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Frage von Felix B. •

Werden sie gegen das neue Versammlungsfreiheitsgesetz stimmen? wenn nein warum?

Guten tag Herr Martin,

Wie sie wissen soll am Samstag denn 11.03.2023 über das neue Versammlungsfreiheitsgesetz Gesetz im hessische Landtag abgestimmt werden.

Werden sie gegen das Gesetz abstimmen oder wie haben sie abgestimmt?

Warum haben sie sich nicht für mehr Überwachung von Polizisten bei Protesten eingesetzt?

Fals das gesetzte als verfassungsfeindlich Bewertet würde , wie teile des Bayrischen Versammlungsfreiheitsgesetz vom Bundesverfassungsgericht würde. (1)(2)

Welche folgen würden sie für sich ziehen?
Würden sie zurücktreten?
Warum trägt die Grüne so ein Gesetz mit?

Danke für eine genaue und ehrliche Antwort

(1)https://netzpolitik.org/2023/demonstrationsrecht-der-protest-gegen-das-neue-hessische-versammlungsgesetz-wird-lauter/

(2) https://www.bundestag.de/resource/blob/895970/5d1d51f0d78ea735544f8f4a9058011e/Bayrisches-Verfassungsschutzgesetz-data.pdf

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Antwort von
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Lieber Herr B.,
vielen Dank für Ihre Fragen.

Am 11. März hat keine Plenarsitzung des hessischen Landtags stattgefunden. Über den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neuregelung des Versammlungsrechts hat bislang keine Abstimmung stattgefunden. Der Landtag hat am 15. November 2022 eine erste Lesung zum Gesetz durchgeführt. Der Innenausschuss hat eine Anhörung mit Expert*innen zum Thema durchgeführt und der Gesetzentwurf wird in mindestens einer weiteren Lesung diskutiert.

Mit dem Versammlungsfreiheitsgesetz soll die friedliche Demonstrationskultur in Hessen weiter gestärkt werden. Bis zu einer eigenen Landesregelung gilt das ziemlich in die Jahre gekommene Versammlungsgesetz des Bundes. Dieses Gesetz ist so alt, die Geldstrafen sind darin noch in D-Mark geregelt. Es bildet die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der letzten Jahre nicht ab und ist insgesamt eher als grundrechtseinschränkend zu bewerten. Deswegen ist ein eigenes Landesgesetz sinnvoll.

Wir wollen ein modernes, versammlungsfreundliches Gesetz schaffen. Deshalb haben wir uns an dem sehr gelungenen Gesetz aus Schleswig-Holstein orientiert. Das neue Gesetz ist erheblich besser strukturiert als das des Bundes und damit besser verständlich und anwendbar. Nach der Anhörung mit Expert*innen haben wir außerdem einen Änderungsantrag mit weiteren Verbesserungen eingebracht.

Lassen Sie mich einige Aspekte des neuen Gesetzes skizzieren: Bislang gelten Verstöße gegen das Uniform- und das Vermummungsverbot als Straftaten. Mit dem neuen Gesetz stufen wir diese zur Ordnungswidrigkeit herunter.

Für erhobene Daten im Rahmen einer Kundgebung, wie etwa persönliche Daten der Versammlungsleitung oder Videoaufnahmen, wird ein strenger Datenschutz eingeführt. Personenbezogene Daten sind grundsätzlich unmittelbar nach der Kundgebung zu löschen.

Versammlungstypische Verbote wie das Uniformverbot oder Vermummungsverbot müssen künftig von den Behörden durch eine Anordnung konkretisiert werden. Das stärkt den Grundrechtsschutz der Versammlungsteilnehmenden doppelt: Durch Klarheit darüber, welche Gegenstände ggf. verboten sind und effektiven Rechtsschutz, da eine Anordnung im Vorfeld rechtlich überprüft werden kann.

Bislang konnte die Polizei ohne besondere Hürde Kontrollstellen einrichten und sowohl Kontrollen als auch Identitätsfeststellungen durchführen. Das wird im neuen Gesetz erheblich strenger geregelt. Kontrollen können nur dann durchgeführt werden, wenn Anhaltspunkte dafür, dass Waffen oder verbotene Gegenstände mitgeführt werden vorliegen. Diese Kontrollen müssen anonym stattfinden. Nur wenn sich bei der Kontrolle ein Verstoß ergibt, darf in der Folge die Identität festgestellt werden. Diese Neuregelung stärkt die Grundrechte von Versammlungsteilnehmenden.

Auch oft im Gespräch ist die Behauptung in Zukunft gäbe es verdeckt ermittelnde Beamte in Demonstrationszügen. Wir haben exakt die gleichen Regelungen zur Anwesenheit der Polizei wie auch Schleswig-Holstein und Berlin. Danach gibt es keine verdeckt ermittelnden Beamten in der Kundgebung, Polizeikräfte in zivil liegen jedoch im Bereich des Möglichen. Wie auch zuvor nach dem Gesetz des Bundes. Hier gibt es also keine Änderung der Rechtslage.

Manche glauben auch, das präventive dauerhafte Abfilmen vom Versammlungsgeschehen würde ermöglicht. Tatsächlich setzt das Filmen und Aufzeichnen tatsächliche Anhaltspunkte voraus, die die Annahme rechtfertigen, dass von der Person eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. In der Natur der Sache liegt, dass beim Filmen einer Person andere Personen mitbetroffen sein können. Es ist ausdrücklich geregelt, dass die Identifizierung von lediglich mitbetroffenen Personen technisch unumkehrbar auszuschließen ist. Das ist eine grundrechtsstärkende Neuerung gegenüber dem noch geltenden Bundesgesetz.

Und abschließend zu einer möglichen Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht: Wir haben proaktiv versucht, bisherige Rechtsprechungen bereits in unserem neuen Gesetz zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts spiegelt sich im Gesetz wider: Klare Regelungen zum Kooperationsgebot der Behörden („Brokdorf-Beschluss“) oder Demonstrieren auf Flächen in Privateigentum („Fraport-Entscheidung“) finden sich direkt im Gesetz. Sollte ein Gericht einzelne Reglungen ankreiden, dann werden wir diese selbstverständlich überarbeiten.

Beste Grüße
Felix Martin

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