Sind Sie bereit, die Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zu wählen und sich dem Spaltungsplan der AFD entgegenzustellen?
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,
ich bin sehr besorgt darüber, dass bei der Wahl der Verfassungsrichter(innen) keine Meinungsvielfalt mehr möglich sein soll. Es kommt beim obersten Verfassungsgericht doch darauf an, ausgewogen und mit höchster fachlicher Expertise Urteile oder Beschlüsse zu fällen. Die Gesellschaft ist (noch) bunt und sie sollte dabei auch so repräsentiert werden. Ich bitte Sie um Antwort und darum, der offen geäußerten Absicht der AfD, die Koalition und auch die CDU als solche zu zerstören, zu widerstehen. Danke im Voraus!

Sehr geehrte Frau L.,
Danke für Ihre Frage zur aktuellen Wahl von Verfassungsrichtern.
Es waren grundsätzliche Fragestellungen, die große Teile der Unionsfraktion bewogen haben, einem Wahlvorschlag für den 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts nicht zu folgen. Es geht dabei um Grundfragen des Menschenbildes und unserer Verfassung, wenn Menschsein und Menschenwürde nicht mehr unauflöslich zusammen gedacht werden, wie eine Kandidatin es ausdrücklich vertritt. Diese Frage geht in ihrer Bedeutung weit über die oft diskutierten Zusammenhang mit der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs hinaus und lässt sich nicht in ein Schema von links oder rechts einordnen. Unabhängig davon gehört das christliche Menschenbild, das auch humanistisch begründet werden kann, zur DNA der Union. Ebenso gehört der Schutz des menschlichen Lebens, gerade auch in den vulnerablen Situationen am Anfang und am Ende des Lebens, durchgängig und unverändert zu unserer Programmatik. Das gilt unabhängig von taktischen Überlegungen der AfD in Bezug auf die Union; denen können wir am besten entgegentreten, indem wir glaubwürdig zu unseren eigenen Grundwerten stehen.
Die Richter am Bundesverfassungsgericht müssen allein das Grundgesetz zum Maßstab ihrer Entscheidungen machen. Politik und strittige Auseinandersetzungen in ihrer ganzen Bandbreite sind vor allem in den parlamentarischen Debatten angesiedelt. Hier wird um die Mehrheiten gerungen und politisch entschieden. Das Bundesverfassungsgericht hat dann die Aufgabe zu klären, ob sich diese Entscheidungen im Rahmen der Verfassung bewegen und dabei - wie der Justizminister der Ampel Marco Buschmann gerade in einem ausführlichen Artikel in der FAZ dargelegt hat - die Aufgabe, integrierend zu wirken, nicht spaltend. Es sollte auch ein Kriterium für die Richterwahl sein, ob die vorgeschlagene Person für diese Integrationsfunktion des Gerichts steht. Die für die Wahl notwendige 2/3-Mehrheit sichert im Verfahren, dass nicht Persönlichkeiten mit Extrempositionen sich durchsetzen, sondern solche, die das Vertrauen und die Akzeptanz der Breite des Parlaments haben. Es ist die Stärke dieses konsensorientierten Verfahrens, dass sich die demokratischen Parteien der Mitte verständigen müssen. Das beugt einer Polarisierung und Politisierung vor, wie wir sie in anderen Ländern beobachten können. Daran sollten wir festhalten, auch wenn dies unter den gegebenen Mehrheitsverhältnissen im Parlament nicht einfach ist.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker