Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Bundesregierung die geplante EU-Legislatur zur Einführung einer Chatkontrolle im EU-Rat ablehnt?
Sehr geehrter Herr Wiese,
als Informatik-Student schaue ich aktuell mit großem Bedenken auf Nachrichten, dass einige Länder in der EU sich bestreben, eine allgemeine Kontrolle von verschlüsselter Kommunikation durchzusetzen, wenn nötig anscheinend sogar mit Falschaussagen.
In den letzten Wochen ist bekannt geworden, dass sich die Position der Bundesregierung von einem bisherigen Nein abgewendet hat, und inzwischen unentschieden ist.
Im Fachbereich der Informatik gibt es klaren Konsens, dass solche Überwachungsbestrebungen technisch nicht rechtskonform möglich sind und das Fundament der Demokratie irreparabel beschädigen würden. Demokratie braucht eine Öffentlichkeit im freien Austausch und Grundrechte.
Es ist meine Hoffnung, dass die Bundesregierung wieder Nein stimmen wird, wenn der Bundestag diese an ihre Pflicht erinnert, das Grundgesetz und die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu wahren.
Weitere Infos: https://chat-kontrolle.eu
Mit freundlichen Grüßen
Jonas H.

Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihr Schreiben, mit dem Sie sich gegen das Vorhaben der sogenannten Chatkontrolle aussprechen und den Bundestag auffordern, dieses Vorhaben nicht zu unterstützen.
Seit drei Jahren wird auf europäischer Ebene über das Vorhaben der EU-Kommission zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder im digitalen Raum verhandelt. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, Anbieter digitaler Dienste zu verpflichten, Kommunikationsinhalte – auch in verschlüsselter Kommunikation – auf Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern zu überprüfen, bei Verdacht zu melden und entsprechende Inhalte zu entfernen.
Der vorliegende Entwurf der dänischen Ratspräsidentschaft hält derzeit daran fest, anlasslose Scans von privaten Kommunikationsinhalten zu ermöglichen und eine wirksame Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufzubrechen. Daher ist dieser Entwurf aus unserer Sicht nicht zustimmungsfähig.
Es ist gut, dass sich die Union endlich den Bedenken anschließt, die wir und unsere Justizministerin Stefanie Hubig von Anfang an hatten.
Für uns bleibt der Koalitionsvertrag maßgeblich. Dort haben wir vereinbart, die Vertraulichkeit privater Kommunikation im Netz zu schützen. Die Bundesregierung wird auf europäischer Ebene auf dieser Grundlage verhandeln.
Anlasslose Kommunikationsüberwachung muss in einem Rechtsstaat tabu sein. Der Staat darf Messenger auch nicht dazu zwingen, Nachrichten vor Versendung massenhaft mitzulesen. Solchen Vorschlägen wird Deutschland auf EU-Ebene nicht zustimmen.
Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt das Anliegen, Missbrauchsdarstellungen wirksam zu bekämpfen – eine klare Rechtsgrundlage und ein koordiniertes europäisches Vorgehen sind dafür unabdingbar. Besonders sensibel ist der Teil des Vorschlags, der sich nicht nur auf öffentliche Plattformen, sondern auch auf private digitale Kommunikation bezieht – etwa Messenger oder E-Mail. Für uns ist klar: Der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikationsinhalte ist ein hohes Gut.
Sexualisierte Gewalt an Kindern muss konsequent und effektiv verfolgt und noch andauernder Missbrauch verhindert werden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits in der letzten Legislaturperiode zu Beginn der Debatte um die Chatkontrolle umfangreiche Vorschläge erarbeitet, wie Kinder vor sexualisierter Gewalt besser geschützt werden können:
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Wiese