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Frage von Tom H. •

Frage an Dagmar Freitag von Tom H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Frau Freitag,

irgendwie verstehe ich das nicht.
Laut bild.de vom 07.07.17 hat Deutschland Italien zugesagt das monatliche Kontingent von 500 Flüchtlingen auf 850 zu erhöhen.
Meine Fragen.

1. Warum macht das nur Deutschland ?
2.Warum beteiligen sich nicht mal auch andere
Länder ?
3. Ist Deutschland in Europa der dumme der alles tut und macht ?
4. Wieso werden die anderen Länder nicht bestraft die niemanden aufnehmen ?
5.Warum ist das mit den.Abschiebungen so schwierig, laut faz.de sind dieses Jahr 430000 Menschen Abschiebepflichtig.
Wieviel hat Deutschland schon abgeschoben ?
Warum dauert das so lange ?
6.Warum darf ein Flüchtling gegen seine Ablehnung klagen und in anderen Ländern wird sowas nicht zugelassen ?
7. Warum weigern sich manche Länder Ihre eigenen Bürger aufzunehmen ?
8.Warum ist Deutschland so lasch und muss noch darüber verhandeln, den es sind noch Ihre Bürger. ?

Mit freundlichen Grüßen

Tom Hollmamn

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hollmann,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 07.07.2017 und für Ihr Interesse an diesem wichtigen und komplexen Themenfeld. Natürlich beschäftige ich mich auch mit dem Thema Flüchtlingspolitik, unter anderem natürlich auch in meinem Heimatwahlkreis. Sie sprechen in Ihrem Schreiben mehrere Sachverhalte an. Auf diese gehe ich gerne im Folgenden ein.

Auch, aber nicht nur, aufgrund der Geschichte Deutschlands haben die deutsche Regierung und der Deutsche Bundestag beschlossen, zusätzlich zur bestehenden Rechtslage des Asylrechts den zahlreichen asylsuchenden geflüchteten Männern, Frauen und Kindern in Deutschland Schutz und Unterstützung zu bieten. Hierfür hat es auch in der deutschen Bevölkerung breite Unterstützung gegeben, wie die unzähligen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer - auch in Iserlohn - eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben.

Wichtig finde ich, dass für unsere Flüchtlingspolitik der Grundsatz von "Fördern und Fordern" gilt. Das heißt einerseits, dass Geflüchtete Hilfe erhalten bei Unterkunft, für den nötigsten Lebensunterhalt, für Aus- und Weiterbildung sowie für ihre Integration in den Arbeitsmarkt. Dabei gilt der Grundsatz, dass womöglich Sachleistungen anstelle von finanziellen Leistungen gewährleistet werden. Andererseits bedeutet dies selbstverständlich auch, dass wir fordern, dass sich Geflüchtete an deutsche Gesetze halten, dass sie an Sprach- und Integrationskursen teilnehmen, dass sie sich an deutsche Gepflogenheiten halten, usw. Und es bedeutet selbstverständlich auch, dass Geflüchtete, wenn sie straffällig werden oder die Sicherheit in Deutschland gefährden, ausgewiesen bzw. abgeschoben werden können.

Unverhandelbar ist aus meiner Sicht, dass jeder Mensch, der in Deutschland Asyl sucht, auch künftig ein Recht auf Prüfung seines Asylgesuchs hat und Asyl bekommt, wenn sein Gesuch begründet ist. So regelt es das Europarecht und so steht es in unserem Grundgesetz. Im Rahmen des Asylverfahrens hat eine individuelle Prüfung zu erfolgen. Wer als Betroffener tatsächlich ihm drohende Menschenrechtsverletzungen vorbringen oder nachweisen kann, wird als schutzberechtigt anerkannt.

Wird hingegen ein Asylgesuch abgelehnt und bestehen keine anderen Gründe für einen legalen Aufenthalt bei uns, erwarten wir, dass er oder sie Deutschland wieder verlässt. Denn ohne eine freiwillige Rückkehr oder eine schnelle Abschiebungen derer, die nicht bleiben dürfen, können wir die Integration derjenigen, die zu Recht in Deutschland Asyl bekommen, nicht bewältigen. Viele, aber leider bekanntlich nicht wirklich alle, Asylbewerberinnen und -bewerber, deren Anträge abgelehnt worden sind, gehen freiwillig in ihre Heimatländer zurück. Die Förderung der freiwilligen Rückkehr der Flüchtlinge in ihr Herkunftsland steht im Vordergrund.

In manchen Fällen allerdings erfolgt keine freiwillige Ausreise. Dafür gibt es bereits umfangreiche gesetzliche Regelungen. Hier gilt es, bestehende Gesetze noch stärker durchzusetzen bzw. zu ergänzen. Deshalb hat die SPD-Bundestagsfraktion im vergangenen Jahr an mehreren Gesetzgebungsvorhaben mitgewirkt. Bei diesen ging es darum, die Ausreisepflicht auch tatsächlich durchzusetzen, u.a. durch folgende Maßnahmen:
. Zur Durchsetzung bestehender Ausreisepflichten darf nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Termin der Abschiebung nicht mehr angekündigt werden.
. Für vollziehbar Ausreisepflichtige, die unter keinen Umständen für ein Bleiberecht in Betracht kommen und deren Ausreisedatum und Reisemöglichkeit feststehen, wird die Leistungsgewährung nach diesem Datum gekürzt.
. Zudem werden zwecks Missbrauchsvermeidung die Rahmenbedingungen für die Erstellung ärztlicher Atteste im Zusammenhang mit Abschiebungen präzisiert und klargestellt.
. Asylsuchende mit geringen Chancen auf Anerkennung können in besonderen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden, in denen die Asylverfahren in rund drei Wochen abgeschlossen sein sollen. Diese Regelung betrifft u.a. Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten, Folgeantragsteller oder solche, die keine Bereitschaft zeigen, ihre wahre Herkunft aufzudecken. Für diesen Personenkreis gilt auch eine verschärfte Residenzpflicht, d.h. sie dürfen den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen. Ihre Rückführung soll bei Ablehnung des Antrags unmittelbar aus der Aufnahmeeinrichtung erfolgen.
. Viele Asylverfahren dauern auch deshalb sehr lange, weil die Antragssteller nach einem Umzug nicht mehr erreichbar sind. Daher können Asylbewerber nun verpflichtet werden, bis zu sechs Monate - solche aus sicheren Herkunftsstaaten bis zum Abschluss des Verfahrens - in Erstaufnahmeeinrichtungen zu verbleiben. Dann soll die Rückführung direkt von dort aus geschehen.
. Um Rückführungen in die wichtigsten Herkunftsstaaten zu erleichtern, wird der Bund außerdem weitere Abkommen verhandeln und auf die Umsetzung bestehender Abkommen drängen. Dazu gehört insbesondere die Akzeptanz von EU-Laissez-Passer-Dokumenten, also die Akzeptanz von Passersatzpapieren, seitens der Herkunftsstaaten.
. Auch wurde die Zusammenarbeit mit den Behörden von Marokko, Tunesien und Algerien in Fällen, in denen für eine Abschiebung ein vorläufiges Ausweisdokument erstellt und an Deutschland übermittelt werden muss, deutlich verbessert.

Als weiteres Thema sprechen Sie die Verteilung von Geflüchteten zwischen den Staaten Europas an. Deutschland kommt derzeit seinen Verpflichtungen nach, die wir auf Ebene der Europäischen Union getroffen haben. Sie erwähnen in Ihrer Zuschrift, dass der deutsche Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, am 7. Juli 2017 im Anschluss an eine internationale Migrationskonferenz in Rom zugesagt hat, dass Deutschland sein Kontingent der Flüchtlinge, die es aus Italien aufnimmt, von 500 auf 750 Personen pro Monat, und nicht auf 850, wie von Ihnen geschrieben, aufstocken werde. In Italien sind in diesem Jahr bereits mehr als 85.000 Migranten angekommen. Roth zufolge will die Bundesregierung eine Million Euro zusätzlich zur Bewältigung der Flüchtlingskrise bereitstellen, sowie vier Millionen Euro der Internationalen Organisation für Migration für deren Engagement in Marokko und Tunesien zusagen. Staatsminister Roth hat in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass sich andere Länder auch deutlicher engagieren müssen. Und er ergänzte dazu: "Nicht zu Unrecht fühlt sich Italien überfordert, alleingelassen, und da hilft es auch nicht, wenn alleine Deutschland an der Seite Italiens steht, da müssen die anderen auch mittun und mithelfen."

Entsprechend fordern wir, dass andere europäische Staaten ebenfalls einer gerechten Verteilung und Aufnahme der Geflüchteten nachkommen. Dafür gibt es einen offiziellen Verteilungsschlüssel innerhalb der Europäischen Union. Laut der Europäischen Kommission waren Anfang Juni 2017 bereits 20.869 Menschen über das europäische Quotensystem aus Italien und Griechenland, als Einreiseländer in die EU, in die meisten Staaten der Europäischen Union verteilt worden. Einige europäische Staaten hatten allerdings zu diesem Zeitpunkt noch keine Flüchtlinge über das Quotensystem aufgenommen. Dies widerspricht klar dem Abkommen und dem europäischen Solidaritätsgedanken. Wir fordern selbstverständlich, dass sich alle europäischen Staaten an das Abkommen zur Flüchtlingsverteilung halten. Falls sich Staaten weigern, die vereinbarte Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen, sollten sie klare Sanktionen dafür erfahren. Diese Position bezieht die SPD auch in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017.

Ein weiterer wichtiger Baustein unserer Flüchtlingspolitik ist, die europäischen Außengrenzen noch besser zu kontrollieren und Schlepperbanden das Handwerk zu legen. Dafür hat Deutschland bereits seine Unterstützung für die EU-Grenzschutzagentur Frontex verstärkt. Auch haben wir unsere Unterstützung im Kampf gegen Schlepperwesen und organisierte Kriminalität verschärft: Wir haben die Strafbarkeit für Einschleusen auf eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten heraufgesetzt und beteiligen uns an einer EU-Mission gegen Schlepper im Mittelmeer. Um das menschenverachtende Schlepperwesen zu unterbinden, wurde im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens für syrische Flüchtlinge eine "1:1-Regelung" vereinbart: Für jeden syrischen Flüchtling, der aus Griechenland in die Türkei zurückgeführt wird, erfolgt im Gegenzug die Aufnahme eines anderen, besonders schutzbedürftigen, syrischen Flüchtlings in die EU.

Und schließlich ist es wichtig, generell Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen. Für dieses Ziel setzt sich Deutschland außenpolitisch ein, um mit Diplomatie zur Befriedung des syrischen Bürgerkriegs beizutragen und einen internationalen politischen Prozess dazu zu unterstützen. Auch stellt Deutschland 1,2 Milliarden Euro für internationale Flüchtlingshilfe in Syrien und in den Nachbarländern zur Verfügung. Und wir investieren seit 2016 deutlich mehr in Entwicklungshilfe für eine langfristige Reduzierung von Fluchtursachen. Ebenfalls hat sich Deutschland dafür eingesetzt, dass auch andere Länder ihre humanitäre Hilfe für die Region aufgestockt haben. Und damit gewaltbereite Islamisten nicht mehr zu Krieg und Terror aus Deutschland nach Syrien ausreisen können, haben wir per Gesetz den Entzug des Personalausweises ausreisewilliger Jihadisten ermöglicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dagmar Freitag