Weshalb haben wir eine Beitragsbemessungsgrenze?
Sehr geehrte Frau Moll,
warum hält die Regierung weiterhin an der Beitragsbemessungsgrenze in Renten- und Krankenversicherung fest ?
Warum muss ich als Pflegefachkraft ca. 20% meines Einkommens für Rente, Pflege und Krankenversicherung bezahlen. während z.B. ein Manuel Neuer mit ca. 0,1 % belangt wird? Ich bitte hier um Begründung, weshalb es so ist wie es ist.
Die Finanzierungslücke in der Sozialversicherung wird voraussichtlich dadurch gedeckt werden indem ich noch mehr Sozialabgaben zahlen werden muss während große Einkommen verschont bleiben. Solange dieser Umstand von einer SPD getragen wird, fehlt mir als Bürger jegliche Grundlage selbige zu wählen.
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre offene und berechtigte Frage. Sie sprechen einen Punkt an, über den viele Menschen – gerade diejenigen, die in systemrelevanten Berufen wie der Pflege arbeiten – zu Recht irritiert sind. Gerne möchte ich Ihnen sachlich und klar erläutern, warum es die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) gibt, welche Probleme sie verursacht – und wo wir als SPD Veränderungen anstreben.
1. Warum gibt es eine Beitragsbemessungsgrenze?
Die Beitragsbemessungsgrenze ist historisch entstanden und beruht auf dem Charakter der Sozialversicherung als „Versicherungssystem“ und nicht als Steuer.
Bedeutet:
- Beiträge sollen in Relation zur späteren Leistung stehen.
- Wer sehr hohe Beiträge zahlt, hätte theoretisch auch Anspruch auf sehr hohe Renten-/Krankenversicherungsleistungen.
- Um dies zu begrenzen, wird das beitragspflichtige Einkommen gedeckelt.
Kurz gesagt: Die BBG begrenzt sowohl die Beiträge als auch die Ansprüche.
2. Das Problem aber: Sehr hohe Einkommen werden entlastet.
Sie sprechen zu Recht an: Für „Normalverdiener:innen“ wie Sie bedeutet das:
- 18–20 % Abzüge für Sozialversicherungen.
- Bei sehr hohen Einkommen sinkt der relative Beitrag dramatisch.
Das empfinden viele als ungerecht – und ich teile diese Einschätzung.
3. Was will die SPD?
Wir als SPD sagen seit Jahren deutlich: Hohe Einkommen müssen stärker an der Finanzierung des Sozialstaats beteiligt werden.
Deshalb setzen wir uns u. a. ein für:
✅ Einführung einer Bürgerversicherung in Kranken- und Pflegeversicherung:
→ Alle zahlen ein – auch Beamte, Selbstständige, sehr hohe Einkommen.
✅ Einbeziehung von Kapitaleinkommen in die Finanzierung der Rente:
→ Nicht nur Erwerbseinkommen, sondern auch Dividenden, Zinsen etc.
✅ Langfristig: Überwindung der Zweiklassenversicherung und gerechtere Verteilung.
✅ Rentenstabilisierung nicht nur über Beiträge, sondern auch über Steuerzuschüsse (z. B. aus einer Vermögensabgabe oder höheren Spitzensteuersätzen).
4. Warum ist es bisher nicht geändert worden?
Das ist der ehrlichste Teil der Antwort:
Weil es dafür in der aktuellen Koalition keine Mehrheit gibt.
- Die Union lehnt eine Bürgerversicherung strikt ab.
- Änderungen an der BBG oder die Einbeziehung von Kapitaleinkommen blockiert sie ebenfalls.
- Ohne Mehrheit im Bundestag sind strukturelle Änderungen nicht umsetzbar.
Das ist kein Mangel an politischem Willen innerhalb der SPD – sondern an politischen Mehrheiten.
5. Wie geht es weiter?
Die SPD wird weiterhin dafür kämpfen, dass starke Schultern mehr tragen als schwache.
Das bedeutet:
- gerechtere Finanzierung des Sozialstaats,
- eine echte Bürgerversicherung,
- und Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen.
Dafür brauchen wir Mehrheiten – in der Gesellschaft und im Parlament.
6. Persönliches Wort zum Schluss
Ich verstehe Ihren Frust sehr gut. Gerade Menschen wie Sie, die in der Pflege arbeiten, tragen Tag für Tag unsere Gesellschaft – und erleben trotzdem oft finanzielle und strukturelle Ungerechtigkeit.
Sie haben mit Ihrer Frage den Kern dessen getroffen, worum es in sozialdemokratischer Politik geht: Gerechtigkeit.
Ich kann Ihnen versichern:
- Wir sehen das Problem.
- Wir haben konkrete Lösungen.
- Und wir kämpfen dafür – auch wenn wir aktuell nicht jede davon durchsetzen können.
Ich hoffe, diese Einordnung hilft Ihnen weiter.
Wenn Sie möchten, tausche ich mich sehr gerne persönlich oder telefonisch weiter mit Ihnen zu diesem Thema aus.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Moll, MdB
