Bernd Rützel
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Frage von Anton N. •

Sollten Personen, die über 100.000€ verdienen und damit für ihre bedürftigen Eltern unterhaltspflichtig sind, nur mit dem Mehreinkommen statt mit dem vollständigen Einkommen Unterhalt leisten müssen?

Ende 2019 ist das Angehörigen-Entlastungsgesetz verabschiedet worden. Das Gesetz befreit Angehörige bedürftiger Senioren von den Kosten der Unterhaltspflicht für Grundsicherung und Pflege. Nur Angehörige mit einem Jahreseinkommen von unter 100.000€ werden befreit. Angehörige mit einem höheren Jahreseinkommen sind hingegen vollständig unterhaltspflichtig, sowohl mit Einkommen als auch mit ihrem Vermögen.

Obgleich es nachvollziehbar ist, Gutverdiener stärker zu involvieren, erscheint dieser dramatische Unterschied in der Behandlung von Personen mit einem Einkommen von 99.000 und einem Einkommen von 101.000 ungerecht.

Halten Sie es für richtiger und gerechter, dass nur das Mehreinkommen oberhalb von 100.000€ für Unterhaltspflichten herangezogen werden sollte, anstelle des gesamten Einkommens, sodass alle Personen den gleich Schonbetrag von 100.000 haben? Eine Diskussion dieser Frage findet sich hier: https://www.eltern-unterhalt.org/100-000-euro-grenze.html

Bernd Rützel
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr N.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ihre Kritik trifft grundsätzlich auf jede eingeführte Grenze zu, ob es um die 520 Euro bei Minijobs geht oder um Stichtage, ab denen ein Gesetz gilt. Es ist eine Grenze, ab der eine unterschiedliche Behandlung erfolgt.

Die 100.000-Euro-Grenze im Angehörigenentlastungsgesetz wurde aber im Jahr 2019 beim Beschluss des Gesetzes nicht neu eingeführt. Es gab sie bis dahin bereits in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dort war es auch vor dem 1. Januar 2020 so: Erst bei deren Überschreitung wird auf das Einkommen bzw. Vermögen der unterhaltsverpflichteten Eltern und Kinder von Leistungsberechtigten zurückgegriffen. Diese Grenze wurde mit dem Angehörigenentlastungsgesetz übernommen und gilt nun auch bei der Hilfe zur Pflege – und sogar in der gesamten Sozialhilfe (mit Ausnahme von unterhaltsverpflichteten Eltern minderjähriger Leistungsbezieher).

Liegt jemand mit Eltern, deren Pflegekosten ganz oder teilweise vom Sozialhilfeträger übernommen werden, oberhalb dieser Grenze, steht aber noch nicht fest, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang vom erwachsenen Kind ein Teil der Kosten als Elternunterhalt an das Sozialamt zurückgezahlt werden muss. Grundsätzlich müssen dazu erst das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen und der Selbstbehalt errechnet werden. Abziehbare Posten sind beispielsweise berufsbedingte Aufwendungen, Kosten der allgemeinen Krankenvorsorge und krankheitsbedingte Aufwendungen und Darlehensverbindlichkeiten, insbesondere Zins- und Tilgungszahlungen einer Baufinanzierung für Wohneigentum sowie private Altersvorsorgekosten bis zu 5 Prozent des Bruttoeinkommens.

Ich halte es für sozial vertretbar, wenn in diesen Fällen erwachsene Kinder mit einem sehr guten Einkommen einen Teil der vom Sozialamt übernommenen Pflegekosten für ihre eigenen Eltern tragen. Das setzt übrigens immer voraus, dass das jeweilige Elternteil keine schwere Verfehlungen gegen das erwachsene Kind begangen hat. Ich finde, das Angehörigenentlastungsgesetz ist ein sehr wichtiges Sozialgesetz.

Freundliche Grüße

Bernd Rützel

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