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Anette Kramme
SPD
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Frage von Peter P. •

Wenn man in einem Staat wirklich ein Problem mit Fachkräftemangel hat, warum lässt man dann Leute mit 60 J. in Frührente gehen? Zumal das heutige Rentensystem auch nicht mehr finanzierbar ist.

Zugegeben es gibt in Deutschland das Problem der Fehlallokation, also den Umstand, dass Arbeitssuchende und Stellen nicht zueinander passen. Aber selbst wenn man das löste, hätte man einen gewaltigen Überhang an Menschen ohne eine richtige Beschäftigung. Der größte Niedriglohnsektor Europas, also die BRD, ist ein Paradies für Unternehmer.

Wenn man einen Fachkräftemangel nicht nur in Kleinstberufsgruppen (wie z.B. Kältetechniker und Agrartechniker), sondern in der Breite hätte, wären die Löhne im DS höher und es gäbe z.B. keine Frühverrentung, weil so Arbeitskraft verloren geht. Zumal das Rentensystem auch nicht finanzierbar ist. Die Politik der Regierung, die Zuzahlungen aus dem Bundeshaushalt an die Rentenkasse auf über 100 Mrd. € zu erhöhen, ist eine Katastrophe, da sie Finanzmittel für dringend anzupackende Politikfelder bindet. Warum geben Sie und die SPD nicht zu, wie katastrophal die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist und beenden die neoliberale Angebotspolitik? #ehrlichmachen

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SPD

Sehr geehrter Herr P.,

 

es stimmt, dass das Rentensystem unter Druck steht. Die Zahl der Einzahler nimmt ab, während immer mehr Menschen Anspruch auf eine Rente erhalten. Verschärft wird die Situation noch, wenn die Generation der "Baby Boomer" in Rente geht. Trotzdem lehnen wir eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters ab und auch den Anspruch, dass besonders langjährig Versicherte vor Erreichen der Regelaltersgrenze abschlagsfrei in Rente gehen können, werden wir beibehalten. (Mit 60 geht heute übrigens niemand mehr in reguläre Altersrente.)

Solidarität in der Alterssicherung bedeutet für uns, dass auch die Selbstständigen, Beamt*innen, freien Berufe und Mandatsträger*innen der gesetzlichen Rentenversicherung angehören. Es ist an der Zeit, die Gesamtheit der Erwerbstätigen in die Rentenversicherung aufzunehmen und die Sondersysteme auf lange Sicht zu überwinden.

Es ist richtig, dass wir in Deutschland leider einen ausgeprägten Niedriglohnsektor haben. Wir wollen daher die Möglichkeit schaffen, Tarifverträge einfacher für allgemeinverbindlich zu erklären, und wir wollen, dass möglichst viele Unternehmen sich an Tarifverträgen beteiligen. Daher werden wir die Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung zurückdrängen. Öffentliche Aufträge dürfen an Unternehmen zudem nur noch dann vergeben werden, wenn sie nach Tarif bezahlen. Den gesetzlichen Mindestlohn werden wir auf 12 Euro erhöhen. Die Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne einen Sachgrund werden wir abschaffen. Leiharbeiter*innen sollen ab dem ersten Tag den gleichen Lohn erhalten wie Festangestellte. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die soziale Sicherung der Minijobs unzureichend ist. Unser Ziel ist, alle Beschäftigungsverhältnisse in die soziale Sicherung einzubeziehen. Um die Nettoeinkommen von gering Verdienenden zu erhöhen, heben wir die Gleitzone der Midi-Jobs auf 1.600 Euro an.

Wie bereits in einer früheren Antwort geschrieben, gibt es in Deutschland derzeit (noch) keinen flächendeckenden Fachkräftemangel, allerdings können schon heute in bestimmten Regionen und Branchen offene Stellen nicht mit geeigneten Fachkräften besetzt werden. Richtig ist deshalb: Wir brauchen mehr Weiterqualifizierungen, aber auch einen Fachkräftezuzug, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Mit freundlichen Grüßen

Anette Kramme

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