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Adis Ahmetovic
SPD
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Frage von Andy G. •

Werden Sie sich für ein Überdenken der deutschen LNG-Strategie und ein Adressieren der Menschenrechtsverletzungen in der Vorkette von Erdgaslieferungen (z.B. über Staatsfirmen wie SEFE) einsetzen?

Seit längerem steht fest, dass die LNG-Ausbaupläne zu Überkapazitäten führen werden (siehe u.a. https://tinyurl.com/yxfc4km9). Dieses Jahr bestätigte das DIW erneut: Deutschlands Gasversorgung ist und war stabil - auch ohne weiteren Ausbau der Infrastruktur (https://tinyurl.com/22k7by39). Die schwache Auslastungsquote der Terminals bestätigt dies. Pure Steuermittelverschwendung.Dennoch unterzeichneten deutsche Firmen Langzeitverträge mit US-Firmen. Deutsche Banken investierten in Terminals in den USA (https://tinyurl.com/yyy8k7m4). Die Hauptlast dieser unverantwortlichen Investitionen tragen vor allem einkommensschwache Gemeinschaften und diskriminierte Gruppen vor Ort. LNG weist erhebliche Menschenrechtsrisiken auf (siehe Kapitel 3.4 und 4.7: https://tinyurl.com/3synzdzs). Auf Grundlage des DE-Lieferkettengesetzes sind Förderung, Verarbeitung und Importe von LNG und Fracking-Gas äußerst problematisch. Die strukturellen Menschenrechtsverletzungen müssen dringend adressiert werden.

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Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Frage bezüglich der deutschen LNG-Strategie. Als Obmann im Unterausschuss für Internationale Klima- und Energiepolitik beschäftige ich mich intensiv mit diesem Themenkomplex.

Die mit dem Import von LNG einhergehenden Herausforderungen sind mir bewusst und werden auch immer wieder im Unterausschuss für Internationale Klima- und Energiepolitik von mir und meinen Kolleg:innen thematisiert (hier beispielsweise in der öffentlichen Ausschussberatung: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a03_auswaertiges/ua_zke/anhoerungen/993618-993618). Ich setze mich für eine langfristig ausgerichtete und nachhaltige Energiepolitik, auch in Bezug auf verflüssigtes Erdgas (LNG) sowie für ein stetiges Verbessern der menschenrechtlichen Lage in den Lieferländern ein.

Gerne möchte ich Ihre Anfrage zum Anlass nehmen, noch einmal auf einige Punkte detaillierter einzugehen. Zunächst möchte ich die historische Situation, in der die Entscheidung zum Bau der LNG-Terminals gefallen ist, in Erinnerung rufen. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und den damit einhergehenden Ausfällen in den Erdgaslieferungen sowie energiepolitischen (und sicherheitspolitischen) Unsicherheiten, galt es, unsere Energieversorgung schnellstmöglich sicherzustellen. Es herrschte eine Notsituation vor. Die Planung der Größenordnung der LNG-Kapazitäten wurde daher auf den Berechnungen der Bundesnetzagentur basiert und ein „Worst-Case“ Szenario angenommen. Das bedeutet, dass potenzielle Ausfälle von Lieferungen durch Liefer- und Transitländer, sowie Überkapazitäten für sogenannte Peak Days (Tage mit besonders erhöhtem Bedarf, etwa durch besonders kalte Winter) und Redundanzen (etwa bei Wegfall anderer Pipelines) miteinbezogen wurden. Für ein hochindustrialisiertes Land wie Deutschland, das bis zu 70% seines Energiebedarfs importiert (https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/primaerenergiegewinnung-importe), hätte ein nicht kompensierbares Wegbrechen auch nur eines Teils dieser Energieimporte katastrophale Folgen.

Aus heutiger Sicht haben wir es geschafft, die energiepolitischen Herausforderungen besser zu bewältigen als vorher angenommen, was aber die Rechtmäßigkeit und Angemessenheit der damals veranlassten Maßnahmen nicht grundsätzlich in Frage stellt. Trotzdem sind wir heute in der Situation, dass die LNG-Infrastruktur den derzeitigen Bedarf übertrifft (DIW, NCI). Zwar sollen die Importe noch steigen, ob die Infrastruktur jedoch jemals vollkommen ausgelastet sein wird, bleibt abzuwarten und ist in erster Linie von den zukünftigen politischen Entscheidungen im Rahmen der Energiewende abhängig. Erdgas als solches und die neu gebauten Anlagen dienen dabei als eine Übergangstechnologie auf dem Weg zu einer auf erneuerbaren Energieträgern basierenden Energieversorgung. Wir müssen also anerkennen, dass eine zukunftsorientierte Planung bei der Versorgung mit Energie im Allgemeinen und verflüssigtem Erdgas im Besonderen nicht nur ein hehres Ziel, sondern auch zweckmäßig ist.

Doch wie kann die Energieversorgung langfristig sichergestellt werden und gleichzeitig verhindert werden, dass die getätigten Investitionen verpuffen? Hierzu müssen wir akzeptieren, dass verflüssigtes Erdgas kurzfristig einer der zentralen Energieträger - im Energiemix mit erneuerbaren Energien - in der Industrie und zur Wärmeerzeugung bleiben wird. Mittel- und langfristig muss die jetzt geschaffene Infrastruktur auf andere Energieträger, wie z.B. Wasserstoff umgerüstet werden, um einen fossilen Lock-In zu vermeiden. Dies ist grundsätzlich möglich (https://www.isi.fraunhofer.de/de/presse/2022/presseinfo-25-lng-terminals-wasserstoff-ammoniak.html), wenn auch mit nicht unerheblichen technischen Schwierigkeiten verbunden. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Umstellung ist aber natürlich in erster Linie vom zukünftigen Bedarf an Wasserstoff abhängig. Eine nachhaltige Umstellung der Mobilität wie auch Industrie und die Schaffung von Kapazitäten zur Gewinnung von grünem (d.h. mithilfe regenerativer Energien gewonnenen) Wasserstoff sind hierbei elementar. Für beides setze ich mich ein.

Neu geschaffenen Anlagen direkt wieder abzubauen halte ich, auch im Hinblick auf die unstete Weltlage, für verfrüht. Die größte Herausforderung bleibt aber auch hier die Planungssicherheit. Durch die verschiedenen Ansätze zur Reduzierung von Emissionen und generellem Energieverbrauch ist derzeit der zukünftige Bedarf an einzelnen Energieträgern nur schwer abschätzbar. Ich werde mich aber auch weiterhin für ein nachhaltiges und tragendes Energiekonzept einsetzen, das alle vorhandene Infrastruktur nutzt und somit nicht nur langfristig, sondern auch schon kurz- und mittelfristig Emissionen einspart, ohne dass es zu Engpässen in der Energieversorgung kommt.

Ihre zweite Frage betrifft die Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette von verflüssigtem Erdgas. Diese Frage ist immer besonders relevant, wenn aus Ländern außerhalb der Europäischen Union importiert werden muss. Insbesondere gilt dies für verflüssigtes Erdgas. Hier sind neben den USA auch Länder wie Trinidad und Tobago, Angola, Ägypten, Nigeria oder auch die Vereinigten Arabischen Emirate Lieferländer (https://de.statista.com/infografik/30782/deutsche-lng-importe-nach-herkunftsland/). Menschenrechtliche Problemlagen in vielen Ursprungsländern, speziell im Hinblick auf die generelle Arbeitssituation, Machtgefälle zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Absicherung der Arbeitnehmer, Abhängigkeitsverhältnissen oder Schutz vor Unfällen sind leider noch immer Realität. Ebenso sind Umweltschäden und damit verbundenen Gefahren für die in den Fördergebieten lebenden Menschen, insbesondere auch durch neue Methoden wie z.B. Fracking ein ernsthaftes Problem. Ähnliches gilt für alle fossilen Energieträger. Die Lösung kann daher nur der Ausbau der erneuerbaren Energien sein.

Da wir derzeit aber leider noch auf LNG als Brückentechnologie angewiesen sind, setzen wir uns bereits jetzt entschlossen für die Einhaltung der Menschenrechte und die Verbesserung der Lebensumstände der Arbeitenden vor Ort ein. Zum einen geschieht dies durch bilaterale Klima-, Energie- und Wasserstoffpartnerschaften (https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/internationale-energiepolitik-2.html), bei denen einerseits die menschenrechtliche Lage adressiert wird und andererseits ein Fokus auf den Ausbau regenerativer Energie gelegt wird. Zum anderen wirkt das Lieferkettengesetz an sich: es gibt mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine verantwortliche Institution, Betroffene von Menschenrechtsverletzungen können nun auch in Deutschland klagen und Risiken und Problematiken werden in jährlichen Berichten benannt und können so zielgerichteter angegangen werden. Mir ist bewusst, dass die derzeitige Lage noch nicht ideal ist – deswegen werde ich mich persönlich auch weiterhin für die Einhaltung und Durchsetzung sowie den Einsatz aller möglichen Mittel der Bundesrepublik einsetzen, um die Menschenrechtslage in den Ursprungsländern zu verbessern.

Was die von Ihnen angesprochenen Investitionen deutscher Firmen in US-amerikanische Erdgasförderprojekte angeht, ist dies in letzter Instanz die Entscheidung der beteiligten und privat geführten Banken und Firmen. Trotzdem werde ich mich im Zuge der Energiewende weiterhin für einen nachhaltigen Umbau der Energieinfrastruktur und zugehöriger Versorgung einsetzen, wodurch mittel- und langfristig die Investitionen in erneuerbare Energien attraktiver werden als Investitionen in fossile Energieträger.

Erneut vielen Dank für Ihre Anfrage. 

 

Mit freundlichen Grüßen

Adis Ahmetović

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