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Ulrike Rodust
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Frage von Marcus S. •

Frage an Ulrike Rodust von Marcus S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Rodust,

mit großer Sorge verfolge ich aufmerksam die derzeitigen Entwicklungen in der durch die Bankenkrise verursachte Staatsschuldenkrise.
Die berechtigte Sorge vor einem Kollaps des globalen Währungssystems spielt jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle.
Wesentlich mehr bin ich derzeit um die Demokratie in den nationalen und europäischen Parlamenten besorgt.
Beginnend mit Griechenland zeichnet sich eine mehr als bedenkliche Entwicklung ab.
Der Abgeordnete Farage hat es am 16.11.2011 auf den Punkt gebracht.
Europa wird mehr und mehr von einem kleinen elitären Personenkreis beherrscht, die in keiner Weise demokratisch legitimiert sind.
Jeder Ansatz von Basisdemokratie (Papandreous Referendum) wird im Keim erstickt.
Gewählte Staatschefs (Papandreou, Berlusconi) werden von nicht gewählten Technokraten (Papademos, Monti) ersetzt, anstatt mittels Neuwahlen die Bevölkerung über ihre eigene Zukunft entscheiden zu lassen.
Wie sehen Sie diese Thematik und was haben Sie persönlich vor, gegen diese undemokratische Entwicklung zu unternehmen?
Warum haben weder Sie, noch ein anderes deutsches Mitglied des Europäischen Parlaments sich der EFD Vereinigung angeschlossen?
Sind Sie sich darüber im Klaren, dass Papademos, Monti, van Rompuy und einige andere EU-Funktionäre Mitglied der sog. Trilateralen Kommission sind und an den sog. Bilderberger-Konferenzen teilgenommen haben? Falls ja, welche Schlüsse ziehen Sie aus dieser Erkenntnis?

Mit freundlichen Grüßen,

Marcus Schröder

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Schröder,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich möchte Ihre Fragen wie folgt beantworten:

1. "Gewählte Staatschefs (Papandreou, Berlusconi) werden von nicht gewählten Technokraten (Papademos, Monti) ersetzt, anstatt mittels Neuwahlen die Bevölkerung über ihre eigene Zukunft entscheiden zu lassen. Wie sehen Sie diese Thematik und was haben Sie persönlich vor, gegen diese undemokratische Entwicklung zu unternehmen?"

Ich finde diese Entwicklungen durchaus besorgniserregend. Gerade die sozialen Einschnitte, welche vom griechischen und italienischen Volk getragen werden müssen, bedürfen einer ausreichenden demokratischen Legitimierung.
Im der jetzigen Krise erscheint es mir allerdings auch notwendig, dass die betroffenen Länder von wirklichen Fachleuten geführt werden, die dabei unabhängig von politischer Färbung handeln und wissen was sie tun. Sie müssen dabei von einem breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens unterstützt werden. Natürlich müssen aber in Italien und Griechenland sobald wie möglich Neuwahlen abgehalten werden, wenn das Ärgste überstanden ist.
Noch kritischer sehe ich aber die Situation, welche diese extremen Schritte notwendig macht. Privatwirtschaftliche Ratingagenturen sind zum Taktgeber der Politik geworden und Verwerfungen an den Finanzmärkten sorgen für Krisen, an denen manche Akteure auch noch Geld verdienen. Wir brauchen endlich eine Regulierung der Finanzmärkte, die dagegen vorgeht und die Politik wieder zum Handelnden, nicht mehr nur zum Reagierenden macht. Daran ändert auch nichts, dass die ursprüngliche Schuld bei der mangelnden Haushaltsdisziplin vieler Länder liegen mag.

2. "Warum haben weder Sie, noch ein anderes deutsches Mitglied des Europäischen Parlaments sich der EFD Vereinigung angeschlossen?"

Warum ich mich nicht der EFD-Fraktion im EP angeschlossen habe kann ich ganz leicht beantworten: Da ich mich mit ihrer Weltanschauung und ideologischen Ausrichtung ganz und gar nicht identifizieren kann. Hinter den positiven Begriffen Freiheit und Demokratie verbergen sich im Wesentlichen britische und italienische Rechtspopulisten bzw. Nationalisten, die sich dogmatisch gegen die EU richten.
Ich hingegen bekenne mich als überzeugte Europäerin. Einerseits haben wir als Deutsche eine ganz besondere Verantwortung gegenüber der EU, was mit der Ihnen bekannten Entstehungsgeschichte der EU zusammenhängt. Andererseits bringt uns die EU einen politischen und wirtschaftlichen Wert, der gar nicht hoch genug zu bewerten ist. Ohne unsere europäischen Partner werden wir in der Welt des 21. Jahrhunderts keine nennenswerte Rolle spielen. Jürgen Habermas hat auf einem Vortrag jüngst die interessante Frage gestellt, wie viele Generationen es von nun an brauchen würde bis wir wieder zum jetzigen Integrationsstand kommen. Ich glaube nicht, dass die europäischen Nationalstaaten bis dahin noch großen Einfluss auf das Weltgeschehen haben würden.
Dass sich kein anderes deutsches Mitglied des Europäischen Parlaments der EFD angeschlossen hat, dürfte daran liegen, dass zum Glück keine rechtsextreme Partei aus Deutschland 2009 ins EP eingezogen ist. Ich hoffe sehr, dass es bei der nächsten Europawahl auch ohne 5-Prozent-Hürde dabei bleiben wird.

3. "Sind Sie sich darüber im Klaren, dass Papademos, Monti, van Rompuy und einige andere EU-Funktionäre Mitglied der sog. Trilateralen Kommission sind und an den sog. Bilderberger-Konferenzen teilgenommen haben? Falls ja, welche Schlüsse ziehen Sie aus dieser Erkenntnis?"

Nein, es war mir bisher nicht bekannt, dass die genannten Personen daran teilgenommen haben. Ich schließe nach kurzer Recherche daraus allerdings auch keine besonderen Schlüsse, sondern denke, dass Spekulationen über einen Zusammenhang ins Reich der Verschwörungstheorien gehören.
Dass Politiker sich untereinander kennen und in verschiedenen Zirkeln miteinander kommunizieren, ist für mich keine Besonderheit. Der Austausch untereinander ist wichtig und hilft teilweise dabei konstruktive Lösungsansätze zu entwickeln. Ich denke wir haben in unserer Demokratie immer noch starke Kontrollinstrumente, die dafür sorgen, dass die Welt nicht von geheimen Absprachen regiert wird.

Mit freundlichen Grüßen,

Ulrike Rodust