Timon Gremmels
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Frage von Jens R. •

wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren?

Sehr geehrter Herr Gremmels,

wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren? Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff in das Immunsystem. Dazu bedarf es der zwanglosen und freiwilligen Einwilligung des Patienten. Eine Impfpflicht widerspricht dem Freiwilligkeit und es entstehen Zwänge. Natürlich hofft man mit einer Impfpflicht Pandemien zu verhindern, jedoch kann und darf das Individualrecht nicht ausgehelbelt werden. Ganz zu Schweigen von den Vertrauensverlusten in die Ärzte, die ja die Patienten zwangsbehandeln müssen. Von dem Problemen mit dem Nürnberger Kodex ganz zu schweigen.
Ich würde mich über eine Rückmeldung mit Ihrer Meinung dazu freuen und hoffe inständig, daß Sie sich gegen eine Impfpflicht entscheiden werden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jens R.

Timon Gremmels
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr D. R.

 

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, inwieweit eine allgemeine Impfpflicht mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz vereinbar ist. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat sich in einer Ausarbeitung vom 22.12.21 ausführlich mit dieser Fragestellung beschäftigt und schreibt:

Die Menschenwürde soll davor schützen, dass der Mensch zum "bloßen Objekt" herabgewürdigt wird. Dies ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts der Fall "wenn die Behandlung durch die öffentliche Gewalt die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt". Eine in diesem Sinne "verächtliche Behandlung" ist bei einer Impfpflicht nicht zu erkennen."

Die Nebenwirkungen der Impfung werden seitens der Zulassungsbehörden und der Ständigen Impfkommission (STIKO) fortlaufend überwacht und bislang als gering eingeschätzt. Zwar wurden alle COVID-19-Impfstoffe in Europa bislang nur bedingt zugelassen, weil nicht genügend Daten insbesondere aus langfristigen Studien zu den Impfstoffen vorliegen. Auch für die bedingte Zulassung ist jedoch unter anderem Voraussetzung, dass der Vorteil der sofortigen Verfügbarkeit des Impfstoffs das Risiko weniger umfangreicher Daten überwiegt und insofern eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz besteht. Nur bei diesem vorhandenen geringen Risiko durch die Impfung entspricht die Impfpflicht der notwendigen Angemessenheit, die die Vorschriften des Grundgesetzes erfordern. Hiervon sind Menschen, für die keine Impfempfehlung vorliegt bzw. bei denen aufgrund von Vorerkrankungen ärztlich von einer Impfung abgeraten wird, ausgeschlossen.

Weil die Verhinderung einer übertragbaren Krankheit mit schweren Verlaufsformen und Folgeschäden, die durch die zugelassenen Corona-Impfstoffe erzielt werden ein sehr wichtiger Grund ist, scheint fraglich, dass eine Impfpflicht den "Status als Rechtssubjekt, grundsätzlich in Frage stellt, indem sie die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines Personenseins, zukommt". (Vgl. BverfG, Urteil v. 15.2.2006, 1 BvR 357/05).

Der sog. Nürnberger Kodex, den Sie erwähnen, wurde vor 75 Jahren im Prozess um hochrangige Mediziner und Gesundheitsbeamte aufgestellt, die im NS-Regime brutale und tödliche Experimente an KZ-Gefangenen ohne deren Einwilligung durchgeführt hatten. Die Ärzte suchten willkürlich ihre Opfer unter den Insassen der Konzentrationslager aus, infizierten sie mit Fleckfieber, Malaria und Typhus. Andere mussten Experimente mit Salzwasser, Unterdruck und Unterkühlung durchleiden - tausende starben. Zudem töteten die Ärzte geistig und körperlich behinderte Menschen in den Heil- und Pflegeanstalten, weil die Menschen mit Behinderung in der NS-Ideologie als "lebensunwert" galten. Bis zu 300.000 Personen sind so ums Leben gekommen. Einige dieser Ärzte wurden zum Tode verurteilt.

Während dieses Prozesses wurde der Nürnberger Kodex erarbeitet. Es handelt sich um ein ethisches Manifest, das festlegt, dass jede Versuchsperson, die z.B. an klinischen Studien teilnimmt vorher genau aufgeklärt werden muss und im Vollbesitz ihres Bewusstseins freiwillig dem medizinischen Experiment zustimmen muss.

Im Zuge der Corona-Impfung und einer Impfpflicht davon zu sprechen, dass der Nürnberger Kodex verletzt wird ist aus meiner Sicht ganz und gar unpassend, weil die Corona-Impfungen bereits auf sorgfältige wissenschaftliche Untersuchungen zurück gehen. Mehre Tausend Menschen haben freiwillig an Studien zu Risiken und Wirkung der Corona-Impfung teilgenommen. Und auch diesen Studien gingen Versuche an Tieren voraus, damit die Studienteilnehmer keinen größeren Schaden erleiden. Erst nach den Studien erfolgte die Zulassung der Impfstoffe durch die Arzneimittelbehörden. Von einem Massenexperiment durch die Impfpflicht kann nicht gesprochen werden, da die Impfstoffe bereits vielfach getestet wurden.

Mit freundlichen Grüßen,

Timon Gremmels, MdB