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Tilman Kuban
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Frage von Rasmus N. •

Denken Sie, die Deutschen arbeiteten weniger als der EU-Schnitt?

Sehr geehrter Herr Kuban,

Patrik B. fragte Sie am 19.06. zur Arbeitszeit in Deutschland. Sie antworteten:

"Die Aussage, dass in Deutschland im europäischen Vergleich weniger gearbeitet wird, bezieht sich auf die durchschnittlich geleisteten Jahresarbeitsstunden pro Erwerbstätigem [...]."

Ist Ihnen bewusst, dass - auch wenn die Zahlen objektiv sind - Ihr Schluss, dass in Deutschland weniger gearbeitet wird, nicht aus dieser Statistik ablesbar ist?

Zur Verdeutlichung: Herr Linnemann hat bei Miosga vorgeschlagen, Rentner könnten zusätzlich arbeiten. Wenn besagte Rentner weniger als der Durchschnitt (34,3 h/we lt. statistischem Bundesamt) arbeiten, ziehen sie die Statistik runter, obwohl mehr gearbeitet wird. Würden alle in Teilzeit kündigen, ginge die Statistik dagegen rauf.

Da Sie die hohe Teilzeitquote unter Frauen ansprechen: wird die Union ihre Standpunkte zu Themen wie Herdprämie oder Ehegattensplitting überdenken?

Sehen Sie eine Chance, Homeoffice-Möglichkeiten gezielt zu stärken?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr N.,

herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung zur Diskussion um die durchschnittliche Arbeitszeit in Deutschland und für Ihre Anmerkungen zu Rentenpolitik, Familienförderung und Homeoffice.

1. Zur Arbeitszeit im europäischen Vergleich:

Sie sprechen einen wichtigen Punkt an: Durchschnittswerte zur Jahresarbeitszeit sagen nicht alles über das tatsächliche Arbeitsvolumen oder den individuellen Arbeitseinsatz aus – sie sind aber dennoch ein aussagekräftiger Gradmesser. So zeigt beispielsweise das ifo-Institut in einer Analyse von 2023, dass Deutschland bei den durchschnittlichen Arbeitsstunden je Erwerbstätigem im unteren Drittel Europas liegt. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) weist regelmäßig darauf hin, dass Deutschland im internationalen Vergleich eine hohe Teilzeitquote aufweist  und dadurch die Durchschnittswerte sinken.

Diese Zahlen stehen also durchaus im Einklang mit der Aussage, dass in Deutschland im Schnitt weniger gearbeitet wird – wobei selbstverständlich viele strukturelle Faktoren mitgedacht werden müssen: etwa der hohe Anteil sozialversicherungspflichtiger Teilzeitbeschäftigung, längere Ausbildungszeiten, die Möglichkeiten der Kinderbetreuung oder das frühere Renteneintrittsalter im Vergleich zu anderen Ländern.

2. Zur Familienpolitik und Teilzeitbeschäftigung:

Die CDU setzt sich seit jeher für eine familienfreundliche Politik ein, die Wahlfreiheit, aber auch gute Betreuungsangebote schafft. Teilzeitbeschäftigung ist oft ein Ausdruck pragmatischer Lebensentscheidungen – und wir wollen, dass diese Entscheidungen nicht zu Nachteilen führen, weder bei der Rente noch bei der Karriere.

Dazu gehört für uns:

  • der konsequente Ausbau der Kinderbetreuung, auch mit dem bestehenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr,
  • Investitionen in Qualität, Fachkräfte und flexible Öffnungszeiten,
  • die Einführung des Kinderzuschlags für Familien mit niedrigem Einkommen,
  • das Elterngeld und ElterngeldPlus als flexibles Modell zur partnerschaftlichen Aufteilung von Kinderbetreuung und Beruf,
  • sowie das Ehegattensplitting, das vielen Familien finanzielle Stabilität ermöglicht – gerade in der Phase, in der ein Elternteil vorübergehend weniger arbeitet.

Das Betreuungsgeld war ein Versuch, Wahlfreiheit auch für diejenigen Eltern herzustellen, die ihre Kinder in den ersten Lebensjahren zu Hause betreuen möchten. Wir wissen, dass dieses Modell nicht unumstritten war – und setzen heute stärker auf strukturelle Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

3. Zum Thema Homeoffice und Flexibilisierung:

Ja, die CDU sieht im mobilen Arbeiten eine große Chance – für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber. Wir wollen keine gesetzliche Verpflichtung, sondern betriebliche Lösungen im Rahmen der Sozialpartnerschaft ermöglichen. Ich gebe allerdings auch zu bedenken, dass laut ifo-Institut rund 60 % der Arbeitsplätze in Deutschland nicht homeofficefähig sind.

Wir setzen uns zudem für mehr Zeitsouveränität ein – etwa durch die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes hin zu einer wöchentlichen statt täglichen Höchstarbeitszeit, wie es viele EU-Staaten bereits praktizieren. Das kommt modernen Arbeitsrealitäten entgegen – und stärkt auch das Homeoffice, wo Arbeitszeiten oft weniger starr verlaufen.

Die CDU steht für eine Arbeits- und Familienpolitik, die Leistung fördert, Lebensrealitäten anerkennt und individuelle Entscheidungen respektiert. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, die Menschen motivieren – nicht bevormunden.

Vielen Dank für Ihre kritische Auseinandersetzung. Der Austausch zu diesen Themen ist wichtig – gerade in Zeiten des gesellschaftlichen und demografischen Wandels.

Mit freundlichen Grüßen

Tilman Kuban

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