Im Kontext der neuen Bürgergeldbeschlüsse: Wo sollen die ganzen Ingenieure hin, die grad in der Autoindustrie rausgeschmissen werden?
Sehr geehrter Herr Frei,
heute hat die CDU das Ende des Bürgergeldes beschlossen. Das neue Gesetz sieht offenbar im Extremfall die vollständige Streichung der Mittel vor – Menschen sollen in Arbeit gezwungen werden, oft in Tätigkeiten, die Politiker selbst nie ausüben würden.
Gleichzeitig wurden, wie vom Kanzler angemerkt, in der Autoindustrie bereits hunderttausende Stellen ersatzlos gestrichen, viele weitere sind bedroht. Was sollen all die Ingenieurinnen und Ingenieure künftig tun, wenn es bei Weitem nicht genug Arbeitsplätze gibt? Diese Maßnahmen werden zu massivem Lohndumping im MINT-Bereich führen.
Halten Sie das für fair? Und welchen Beitrag leisten Beamte und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit? Sind dort ebenfalls Gehaltskürzungen geplant?
Mit freundlichen Grüßen,
Paul I.
Sehr geehrter Herr I.,
Ihre Einschätzung teile ich in mehrfacher Hinsicht nicht.
Erstens gehe ich davon aus, dass qualifizierte Ingenieure nur in extremen Ausnahmefällen auf das Bürgergeld zurückgreifen würden. Dies, da es in diesem Bereich in aller Regel sozial verträgliche Lösungen des Stellenabbaus geben dürfte. Dazu kommt, dass die allermeisten Ingenieure schnell eine neue Stelle finden dürften. Schließlich haben wir Millionen offener Stellen im Land.
Zweitens zielt die Bürgergeldreform darauf ab, das Arbeitskräftepotenzial zu heben und zielgenauer als bisher dort zu unterstützen, wo tatsächlich die Solidarität der Allgemeinheit gebraucht wird. Heute erleben wir vielfach, dass es Menschen gibt, die sich im System eingerichtet haben, auch weil die Ampel das staatliche Fordern nahezu eingestellt hatte. So wie das System ist, funktioniert es nicht und kann es auf Dauer auch nicht finanziert werden. Das wäre dann zum Schaden der schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft.
Drittens sehe ich in keiner Weise, dass die Bürgergeldreform negative Auswirkungen auf die Lohnbildung hätte oder gar für Lohnkürzungen sorgen würde. Ihre Herleitung ist an dieser Stelle nicht nachvollziehbar.
Ohnehin ist es das Normalste der Welt, dass die Menschen selbst für sich sorgen, wenn sie gesund sind. Diesen Anspruch habe nicht nur ich, sondern alle Menschen, die jeden Morgen aufstehen und mit ihren Steuern das System finanzieren. Das ist in der Tat eine Frage der Fairness.
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Frei

