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Frage von Reinhard L. •

Frage an Swen Schulz von Reinhard L. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Schulz,

Sie bezeichnen die Erbschaftsteuerreform in Ihrer Antwort vom 27.02.2009 an Herrn Marquard als gerecht. Dies veranlasst mich zu folgender Anmerkung und Frage:
Das neue Gesetz wird weniger als 10 % aller Erbschaften betreffen. Wer nun meint, es lasse dann ja wohl kleinere Erbschaften unberührt und sichere das angestrebte Aufkommen durch den Zugriff auf größere Vermögen, ist im Irrtum.
Einerseits gehören zu den "weniger als 10%", die das Aufkommen erbringen sollen, alle kleineren Erbschaften über 20.000 €, die nicht an Kinder oder Ehepartner fallen. Dies gilt auch dann, wenn innerhalb des "Familienverbunds" an Nichten/Neffen oder sogar an Geschwister vererbt wird, wobei der Steuersatz gegenüber dem bisherigen Recht von 12% auf 30% !!! erhöht worden ist.
Andererseits gehören zu den "mehr als 90%", die mit keinem Cent zum Aufkommen beizutragen haben, Millionenerbschaften. So können Betriebe nach Berechnung des Handwerkermagazins ( www.handwerkermagazin.de ) unter Berücksichtigung des persönlichen Freibetrags bis zu einem Wert von 2,75 Millionen € steuerfrei an Sohn oder Tochter übergeben werden (wobei in den 2,75 Mill. auch seiner Natur nach privates Vermögen enthalten sein kann, z.B. eine als "gewillkürtes Betriebsvermögen" eingelegte vermietete Immobilie). Im Privatbereich darf die erbende Witwe neben sonstigem Vermögen von 500.000 € eine Millionenvilla ohne wertmäßige Begrenzung steuerfrei erhalten.
Frage:
Wenn größere Vermögen völlig freigestellt und die dadurch eintretenden Steuerausfälle durch einen massiven Zugriff (30 % !!! ) auf kleinere Erbschaften sogar unter Geschwistern oder bei Nichten/Neffen -wie bei Herrn Marquard- ausgeglichen werden, ist das nicht Umverteilung von unten nach oben? Wieso ist das gerecht?

Mit freundlichem Gruß

R. Ley

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Ley,

vielen Dank für Ihre Frage.

In der Antwort auf Herrn Marquardt habe ich deutlich gemacht, dass ich seinen Ärger aufgrund seiner speziellen familiären Situation durchaus nachvollziehen kann. Gesetze berücksichtigen die tatsächliche Verwandtschaftssituation, nicht aber emotionale Bindungen. Das können sie auch nicht, auch wenn dies in Einzelfällen eben leider dazu führt, dass sich Menschen aus verständlichen Gründen davon benachteiligt fühlen.

In der Antwort habe ich auch dargelegt, warum ich die Erbschaftssteuerreform in ihrer Gesamtheit für gerecht halte.
Sie sprechen die Möglichkeit an, Betriebe unter Berücksichtigung der Freibeträge auch mit einem hohen Wert steuerfrei innerhalb der Familie vererben zu können.

An dieser Stelle mussten wir in der Großen Koalition naturgemäß einen Kompromiss zwischen den sehr unterschiedlichen parteipolitischen Zielen und finanziellen Interessen der beteiligten Bundes- und Landespolitiker finden.

Die Vertreter der SPD hätten - in grundlegenden wie in Detailfragen – vielfach abweichende Regelungen bevorzugt. Dies betrifft auch den von Ihnen kritisierten Steuertarif. Eine im Gesetzgebungsverfahren mögliche Korrektur scheiterte letztlich an den Forderungen der Union nach zusätzlichen Begünstigungen für Unternehmer, Landwirte und Immobilieneigentümer.

Durch eine Senkung der oberen Tarifstufen für alle Steuerklassen ließe sich beispielsweise eine geringere steuerliche Belastung der Nichten und Neffen, aber auch der Geschwister erreichen, gleichzeitig würden Empfänger von Millionenvermögen über eine finanzielle Mehrbelastung eine Ermäßigung der Steuerklasse II gegenfinanzieren. Aus Sicht der SPD wäre eine solche Tarifänderung gerecht. Sie wurde jedoch bei der jetzigen Erbschaftssteuerreform von den Unionspolitikern kategorisch abgelehnt.

Für die SPD ist eine künftig andere Verteilung der Steuerlast damit aber keineswegs ausgeschlossen. Tatsächlich sollten Steuerklasseneinteilung und – tarif bei der nächsten Reform mit Blick auf die gesellschaftlichen und demografischen Veränderungen wieder überprüft werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Erbschaftssteuerreform vorgegeben, realitätsgerechtere und verfassungsgemäße Bewertungsregeln bei der Vererbung von Unternehmen zu entwickeln.
Der der Besteuerung zu Grunde liegende Wert eines Unternehmens orientiert sich künftig an seinem Marktwert. Die entsprechende Anpassung der Bewertungsvorschriften, die bei der Neuregelung des Erbschaftssteuerrechts vorgenommen wurde, führt in der Regel zu steigenden Unternehmenswerten und folglich zu einer höheren Bemessungsgrundlage. Anteile an Kapitalgesellschaften werden durchschnittlich um 64% höher bewertet, Personenunternehmen um 117%. Die bisherigen großen Unterschiede bei der Bewertung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften entfallen.

Um die Zielsetzungen der Arbeitsplatzsicherung, der Betriebsfortführung und der Sicherung von Steuereinnahmen umzusetzen, wurden Verschonungsregelungen entwickelt. Damit werden auch künftig nur wenige der mehr als 66.000 jährlichen Vermögensübertragungen im betrieblichen Bereich erbschaftssteuerpflichtig sein.

Betriebserben werden also steuerlich begünstigt. Das halte ich insofern für richtig, weil ich möchte, dass der vererbte Betrieb weiter geführt werden kann und somit Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Aber wir haben die Steuerbegünstigung auch an die Einhaltung von klaren Bedingungen geknüpft: Erbinnen und Erben müssen ihr steuerlich begünstigtes Unternehmen weiterführen und Arbeitsplätze erhalten.
Das entspricht genau dem Urteil des Verfassungsgerichts und im übrigen auch dem gesunden Menschenverstand: Jede Privilegierung muss mit Gemeinwohlinteressen begründet werden können, Steuerersparnis wird also nur dann gewährt, wenn dafür etwas für die Gemeinschaft geleistet wird.
Für die Verschonung von Betriebsvermögen sind zwei Optionen vorgesehen.

Die so genannte „7-Jahres-Option“ mit gleitendem Abzugsbetrag sieht folgende Regelungen vor: 15% des Betriebsvermögens werden sofort besteuert. 85% sind steuerfrei. Dies gilt aber nur dann, wenn das Unternehmen sieben Jahre lang weitergeführt wird, in dieser Zeit eine Gesamtlohnsumme von 650% erreicht wird (die Lohnsumme darf also nach sieben Jahren nicht unter 650% der Ausgangslohnsumme gesunken sein) und der Anteil des Verwaltungsvermögens nicht größer als 50% des Betriebsvermögens ist.

Damit sichern wir, dass aus einem vererbten Unternehmen nicht die Gewinne durch Verkäufe herausgezogen werden, Beschäftigte entlassen werden und dies auch noch steuerbegünstigt geschieht. Die Formel heißt also: Steuerbegünstigung nur gegen den Erhalt von Arbeitsplätzen. Das finde ich gerecht!

Die so genannte 10-Jahres-Option setzt für eine komplette Steuerbefreiung bei der Vererbung von Unternehmen sehr enge Grenzen: Das komplette Betriebsvermögen ist nur dann steuerfrei, wenn das Unternehmen zehn Jahre lang weitergeführt wird, eine Gesamtlohnsumme von 1000% erreicht wird, Arbeitsplätze also auf demselben Niveau gehalten oder ausgebaut werden und der Anteil des Betriebsvermögens nicht größer als 10% des Betriebsvermögens ist.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Ich bin der festen Überzeugung, dass Vermögende mit ihren Steuern einen größeren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwohls, beispielsweise also Bildung, Infrastruktur und Arbeit beitragen müssen als weniger Wohlhabende. Die Erbschaftssteuerreform leistet dies in ihrer Gesamtheit, auch wenn ich mir, wie oben beschrieben, einige Korrekturen für mehr Gerechtigkeit wünschen würde.

Mit den besten Grüßen

Swen Schulz, MdB