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Frage von Michael T. •

Frage an Swen Schulz von Michael T. bezüglich Innere Sicherheit

Auch wenn es sicherlich nicht mehr ganz aktuell ist:
Hatten Sie keine Skrupel für das BKA Gesetz zu stimmen, dass immerhin Journalisten, Rechtsanwälten und Ärzten nur noch ein eingeschränktes Zeugnisverweigerungsrecht zugesteht? Gerade die Pressefreiheit ist eine der Grundfesten unserer Gesellschaft. Wie können Sie Ihr Wahlverhalten mit einer Wählbarkeit von Ihnen und der SPD in Übereinstimmung bringen? Wenn ich eine persönliche Meinung äußern darf, mich, als jemanden der Sie gewählt hat, wundert bei ein solcher Verrat am Wähler nicht, dass die Wählerschaft der SPD immer weiter abnimmt. Kennen Sie den Spruch, wer Sicherheit gegen Freiheit eintauscht hat beides nicht verdient. Ich bin jedenfalls enttäuscht.

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Sehr geehrter Herr Thelemann,

vielen Dank für Ihre Frage.

Im Vorfeld der Abstimmung zum BKA-Gesetz gab es von vielen Seiten zum Teil sehr berechtigte Kritik. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, da ich insbesondere die Frage der Online-Durchsuchungen sehr kritisch sehe. Dennoch habe ich dem Gesetz im Deutschen Bundestag zugestimmt und möchte Ihnen gerne die Gründe dafür mitteilen.

Sie sprechen die Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts für bestimmte Berufsgruppen an. Hier gab es einen Kompromiss, zu dem wir in einer Koalition zugunsten anderer Verbesserungen von Gesetzen häufig gezwungen sind. Demnach sind Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut oder bekannt geworden ist, weiterhin zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Ebenso haben Verteidiger eines Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist, ein Zeugnisverweigerungsrecht.

Problematischer ist es bei Journalisten. Da es keine geschützte Berufsbezeichnung des Journalisten gibt, kann sich in Deutschland jeder so nennen. Das führt zu Problemen bei der klaren Abgrenzung und Eindeutigkeit, die bei einem solchen Gesetz jedoch aus meiner Sicht geboten wäre. Einen Schutzbereich wie bei einem Seelsorger oder Strafverteidiger einzubauen, ginge in der Sache deutlich zu weit. Auch nach den Länderpolizeigesetzen haben Journalisten bislang kein absolutes Auskunftverweigerungsrecht, dies würde zu einem Wertungswiderspruch führen, falls ein Fall vom BKA an ein Landeskriminalamt abgegeben wird.

Die Gefahr terroristischer Anschläge ist auch in Deutschland nicht zu verkennen. Terroristen haben die Möglichkeiten des Internets bereits für ihre Zwecke genutzt und werden dies weiterhin tun. Mit der Befugnis zum verdeckten Eingriff in informationstechnische Systeme (Online-Durchsuchung) kann das BKA mit der technischen Entwicklung Schritt halten. Wenn terroristische Anschläge über das Internet geplant und koordiniert werden, reichen die herkömmlichen Instrumente oft nicht aus. Eine veränderte Bedrohungslage und veränderte Mittel und Wege des internationalen Terrorismus bedeuten für uns, dass wir die Sicherheitsbehörden in die Lage versetzen müssen, adäquat darauf reagieren zu können.

Aber: Es ist genauso unsere Pflicht, dies so zu tun, dass die Grundrechte gewahrt bleiben und solche Maßnahmen nur zu diesem einen, genau definierten Zweck durchgeführt werden.

Deswegen haben wir als SPD im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses im Deutschen Bundestag durchgesetzt, dass vor einer Online-Durchsuchung in jedem Fall ein unabhängiger Richter prüfen muss, ob diese Maßnahmen durchgeführt werden dürfen. Ursprünglich sollte der sogenannte Eilfall nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn tatsächlich kein Richter erreichbar ist. Mehr war mit unserem Koalitionspartner bei diesem Punkt nicht machbar. Damit aber dieser Fall gar nicht erst eintreten kann, haben wir uns gleichzeitig dafür ausgesprochen, dass an allen BKA-Standorten Richter-Bereitschaftsdienste vorhanden sein müssen. Durch die darauf folgenden Verhandlungen im Vermittlungsausschuss ist die Eilfallkompetenz des BKA-Präsidenten für die Anordnung einer Online-Durchsuchung gänzlich entfallen. Hätte die Union unserer ursprünglichen Forderung nach einer starken richterlichen Kontrolle gleich entsprochen, hätte dieser Punkt nicht im Vermittlungsausschuss behandelt werden müssen.

Insbesondere lag mir der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, also die Privat- und Intimsphäre, am Herzen. Hier muss darauf geachtet werden, dass solche Daten gar nicht erst erhoben werden, soweit dies ermittlungstechnisch möglich ist. Sollten dennoch kernbereichsrelevante Daten bei einem Zugriff auf ein technisches Gerät erlangt worden sein, müssen sie unverzüglich gelöscht und ihre Verwertung ausgeschlossen werden. Durch den Druck der SPD-Fraktion hatten wir erreicht, dass außer zwei BKA-Beamten, von denen einer die Befähigung zum Richteramt hat, zusätzlich auch der unabhängige Datenschutzbeauftragte der Behörde prüfen muss, ob die gesichteten Daten den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren. Der Datenschutzbeauftragte ist nicht weisungsgebunden und muss sich in seiner Einschätzung an den Maßgaben des Grundgesetzes und insbesondere des Bundesdatenschutzgesetzes orientieren. Der gesamte Prozess muss dokumentiert werden, sodass er im Zweifel auch für den Bundesdatenschutzbeauftragten sowie die Gerichte im Nachhinein nachvollziehbar bleibt.
Auch dieser Punkt wurde im Vermittlungsausschuss insofern noch zusätzlich gestärkt, dass die Löschung von erhobenen Daten, die den Kernbereich der privaten Lebensführung betreffen, letztlich unter die Sachleitung des die Maßnahme anordnenden Gerichts gestellt wird.

Da wir mit der Durchführung von Online-Durchsuchungen und deren praktischen Auswirkungen bislang keine Erfahrung haben, haben wir für die Evaluierung und die zeitliche Befristung insbesondere dieser neuen Maßnahme gekämpft. Mit Erfolg! Nun muss ein unabhängiger Sachverständiger, der im Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag bestellt wird, diese Maßnahme begutachten.
In Verbindung mit der Befristung der Maßnahme auf den 31. Dezember 2020 haben wir effektive Vorraussetzungen für Korrekturmöglichkeiten geschaffen. Mit unserer Forderung nach einer Befristung von acht Jahren konnten wir uns allerdings gegenüber der CDU/CSU leider nicht durchsetzen.

Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen: Die Online-Untersuchung auf der Grundlage des BKA-Gesetzes soll nur und ausschließlich dazu dienen, Terroristen zu bekämpfen und ihre Anschlagspläne zu entdecken und nicht zur Strafverfolgung. Sie soll nur dann eingesetzt werden, wenn andere Mittel und Ermittlungsmöglichkeiten des BKA nicht ausreichen, um Attentatspläne aufzudecken und die Hintermänner zu identifizieren. Online-Durchsuchungen sollen nicht flächendeckend durchgeführt werden und schon gar nicht zur Überwachung unbescholtener Bürger!

Ich erwarte, dass das BKA mit den neuen Präventivkompetenzen verantwortungsvoll umgeht. In den letzten zehn Jahren hat das BKA gerade einmal zwei Rasterfahndungen durchgeführt. Von 2001 bis zum zweiten Quartal 2007 gab es nur sieben Wohnraumüberwachungen, also im Schnitt genau eine Überwachung pro Jahr. Es ist zu erwarten, dass das BKA auch von den neuen Ermittlungsbefugnissen nur sehr maßvoll Gebrauch machen wird.

Sehr geehrter Herr Thelemann, mir ist sehr an dem direkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern meines Wahlkreises gelegen. Ich habe immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte, für die verschiedenen Meinungen und vielfältigsten Auffassungen. Und diese beziehe ich selbstverständlich in meine tägliche Arbeit mit ein, so auch bei der Entscheidung zum BKA-Gesetz. Bei dem von Ihnen angesprochenen Punkt hatte auch ich Bauchschmerzen zuzustimmen. Aber ein ganzes Gesetz besteht nun eben nicht nur aus einem Punkt, sondern aus sehr vielen. Zudem ist auch nicht leicht, sich in einer Koalition in allen Punkten gegen den Partner durchzusetzen. Aber nach Abwägung aller Punkte in ihrer Gesamtbetrachtung habe ich mich für die Zustimmung entschieden.

Den von Ihnen zitierten Spruch kenne ich. Aber auch hier haben wir eine unterschiedliche Meinung. Für mich stehen sich die Begriffe Sicherheit und Freiheit nicht zwingend diametral gegenüber, sondern wir sind in der Verantwortung, beides in Ergänzung zueinander zu bringen.

Falls Sie weiteren Gesprächsbedarf haben, können Sie gerne zu einem persönlichen Gespräch in meine Bürgersprechstunde in meinem Bürgerbüro in der Bismarckstr. 61 in Spandau kommen. Einen Termin können Sie unter der Telefonnummer 030/ 36 75 70 90 vereinbaren. Ich würde mich freuen. Darüber hinaus erreichen Sie mich direkt unter

Swen Schulz, MdB
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
oder per E-Mail unter
swen.schulz@bundestag.de

Mit den besten Grüßen

Swen Schulz, MdB