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Sven Lehmann
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Frage von Lion R. •

Frage an Sven Lehmann von Lion R. bezüglich Soziale Sicherung

Finanzierung der Corona-Krise und soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Lehmann,

neben den Diskussionen um die akuten Maßnahmen ist auch die Diskussion um die Finanzierung der Krise voll im Ganage. Vor allem die Einführung einer Vermögensabgabe / -steuer liegt als Vorschlag auf dem Tisch. Diese würde natürlich dazu führen, dass die reichsten die Hauptlast tregen.
Meine Fragen dazu lauten:
1. Wie stehen Sie persönlich zur Einführung einer Vermögenssteuer für Einkommen, die größer sind als 1mio €?
2. Können Sie mir weitere Maßnahmen (falls Sie dafür sind), bzw. Alternativen (falls Sie dagegen sind) nennen, die die Kosten der Krise tragen ohne dabei die ärmsten Menschen oder die untere Mittelschicht dadurch noch mehr zu belasten (gerade solche Ideen, wie die Nullrunde für Rentner*innen sowie eine Absenkung des Mindestlohns kamen ja bereits von Seiten einiger CDUler*innen.)
3. Wie stehen Sie zu dem Vorschlag von Peter Altmeier, staatliche Beteiligungen an Unternehmen abzustoßen? Vor allem wenn man bedenkt, dass Privatisierungen (wie z. B. bei der Deutschen Bahn) häufig zu einer verschlechterung der Infrastruktur führten.

Mit freundlichen Grüßen
L. Rudi

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr R.,

vielen Dank für Ihre Frage vom 08. Februar, die ich sehr gerne aufgreife, um unseren Standpunkt zum Thema zu verdeutlichen. Bitte entschuldigen Sie vorab die späte Rückmeldung!

Eine Vermögensteuer ist Gesetz in Deutschland. Allerdings wird diese Steuer seit 1997 nicht mehr erhoben. Auch die Wirtschaftswissenschaft ist sich weitgehend einig, dass die Vermögensverteilung in Deutschland sehr ungleich ist. Laut DIW besitzt das „eine Prozent“ an der Spitze der privaten Haushalte rund 35 Prozent des Nettovermögens (die obersten 10 Prozent besitzen 2/3 des gesamten Nettovermögens). Auch die Pandemie und ihre Folgen ändern dieses Ungleichgewicht nicht. Im Gegenteil gibt es Hinweise, dass gerade sehr hohe Vermögen in dieser Situation sogar noch profitieren.

Für uns Grüne ist daher klar, dass große Vermögen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden sollen. Bei unserem digitalen Parteitag Ende November haben wir u.a. beschlossen:
„Zu große Ungleichheit bedroht den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit einen Pfeiler der Demokratie. Aufgabe von Politik ist es, solche Ungleichheit zu vermeiden und durch Regulierung, Investitionen und Steuern Ungleichheit zu reduzieren und einen Ausgleich zu schaffen. Große Vermögen und hohe Einkommen bringen soziale Verpflichtungen mit sich.“

Ob eine Vermögensteuer dem Ziel von mehr Verteilungsgerechtigkeit nützt, ist aber diskussionswürdig. Neben einem hohen und kostenintensiven Verwaltungsaufwand (wegen der dauerhaften Wertermittlung) und der zu erwartenden Steuerflucht, steht der Ertrag der Vermögensteuer den Bundesländern zu. Inwiefern die Länder diese Erträge nutzen würden und könnten, um Ungleichheit in der Gesellschaft zu mindern, ist offen.

Natürlich stellt sich in der aktuellen Situation die Frage, wie die Folgen der Corona-Pandemie finanziell geschultert werden sollen. Neben dem Instrument einer Vermögensteuer diskutieren wir daher in Partei und Bundestagsfraktion auch intensiv über einen Lastenausgleich in Form einer einmaligen und langfristig angelegten Vermögensabgabe der vermögendsten Teile unserer Bevölkerung zur Finanzierung der immensen Kosten durch die Corona-Pandemie. Allerdings muss beachtet werden, dass nach der Krise dringend konjunkturelle Impulse notwendig sind, um uns wirtschaftlich zu erholen und Investitionen in eine nachhaltige Zukunft zu sichern. Bestandteil einer Diskussion um Verteilungsgerechtigkeit in unserer Gesellschaft muss dabei auch die Erbschaftsteuer mit ihren zahlreichen Ausnahmen sein.

Das Vorpreschen des Bundeswirtschaftsministers zum Verkauf von Staatsbeteiligungen war wohl nur ein sehr kurzes Strohfeuer. Das Ministerium wollte das auf Nachfrage unserer Fraktion lediglich als „Debattenbeitrag“ verstanden wissen (vgl.: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/debatte-um-die-schuldenbremse-altmaier-will-doch-erstmal-keine-staatsbeteiligungen-verkaufen/26910176.html). Wir Grüne halten einige Staatsbeteiligungen grundsätzlich für richtig. Gerade klimapolitische und sozialpolitische Standards lassen sich hierdurch besser einbringen. Aktuell ist jedoch nicht die Zeit dafür, über den Verkauf von Staatsbeteiligungen zu diskutieren, da wir in dieser Krisenzeit Arbeitsplätze und Unternehmen retten müssen, die andernfalls durch die Pandemie bedroht sind.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen Ihre Fragen damit ausreichend beantworten.

Mit freundlichen Grüßen
Sven Lehmann MdB

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