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Frage von Egon H. •

Frage an René Röspel von Egon H. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Röspel,

ich bin im Cicero (Magazin für politische Kultur) auf folgenden Sachverhalt aufmerksam geworden:

Am Beispiel des Arzneimittel Lucentis kann verdeutlicht werden welche Kostenreduzierungen im Gesundheitswesen möglich sind.
Bei Lucentis handelt es sich um ein Medikament des Pharmakonzern Novartis welches gegen das Augenleiden Makuladegeneration AMD eingesetzt wird. Mit diesem Medikament verdrängte Novartis gezielt das weit preiswertere Darmkrebsmittel Avastin welches sich auch gegen AMD bewährt hatte. Avastin wird von Hoffmann-Laroche produziert, welche auch zu einem Drittel zu Novartis gehören.
Avastin war für die Therapie von AMD nicht zugelassen und durfte von den Ärzten nur solange gegen AMD verordnet werden wie kein genehmigtes Präparat existierte.
Novartis erzielte in 2009 mit Lucentis bei einem Umsatz von 32,5 Milliarden Euro einen Riesen-Gewinn in Höhe von 7,5 Milliarden Euro.
Laut Arzneiverordnungsreport kostet die jährliche Behandlung eines AMD Patienten mit Lucentis 18.279 Euro. Mit Avastin lägen die Kosten bei jährlich 266,50 Euro. Bei ca. 500.000 AMD erkankten Menschen in Deutschland ergäbe sich hier ein Einsparpotential von ca. 9 Milliarden Euro jährlich.
Logische Schlußfolgerung hieraus: Den Einsatz von Avastin genehmigen und im Sinne der Steuer- und Beitragszahler Milliarden einsparen.

2 Fragen an Sie, Herr Röspel:

Was werden Sie und Ihre Partei dafür tun um solche o.g. kostenintensiven Vorgehensweisen zum Wohle der Beitrags- und Steuerzahler sowie der Patienten zukünftig zu verhindern?

Bei Avastin handelt es sich um ein in der Praxis bewährtes Medikament. Was werden Sie tun damit dieses Medikament wieder verordnet werden kann?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hammel,

vielen Dank für Ihre email und Anfrage vom 10. März 2010 über das Internet-Portal „abgeordnetenwatch.de“.

Bevor ich Ihre Fragen beantworte, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Sie in Ihrer Frage das Einsparpotential leider nicht ganz richtig zitiert haben. Im Cicero-Beitrag wird nur von „rund neun Milliarden Euro“ gesprochen; Sie sprechen hier von einem jährlichen Einsparpotential. Angesichts der Gesamtausgaben von rund 31,7 Mrd. Euro (Arzneimittelausgaben der GKV in 2009) pro Jahr wäre dies ein wirklich enormes Einsparpotential.

Grundsätzlich kann ich Ihnen zustimmen, wenn Sie Kritik an der Zulassungspraxis für Arzneimittel in Deutschland üben. Auch die automatische Erstattung von neuen Medikamenten halte ich für einen Punkt, den man sich sehr genau anschauen sollte. Es kann nicht sein, dass neue Präparate, die meist nur einen geringen Fortschritt im Vergleich zu deutlich günstigeren Arzneimitteln erbringen, umgehend von den Krankenkassen erstattet werden, auch wenn die Mehrkosten in keinem Verhältnis zum Mehrwert stehen („Scheininnovationen“).

Nun zu Ihren konkreten Fragen:
- wir als SPD haben bereits in der letzten Legislaturperiode einen Antrag auf den Weg gebracht, um nichtkommerzielle klinische Studien in Deutschland zu erleichtern. Mit solchen Studien (die also nicht etwa ausschließlich vom Hersteller finanziert werden) lassen sich unter anderem Untersuchungen dahingehend anstellen, ob ein Medikament auch für andere Indikationen angewendet werden kann. Ich werde mich persönlich – nicht zuletzt als Forschungspolitiker – dafür einsetzen, dass wir die Möglichkeiten der klinischen Forschung an dieser Stelle weiter ausbauen. Im Bereich des Erstattungsrechts und des Arzneimittelrechts werden meine SPD-Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitsausschuss des Bundestages konkrete Vorschläge machen.

- wenn ein Medikament sich in der Praxis bewährt hat, heißt dies noch lange nicht, dass seine Anwendung unproblematisch ist und umgehend zulässig sein sollte. Ich bin kein Pharmakologe und kann daher die vorliegenden Studien zu den genannten Arzneimitteln nicht umfassend und hinreichend bewerten. Allerdings ist es grundsätzlich problematisch, wenn ein Arzneimittel außerhalb der durch klinische Studien geprüften Indikationsstellung angewendet wird.
Wir bräuchten daher aus meiner Sicht klare Studien, die den Nutzen von Avastin im Vergleich zu Lucentis nachweisen (nach meiner Kenntnis wird eine solche Studie gerade an der Universität Bremen durchgeführt – „VIBERA Studie“). Um diese kritischen Fragen aber auch in Zukunft wissenschaftlich fundiert bewerten zu können, hat die rot-grüne Bundesregierung unter anderem das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) eingerichtet. Wenn jetzt auf Druck der Regierung der Chef dieses Instituts aus dem Amt gedrängt wird, zeigt sich, wohin im Arzneimittelbereich die Reise mit der schwarz/gelben Koalition führen wird.

Ich sage daher: wir sollten starke, unabhängige Einrichtungen schaffen, die die Kosten und den Nutzen neuer Arzneimittel fundiert bewerten können und wir sollten die Möglichkeiten für nichtkommerzielle klinische Studien in Deutschland verbessern. Zu letzterem Punkt werden wir auf meine Initiative hin schon bald konkrete Vorschläge im Bundestag präsentieren und die Regierung nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.

Unabhängig davon wäre es Aufgabe des Herstellers Roche, eine erweiterte Zulassung von Avastin zu beantragen. Offenbar wegen der wirtschaftlichen Verflechtung fehlt hier das Interesse (obwohl schon die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt den Roche-Konzern ausdrücklich dazu aufgefordert hatte).

Ich hoffe, ich habe in der gebotenen Kürze die von Ihnen aufgeworfenen Fragen umfassend beantwortet und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

René Röspel