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Ralph Lenkert
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Frage von Reinhard G. •

Der russische Botschafter Sergej Netschajew hat angeboten, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen. Wenn Deutschland auf dieses Angebot eingeht – wäre das ein friedenspolitisches Signal?

Sehr geehrter Herr Lenkert,

kann es ein friedenspolitisches Projekt sein. auf das Angebot des Botschafters einzugehen? Im Frühjahr gab es in Istanbul Verhandlungen über einen Friedensvertrag zwischen der Ukraine und Russland, die schon weit fortgeschritten waren. Kann die Öffnung von Nord Stream 2 der Entspannung dienen und ein Signal sein, diese Gespräche wieder aufzunehmen?

Wäre es auch im Sinne der Umwelt, Nord Stream 2 zu öffnen? Würde das verhindern, dass die Laufzeiten gefährlicher AKWs verlängert werden? Kann dieses Gas auch ein Ersatz für Fracking Gas und Kohle sein?

Wäre es ein sozialpolitisches Projekt, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen? Werden so weitere Betriebsschließungen und ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit verhindert? Wäre das viel besser, als nur die sozialen Folgen abzumildern? Usw.

Wäre die Öffnung von Nord Stream 2 auch ein sinnvolles energiepolitisches Projekt? Sollten erst „neue“ Energieträger zur Verfügung stehen, bevor auf „alte“ verzichtet wird?

MfG

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Sehr geehrter Herr G.,

Diplomatie ist grundsätzlich immer begrüßenswert und Grundlage für die Beilegung von Konflikten. Das Angebot des russischen Botschafters wird im Auswärtigen Amt sicherlich zur Kenntnis genommen worden sein. Uns als Oppositionspartei im Bundestag obliegt es nicht, uns in diplomatische Angelegenheiten der Bundesregierung unmittelbar einzumischen. Das sieht das Grundgesetz mit seiner Gewaltenteilung vor. Als Abgeordneter des Bundestages bilde ich mir über das Angebot des russischen Botschafters und seine Auswirkungen natürlich trotzdem eine Meinung. Ich sehe den kurzfristigen sozialen Vorteil und die Entlastung der Energiemärkte natürlich, sollte Russland seinen Verträgen nachkommen und das vor Jahren bestellte Gas liefern. Die sicherheitspolitischen Auswirkungen und die sozialen Auswirkungen auf die Menschen in der Ukraine und die russischen Soldatinnen und Soldaten sehe ich dabei aber auch. Die Auswirkungen sind zu komplex, als sie auf die Schnelle begrüßen zu können, denn alles, was Deutschland wirtschaftspolitisch mit anderen Staaten vereinbart, hat Auswirkungen. DIE LINKE warnt seit Jahren vor Ressourcenabhängigkeiten. Das gilt nicht nur in Bezug auf Russland, sondern ebenso auf die USA, China und andere Staaten. Es ist grundsätzlich ein sicherheitspolitisches Dilemma, wenn man sich wirtschaftlich von einer einzigen fremden Macht abhängig macht. In dieser einseitigen Abhängigkeit zu verharren oder in sie zurückzukehren, wirkt sich mittel- und langfristig mit großer Wahrscheinlichkeit immer nachteilig auf die soziale Situation der Bevölkerung aus.

NordStream2 zu öffnen, hätte in der gegenwärtigen Situation keinen Zweck gehabt, da weder technisch noch physikalisch der Betrieb NordStream2 notwendig wäre, damit Russland seinen Lieferverpflichtungen nachkommen könnte. Mit Jamal und Tranzgaz gäbe es auch nach den Anschlägen auf die beiden Nordstreampipelines noch ausreichend Leitungskapazitäten. Der Bau und Betrieb von NordStream2 wurde seitens der LINKEN aber auch schon lange vor dem Ukrainekrieg kritisch gesehen, da wir auf Basis wissenschaftlich evidenter Erkenntnisse davon ausgehen, dass der Klimawandel real ist, von Menschen verursacht wird und deswegen einzig und allein die Abkehr von fossilen Energieträgern langfristig die ökologische Stabilität des Planeten garantieren kann. In diesem Sinne wäre eine langfristige Nutzung von Erdgas und damit auch der Betrieb von NordStream2 kein Beitrag zum Umweltschutz.

Die Frage, inwiefern heute geliefertes russisches Erdgas die Laufzeitverlängerung von AKW verhindern könnte oder uns vor der Nutzung umweltschädlicheren Fracking-Gases bewahren könnte, stellt sich mir nicht. Da es der russische Exporteur ist, der nicht liefern will. Auch bei ausbleibendem russischen Erdgas ist die Laufzeitverlängerung weder notwendig noch geboten. In dieser Diskussion werden verschiedene volkswirtschaftliche Betrachtungen gegen unabwägbare Risiken aufgewogen in einer Art, die sich meiner Auffassung nach ethisch, aber auch technisch verbietet. Die Brennstäbe sind aufgebraucht, Neubestellungen dauern üblicherweise 18 bis 24 Monate. Anstatt darüber zu lamentieren, anstatt Scheinlösungen vorzuschlagen, wäre es zielführender, die Spekulation an Börsen zu beenden und die Energieversorgung zu vergesellschaften, durch gezielte Preisdeckelung die sozialen Auswirkungen einzudämmen und vor allem einen Katalog über Energieverbrauch aufzustellen, auf den wir kurzfristig verzichten können. Es wäre zielführender, mehr Energie aus Biomasse zu gewinnen und diese flexibler einzusetzen, nämlich dann, wenn Wind und Sonne nicht genügend Energie liefern. Darüber hinaus könnte über eine Änderung der Abgabenstrukturen und des Strommarktdesigns mehr erneuerbarer Strom genutzt werden, statt dass Windräder stehen und Solaranlagen gedrosselt werden. Beide Optionen zusammen könnten ca. 35 Prozent der russischen Gaslieferungen direkt oder indirekt (weniger Gasnutzung für Strom und Fernwärme) ersetzen. 

DIE LINKE hat darüber hinaus ein Paket gefordert mit 100 Mrd. Euro für Preisdeckel bei Strom, Gas und Fernwärme sowie Wirtschaftshilfen für kleine und mittlere Unternehmen und zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Hinzu kommen weitere große Summen zur Einführung von preiswerten Grundkontingenten und ca. 90 Mrd. für die Einführung eines pauschalen Kostenausgleiches für alle Haushalte mit monatlich 75 Euro je Haushalt + weitere 50 Euro je Person im Haushalt.

Die Koalition hat jetzt ein weiteres Hilfspaket von 200 Mrd. angekündigt. Ich werde, wie meine ganze Fraktion, darauf dringen, dass diese Mittel auch wirklich bei den Menschen ankommen.

Einen Erfolg hatten wir bereits, wir haben die Koalition überzeugt, dass die Mehrwertsteuersenkung für Gas von 19 auf 7 Prozent auch für die Fernwärme gelten soll. Das wurde am 30.09.2022 im Bundestag beschlossen.

Mit freundlichen Grüßen

Ralph Lenkert

 

 

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