Was gilt deutsches Ehrenwort? Wir lassen gerade noch immer mehr als 3000 afghanische Ortskräfte mit Aufnahmezusage (!!) in Pakistan im Stich: Abschiebungen nach Afghanistan haben bereits begonnen.
Sehr geehrter Herr Stegner,
seit Machtübernahme der Taliban warte ich, dass die Bundesrepublik ihr Versprechen endlich einlöst u. ihre afghanischen Ortskräfte inkl. Familien wie versprochen eben nicht sich selbst überlässt. Der Bericht von Martin Kaul (WDR) v. 07.01.25 fasst zusammen, was schon 2023 WDR,NDR,SZ sowie das Investigativbüro Lighthouse Reports angeprangerten und was Sie auch wissen müssten: Beamten wird bei der Prüfung eine "restriktive Handhabung" empfohlen, deutsche Bürokratie verzögert und der Schwarzmarkt mit gefälschten Dokumenten erschwert den Prüfungs- und Anerkennungsprozess. Für diese Menschen geht es um Leben u. Tod, was den Pakistanis egal ist. Laut einer neuen Asylrechtsbestimmung steht doch zumindest jeder afghanischen FRAU in D Asyl zu, eben weil sie eine afghanische Frau ist, ergo verfolgt. Würde die Anwendung dieser Regelung nicht das Procedere erleichtern? Die Regierungspolitik macht uns zu mitschuldigen Verrätern. Shame on us. Was also wählen im Februar?

Sehr geehrte Frau E.,
vielen Dank für Ihre engagierte und berechtigte Anfrage zur Situation der afghanischen Ortskräfte. Als Vorsitzender des Afghanistan-Untersuchungsausschusses habe ich mich intensiv mit den Versäumnissen beim Abzug 2021 beschäftigt. Der kürzlich vorgelegte Abschlussbericht zeigt deutlich: Überbordende Bürokratie und mangelnder politischer Handlungswille haben damals ein effektives und schnelles Handeln verhindert - eine Problematik, die bis heute nachwirkt.
Die aktuelle Situation der noch in Pakistan ausharrenden afghanischen Ortskräfte ist beschämend. Die von Ihnen angesprochene "restriktive Handhabung" der Verfahren steht in krassem Widerspruch zu unserer humanitären Verantwortung. Ihr Hinweis auf die Asylrechtsbestimmungen für afghanische Frauen verdeutlicht die Dringlichkeit der Lage. Auch wenn eine pauschale Regelung rechtlich komplex ist, brauchen wir pragmatische Lösungen für diejenigen, die auf unsere Zusagen vertraut haben und die schutzbedürftig sind.
Die Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss zeigen eindringlich: Wenn es um Menschenleben geht, muss Humanität vor Bürokratie stehen. Auch nach Abschluss unserer Untersuchungen werde ich mich deshalb mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Verfahren beschleunigt und unnötige administrative Hürden abgebaut werden. Die gegenwärtige politische Debatte um Migration darf nicht dazu führen, dass wir unsere besondere Verantwortung für ehemalige Ortskräfte vernachlässigen.
Als Sozialdemokrat bleibe ich bei meiner klaren Haltung: Deutschland steht in der Pflicht gegenüber den Menschen, die für uns tätig waren und dadurch oft ihr Leben riskiert haben. Die Erfahrungen aus dem Untersuchungsausschuss müssen jetzt zu konkreten Verbesserungen in der Praxis führen - das sind wir den Betroffenen schuldig.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Stegner