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Petra Nicolaisen
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Frage von Thomas H. •

Frage an Petra Nicolaisen von Thomas H. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Nicolaisen,

ist das Gesetz gegen Hass auch auf die alltägliche Kommunikation der Menschen (Sprache, Gestik) anwendbar?

Ein Politiker wird in herausragender Weise mit Hass und Hohn, öffentlich, überzogen. Minister Spahn wird beschimpft, bespukt und mit "Hau ab" Rufen öffentlich attakiert https://www.youtube.com/embed/BiojE8dmLq0. Öffentliche Auftritte von Herrn Spahn werden von massiven Einsatzkräften geschützt und Demonstranten müssen mit Strafverfahren und Anzeigen (wegen aller in Frage kommenden Delikte) "gezähmt" werden.https://www.express.de/nrw/wuppertal/protest-gegen-corona-politik-ermittlungen-nach-auftritt-von-jens-spahn-in-wuppertal-37247024

Sind das aus Ihrer Sicht normale Umgangsformen und müssten nicht extensiv Gesetze angewendet und neue Gesetze erlassen werden, um Politiker wie Jens Spahn zu unterstützen und vor Demonstranten zu schützen?
Ist es noch bestreitbar, dass ein Minister, auch öffentlich, angefeindet wird und welche Konsequenzen leiten sie im Rechtsausschuss ab? https://www.zdf.de/nachrichten/politik/coronavirus-spahn-angefeindet-100.html

Weiterhin wird Minister Spahn massiv attakiert und zwar wegen einem Hauskauf und Berichten über die Kaufsumme https://www.businessinsider.de/politik/bundesgesundheitsminister-spahn-kauft-luxusvilla-fuer-mehrere-millionen-euro/ , die laut Landgericht Hamburg nicht öffentlich genannt werden darf.
Ist es einem Politiker zumutbar, sich auf rechtlichem Weg gegen unzulässige Berichterstattung in überragend massiver Weise, öffentlich vor Gericht und mit eigenem Geld, zu wehren? Nach dem Bericht eines Rechtsanwalts, sollen die Prozesskostenrisiken allein bei Springer bei 90000 Euro liegen https://twitter.com/Steinhoefel/status/1305862266655510529 in Summe bei Hunderttausenden Euro https://twitter.com/Steinhoefel/status/1305862297030717441

Halten sie ein weiteres "Hassgesetz" (Lex Spahn?), bezugnehmend auf die aktuellen Ereignisse, für zwingend durchsetzbar?

Danke für Ihre Einschätzung
Thomas

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hitzlsperger,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie unter anderem auf die verbale Gewalt, ehrverletzende Äußerungen und die Androhung physischer Gewalt gegenüber dem aktuellen Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, eingehen.

Politisch motivierte Kriminalität, verbale und auch physische Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker aller politischen Ebenen ist bedauerlicherweise traurige Realität und bedroht jede lebendige Demokratie.

Eine Vielzahl von strafrechtlich relevanten Aussagen und Handlungen, die im Rahmen von unwahren Tatsachenbehauptungen, Verunglimpfungen, Beschimpfungen, Beleidigungen, öffentlichen und insbesondere auch sexistischen Herabwürdigungen, Hass- und Drohnachrichten sowie rassistischen und fremdenfeindlichen Äußerungen gegen Politikerinnen und Politiker getätigt oder angedroht werden, können bereits vom geltenden Strafrecht erfasst werden.

Bei allem Verständnis für Ihren Unmut über den Hass, der den Bundesminister für Gesundheit derzeit trifft, ist es jedoch sehr wichtig, zwischen unterschiedlichen Formen der sachlichen Kritik in sozialen Medien sowie auch in der Medienberichterstattung und den strafrechtlich relevanten Droh- und Hassäußerungen zu differenzieren.

Als Personen des öffentlichen Lebens beziehungsweise als Personen der Zeitgeschichte stehen Politikerinnen und Politiker im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die Zulässigkeit von Äußerungen im Rahmen medialer Berichterstattung oder die Berichterstattung als solches ist daher immer ein Abwägungsprozess zwischen dem öffentlichen Interesse der Allgemeinheit und den Persönlichkeitsrechten.

Klar ist: Die Medienberichterstattung muss mit geltendem Recht vereinbar sein. Ist das nicht der Fall kann in einem Rechtsstaat der Rechtsweg bestritten werden.

Eine berechtigte und journalistisch sorgfältige Medienberichterstattung, die sich an geltendes Recht und medienethische Grundsätze hält, ist demokratieerhaltend. Gesetzliche Einschränkungen der Pressefreiheit halte ich für indiskutabel und gefährlich.

Sehr geehrter Herr Hitzlsperger, bei allem berechtigten Interesse zum Schutz von Politikerinnen und Politikern vor Anfeindungen und Hasskriminalität sehe ich derzeit für grundlegende strafschärfende Maßnahmen keinen ausreichenden Anlass. Mit den bereits heute bestehenden rechtlichen Möglichkeiten der Ahndung haben wir einen sicheren und langbewährten Rechtsrahmen.

Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“, welcher am 18. Juni 2020 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, sind vereinzelte Erweiterungen von Strafrahmen im Strafgesetzbuch beispielweise für Beleidigungen geplant. Solche Maßnahmen sind durchaus sinnvolle Ergänzungen, die allerdings keine Lösung des ursprünglichen Problems darstellen.

Daher ist mir besonders wichtig, dass wir dieses Phänomen als gesamtgesellschaftliches Problem verstehen und thematisieren. Dazu können unter anderem Schulungen und Weiterbildungen gehören, die Politikerinnen und Politikern helfen sollen, mit Gewalterfahrungen, Gewaltandrohungen, Hass und Eskalationen besser umzugehen und sie gegebenenfalls auch über ihre Rechte zu informieren. Zugleich bedarf es mehr Verständnis - zum Beispiel über Öffentlichkeitsarbeit - für die Beweggründe und Entscheidungen von Politikerinnen und Politikern. Gegenseitiges Vertrauen und Verständnis ist die Grundlage für Kommunikation auf Augenhöhe.

Es gehört auch dazu, dass die Erforschung des Ursprungs des Hasses und der verbalen Enthemmungen vorangetrieben wird und dass wir als Gesellschaft den Diskurs darüber aufrechterhalten. Nur so werden wir das Problem gesamtgesellschaftlich angehen können.

Mit freundlichen Grüßen
Petra Nicolaisen

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